Gemeinsame Pressemitteilung des Realschullehrerverbands (RLV) und des Philologenverbands (PhV) Baden-Württemberg zur Grundschulempfehlung

9. Februar 2023

* Philolo­gen­ver­band und Realschullehrerver­band begrüßen FDP-Ini­tia­tive zur verbindlichen Grund­schulempfehlung
* Lehrerver­bände beto­nen Vorzüge von homo­generen Lern­grup­pen
* Wird die man­gel­hafte Ursachen­forschung zu den Schüler­leis­tungs­de­fiziten zum Fall für den Rech­nung­shof?

Der Realschullehrerver­band (RLV) und der Philolo­gen­ver­band (PhV) Baden-Würt­tem­bergs unter­stützen aus­drück­lich den Geset­zen­twurf der FDP zur Wiedere­in­führung der Verbindlichkeit der Grund­schulempfehlung.

Die Lan­desvor­sitzen­den Dr. Karin Broszat (RLV) und Ralf Scholl (PhV) fordern erneut, im Hin­blick auf die äußerst anges­pan­nte Lage an den Schulen, die Verbindlichkeit der Grund­schulempfehlung in Baden-Würt­tem­berg zum Wohle der Kinder, Eltern und Lehrkräfte endlich wieder­herzustellen.

Unter­schiedliche Kinder brauchen unter­schiedliche Schu­larten in einem leis­tungsstarken Schul­sys­tem, was stets durch­läs­sig bleibt.

Der Unter­schiedlichkeit und Vielfalt von Kindern durch Unter­schiedlichkeit und Vielfalt der Schulen gerecht zu wer­den, bedeutet Bil­dungs­gerechtigkeit und schafft Bil­dungsqual­ität. Die Zeit drängt!

Die Abschaf­fung der verbindlichen Grund­schulempfehlung 2012, in ein­er bis dahin bestens aufgestell­ten Schul­land­schaft in Baden-Würt­tem­berg, war ein Kar­di­nalfehler: Der erhe­bliche Leis­tungsab­fall der baden-würt­tem­ber­gis­chen Schüler in bun­desweit­en Schul­ver­gle­ichsstu­di­en wie VERA 8 ist zum guten Teil dieser mas­siv­en Fehlentschei­dung geschuldet.
Seit fast sieben Jahren erleben wir, wie das Kul­tus­min­is­teri­um mit hohem Kosten- und Per­son­alaufwand die neg­a­tiv­en Kon­se­quen­zen dieser Entschei­dung zu min­imieren ver­sucht – ohne jeden Erfolg.

Diese neg­a­tiv­en Auswirkun­gen, vor denen die bei­den Ver­bände immer gewarnt haben, kom­men ger­ade mit voller Wucht in unser­er Gesellschaft an.
 
Inzwis­chen gibt es wahrlich genü­gend Stu­di­en, die bele­gen, dass eine auss­chließlich an der Schüler­leis­tung ori­en­tierte, verbindliche Grund­schulempfehlung zu deut­lich höher­er sozialer Gerechtigkeit führt als eine „freie“ Wahl der Schule durch die Eltern. Eben­so ist nachgewiesen, dass ger­ade schwächere Kinder von homo­generen Lern­grup­pen stark prof­i­tieren und dadurch höhere Leis­tun­gen erzie­len kön­nen. *

Eine weit­ere repräsen­ta­tive Studie zeigt auf, dass verbindliche Grund­schulempfehlun­gen Ler­nan­reize set­zen, die zu ein­er Verbesserung der schulis­chen Kom­pe­ten­zen am Ende der vierten Klasse führen. **

Baden-Würt­tem­berg, einst auf Spitzen­plätzen in Län­derver­gle­ichen, befind­et sich in einem bil­dungspoli­tis­chen Blind­flug, der längst zum Sturzflug gewor­den ist.

Dass die gegen­wär­tige Lan­desregierung in kein­er Weise bere­it ist, die Fehler der Ver­gan­gen­heit zu kor­rigieren, ver­größert die Prob­leme immer weit­er! Die Expertenkom­mis­sion der Kul­tus­min­is­terkon­ferenz (KMK) gießt aktuell zusät­zlich Öl ins Feuer und schwächt mit ihren real­itäts­fer­nen Vorschlä­gen die Attrak­tiv­ität des Lehrerberufs.

Was ist zu tun? Die Ein­führung ein­er verbindlichen Grund­schulempfehlung ist kosten­neu­tral und kann ohne zusät­zlich­es Per­son­al zeit­nah und mit sofor­tiger qual­itätssteigern­der Wirkung umge­set­zt wer­den. Ein prag­ma­tis­ch­er, real­ität­sori­en­tiert­er Vorschlag zur Umset­zung wurde schon 2020 vom Realschullehrerver­band und vom Philolo­gen­ver­band dem Kul­tus­min­is­teri­um vorgelegt.

„Wenn ide­ol­o­gis­che Inter­essen und Partei­wohl so deut­lich über das Kindeswohl gestellt wer­den, ist etwas gewaltig faul im ‚Staate Däne­mark‘. Wenn teure, per­son­al­in­ten­sive Pres­tige­pro­jek­te ges­tartet wer­den und ein ein­fach­er und kosten­neu­traler Lösungsansatz nicht ein­mal ern­sthaft in Erwä­gung gezo­gen wird, stellt sich zwin­gend die Frage, ob das nicht zu ein­er Angele­gen­heit für den Rech­nung­shof wird, der die Wirtschaftlichkeit der Haushalts­führung des Lan­des Baden-Würt­tem­berg im Blick haben muss. Es sind nach unseren Kindern auch die Steuergelder aller, die hier ver­nach­läs­sigt wer­den“, so Dr. Karin Broszat, die RLV-Vor­sitzende.

Und der PhV-Vor­sitzende, Ralf Scholl, sekundiert ihr: „Die Ständi­ge Wis­senschaftliche Kom­mis­sion (SWK) der Kul­tus­min­is­terkon­ferenz hat ihre Vorschläge vorgestellt, um die zusam­men­brechende Unter­richtsver­sorgung zu gewährleis­ten. Aber genau­so inten­siv muss man darüber nach­denken, wie jede einzelne Unter­richtsstunde für die Schü­lerin­nen und Schüler zu ein­er möglichst inten­siv­en Lern­er­fahrung wer­den kann. Homo­genere Grup­pen sind ein wis­senschaftlich fundiert­er, effek­tiv­er Weg, der nichts kostet, aber das Ler­nen inten­siviert.“

  • Ess­er, H. / Seur­ing, J.: Kog­ni­tive Homogenisierung, schulis­che Leis­tun­gen und soziale Bil­dung­sun­gle­ich­heit. In: Zeitschrift für Sozi­olo­gie 2020, 49/5–6, S. 277 – 301

** Bach, M. (ZEW Mannheim) / Fis­ch­er, M. (WZB Berlin): Mit verbindlichen Grund­schulempfehlun­gen erre­ichen Grundschüler/innen bessere Leis­tun­gen, empfind­en aber auch mehr Stress. ZEW pol­i­cy brief Nr. 01 / März 2021

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den knapp 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt mit über 9.000 im Ver­band organ­isierten Mit­gliedern die Inter­essen der Lehrerin­nen und Lehrer an den 462 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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