
PhV BW zur ernüchternden Antwort des Kultusministeriums auf eine Anfrage des PhV BW zur Lehrkräfteplanung (LIFG/UVwG/VIG – Anfragenummer: 330082)
25. April 2025
• Unzureichende Planungen im Kultusministerium: PhV BW warnt vor vorhersehbarem strukturellem Lehrkräftemangel an allgemeinbildenden Gymnasien
• PhV BW mahnt an: Fehlende Personalprognosen, mangelhafte Lösungsstrategien — wird politische Verantwortung verschoben?
Der Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) zeigt sich angesichts der aktuellen Antwort des baden-württembergischen Kultusministeriums (KM) auf eine PhV-Anfrage über das Portal „Frag den Staat“ zutiefst besorgt über das Ausmaß fehlender Vorausschau im Hinblick auf den künftigen Lehrerbedarf an den Gymnasien im Land. Besonders alarmierend: Im Schuljahr 2032/33 prognostiziert das Ministerium einen schlagartig eintretenden Mehrbedarf von 2.352 Lehrkräften – wie wird dieser sprunghafte Anstieg innerhalb nur eines Jahres strategisch vorbereitet?
Die Reaktion des Kultusministeriums auf diesen absehbaren Entwicklungstrend ist aus Sicht des PhV BW weder transparent noch tragfähig. Insbesondere das Fehlen einer systematischen Pensionierungsprognose sowie die vagen Formulierungen zur künftigen Personalstrategie werfen erhebliche Fragen hinsichtlich der Personalplanung auf.
Zwar enthält die Antwort des Kultusministeriums Hinweise auf Maßnahmen, die dem dramatisch ansteigenden Lehrkräftebedarf begegnen sollen – darunter die temporäre Einstellung von gymnasial ausgebildeten Lehrkräften an anderen Schularten, der sukzessive Abbau der sogenannten „Bugwelle“ (angehäufte Überstunden) von rund 1.000 Deputaten sowie Drittfach-Qualifizierungsmaßnahmen des vorhandenen Personals, um Mangelfächer besser abdecken zu können. Diese Ansätze bleiben jedoch unbestimmt und lassen sowohl hinsichtlich ihres Umfangs und ihres Zeitbedarfs als auch ihrer praktischen Umsetzbarkeit entscheidende Fragen offen, zum Beispiel:
- Wie viele Stunden Deputatsnachlass bekommt eine Lehrkraft für die notwendigen Fortbildungsmaßnahmen, mit denen sie qualifiziert wird, um ein weiteres Fach unterrichten zu können, das sie nicht studiert hat?
- Gibt es eine vertragliche Garantie für junge Lehrkräfte, die sich vorübergehend auf eine Einstellung an anderen Schularten einlassen, dass sie mit Sicherheit zu einem konkreten Zeitpunkt an ein allgemeinbildendes Gymnasium zurückkommen können?
Mangelnde Transparenz – oder fehlende Planungskompetenz?
Der PhV BW sieht darin ein alarmierendes Indiz dafür, dass entweder noch keine tragfähige Gesamtstrategie existiert oder dass man sich bewusst einer öffentlichen Darlegung entzieht. „Die politische Verantwortung für die gymnasiale Lehrkräfteversorgung darf nicht einfach auf die künftige Landesregierung nach der Landtagswahl 2026 abgeschoben werden“, mahnt die Landesvorsitzende des PhV BW, Martina Scherer. „Die Zeit drängt – viele Entscheidungen müssen jetzt vorausschauend getroffen werden. Wer heute nicht handelt, wird in wenigen Jahren einen schulischen Notstand zu verantworten haben.“
Lehrkräfte länger im Beruf halten – durch sinnvolle Unterstützung und echte Anreize!
Der PhV BW fordert entschiedene Maßnahmen, um Lehrkräfte bis zum regulären Pensionsalter im aktiven Dienst zu halten. Denn aktuell erreicht weniger als ein Drittel der Lehrkräfte überhaupt die Altersgrenze im aktiven Schuldienst. Dieses bislang ungenutzte Potenzial müsse durch eine wesentliche Erhöhung der Altersermäßigung und die Einführung eines Altersteilzeitmodells für alle Lehrkräfte endlich erschlossen werden.
„Dass das Ministerium keine belastbare Prognose zum eigentlich absehbaren altersbedingten Ausscheiden von Lehrkräften erstellt, ist aus unserer Sicht ein gravierendes Planungsversäumnis“, erklärt Martina Scherer. „Die Pensionsdaten der letzten Jahre liegen vor und die Altersstruktur der Lehrkräfte ist aktenkundig, somit könnten diese Erhebungen fortgeschrieben werden – dass dies unterbleibt, ist nicht nachvollziehbar und schlichtweg fahrlässig. Es ist mit einer Pensionierungswelle zu rechnen, wenn in etwa 10 Jahren die „Boomer-Generation“ in den Ruhestand geht.“
„Wir brauchen nicht nur kurzfristige Sofortmaßnahmen, sondern auch durchdachte strukturelle Reformen zur nachhaltigen Sicherung des gymnasialen Unterrichts“, resümiert die PhV-Landesvorsitzende. „Dazu gehören fundierte Personalprognosen, attraktive Beförderungsmöglichkeiten und ein kluger Ressourceneinsatz. Der drohende Mangel an gymnasialen Lehrkräften ist kein plötzliches Naturereignis – er ist das Ergebnis politischer Entscheidungen. Und er ist vermeidbar.“
Weiterführende Informationen
LIFG-Anfrage des PhV BW zum Lehrkräftebedarf samt Antwort des Kultusministeriums:
https://fragdenstaat.de/anfrage/umgang-mit-lehrkraefte-minder-und-mehrbedarf-in-den-kommenden-jahren-durch-die-umstellung-auf-g9-am-allgemeinbildenden-gymnasium-in-bw/
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden knapp 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit über 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.