PhV BW zu den Aussagen von Ministerpräsident Kretschmann zu einer möglichen Erhöhung des Klassenteilers

6. Juli 2022

* Philolo­gen­ver­band lehnt Über­legun­gen zu ein­er möglichen Erhöhung des Klassen­teil­ers vehe­ment ab
* PhV-Lan­desvor­sitzen­der Ralf Scholl: „Mas­sive Ver­säum­nisse der Lan­desregierung bei der Unter­richtsver­sorgung“
* Schluss mit ein­er Bil­dungspoli­tik auf dem Rück­en von Lehrkräften, Kindern und Jugendlichen!

Das Hauptver­fahren für die Ein­stel­lung neuer Lehrkräfte in Baden-Würt­tem­berg läuft seit 28.6.2022 und endet am 11.7.2022. Und schon jet­zt ist klar: Rund 1000 Bewer­berin­nen und Bewer­ber für eine Stelle am Gym­na­si­um wer­den kein entsprechen­des Ange­bot erhal­ten, denn dafür fehlen die notwendi­gen Stellen: Trotz des Lehrerman­gels hat das Land dafür bis­lang kein zusät­zlich­es Geld zur Ver­fü­gung gestellt. Auch zusät­zliche befris­tete Stellen sind nicht in Sicht: Für diese müssten näm­lich eben­falls zuerst ein­mal entsprechende finanzielle Mit­tel bere­it­gestellt wer­den. Das ist bis heute nicht geschehen. „Die Lan­desregierung hat es ver­säumt, bei der Lehrere­in­stel­lung rechtzeit­ig die notwendi­gen Maß­nah­men zu ergreifen“, kri­tisiert der Lan­desvor­sitzende des Philolo­gen­ver­bands Baden-Würt­tem­berg (PhV BW), Ralf Scholl. „Selb­st wenn im August oder Sep­tem­ber zusät­zliche Gelder lock­er gemacht wer­den, ist das dann zu spät, da die anderen Bun­deslän­der uns dann die nicht eingestell­ten Lehrkräfte längst abge­wor­ben haben.“

Dabei ist bere­its seit März klar, dass für die Beschu­lung der ukrainis­chen Flüchtlingskinder zusät­zliche Lehrkräfte in erhe­blich­er Größenord­nung benötigt wer­den. Der Ver­band der gym­nasialen Lehrkräfte hat­te darauf bere­its am 14.03.2022 öffentlich hingewiesen und von der Lan­desregierung die entsprechen­den Schritte einge­fordert (s. https://www.phv-bw.de/phv-bw-zur-aufnahme-von-fluechtlingen-aus-der-ukraine-an-den-schulen-im-land/). Passiert ist bish­er prak­tisch nichts!

In der ver­gan­genen Woche bet­tel­ten Min­is­ter­präsi­dent Kretschmann und Kul­tus­min­is­terin Schop­per in einem Schreiben die Bestand­slehrkräfte an: „Bitte über­legen Sie es sich doch, ob Sie im näch­sten Schul­jahr nicht eine, zwei oder sog­ar drei zusät­zliche Stun­den pro Woche unter­richt­en kön­nen“. Aber auch für diese Stun­den­er­höhun­gen ist das notwendi­ge Geld im Staat­shaushalt­s­plan bis­lang nicht bere­it­gestellt wor­den.

Für einen neuen neg­a­tiv­en Höhep­unkt in der Debat­te um die Sich­er­stel­lung der Unter­richtsver­sorgung hat nun Min­is­ter­präsi­dent Kretschmann gesorgt, indem er eine mögliche Erhöhung des Klassen­teil­ers – also eine Ver­größerung der Klassen – ins Spiel gebracht hat. Eine solche Maß­nahme wäre nach Ansicht von Ralf Scholl „völ­lig ver­fehlt“. Der PhV-Lan­desvor­sitzende erk­lärt: „Angesichts der zahlre­ichen Hiob­s­botschaften über die Leis­tun­gen der Schü­lerin­nen und Schüler in Baden-Würt­tem­berg wäre es ver­heerend, jet­zt auch noch die Klassen zu ver­größern, sodass die Lehrkräfte noch weniger Chan­cen haben, Bil­dung zu ver­mit­teln.“

Dass die Klas­sen­größe den Lern­er­folg mitbes­timmt, ist inzwis­chen empirisch abgesichert (s. dazu u.a. die Berlin­er DIW-Studie von 2018: https://www.diw.de/de/diw_01.c.584970.de/themen_nachrichten/kleinere_klassen_koennen_zu_besseren_leistungen_in_den_faechern_deutsch_und_mathematik_fuehren.html). Zudem würde mit größeren Klassen die Belas­tung der Lehrkräfte, die schon vor Coro­na am oder über dem Lim­it waren, weit­er steigen. „Eine Erhöhung des Klassen­teil­ers wäre sowohl unter dem Aspekt der Bil­dungsqual­ität als auch unter dem Gesicht­spunkt der Lehrkräftege­sund­heit abso­lut ver­ant­wor­tungs­los“, betont Ralf Scholl. „Noch größere Aus­fälle durch Burnout wären damit vor­pro­gram­miert.“

Der PhV-Lan­desvor­sitzende weist darauf hin, dass auch dieses Jahr wieder 4000 befris­tet beschäftigte Lehrkräfte in Baden-Würt­tem­berg ab dem ersten Feri­en­tag auf der Straße ste­hen, obwohl sie am ersten Schul­t­ag wieder benötigt wer­den, um die ohne­hin beste­hen­den Lück­en bei der Lehrerver­sorgung erneut zu stopfen. „Die 15 Mil­lio­nen Euro, die ihre Weit­erbeschäf­ti­gung über die Ferien gekostet hätte, sind für das Land anscheinend nicht finanzier­bar. Aber 20 Mil­lio­nen Euro für die Imagekam­pagne „The Länd“ waren offen­bar kein Prob­lem. Die Lan­desregierung sollte ganz drin­gend ihre Pri­or­itäten über­prüfen“, so der PhV-Lan­desvor­sitzende.

Die Lehrkräfte, die in den let­zten knapp zweiein­halb Coro­na-Jahren in den Schulen den Betrieb aufrechter­hal­ten haben, sind aus­ge­laugt und mit­tler­weile total frus­tri­ert. Denn die bish­eri­gen Anstren­gun­gen, ver­bun­den mit zusät­zlichen Auf­gaben und Belas­tun­gen, gin­gen voll auf ihre Knochen. Die Stim­mung sei dementsprechend bei vie­len Lehrerin­nen und Lehrern auf einem Tief­punkt. „Die Lan­desregierung muss endlich Geld für die Schulen und die Bil­dung in die Hand nehmen! Es muss Schluss sein mit ein­er Bil­dungspoli­tik auf dem Rück­en der Lehrkräfte und damit let­zten Endes auch auf dem Rück­en unser­er Kinder“, so Ralf Scholl abschließend.

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den knapp 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt mit über 9.000 im Ver­band organ­isierten Mit­gliedern die Inter­essen der Lehrerin­nen und Lehrer an den 462 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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