Gemeinsame Pressemitteilung des Realschullehrerverbands (RLV) und des Philologenverbands (PhV) Baden-Württemberg vom 04.06.2021

4. Juni 2021


* Zwei neue wis­senschaftliche Stu­di­en zeigen: Bessere Schüler­leis­tun­gen wer­den dank passender Leis­tungsan­reize durch homo­genere Lern­grup­pen erre­icht. Dies gilt für Schüler aller Niveaustufen, ver­stärkt aber ger­ade für die schwächeren Schüler.
* Philolo­gen­ver­band und Realschullehrerver­band bekräfti­gen deshalb ihre Forderung nach Verbindlichkeit der Grund­schulempfehlung
* PhV und RLV fordern eine Ori­en­tierung der Bil­dungspoli­tik an wis­senschaftlichen Fak­ten statt an reinem Wun­schdenken!

Gle­ich zwei aktuelle wis­senschaftliche Stu­di­en bestäti­gen, was erfahrene Lehrkräfte, aufmerk­same Eltern und sog­ar Schü­lerin­nen und Schüler schon lange wis­sen.

1. Mith­il­fe von Dat­en aus der „Nation­al Edu­ca­tion­al Pan­el Study“ (NEPS) für die deutschen Bun­deslän­der kom­men die Sozi­olo­gen Julian Seur­ing und Hart­mut Ess­er zu dem Ergeb­nis, dass eine strik­te Dif­feren­zierung nach Leis­tung beim Über­gang auf die weit­er­führende Schule bei allen Schü­lerin­nen und Schülern zu einem höheren Leis­tungsniveau führt. Die Studie weist nach, dass eine homo­genere Zusam­menset­zung der Lern­grup­pen allen nützt — und zwar den Lern­schwächeren noch mehr als den Lern­stärk­eren!
https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfsoz-2020–0025/html

2. Die aktuelle Studie des ZEW (Leib­niz-Zen­trum für Europäis­che Wirtschafts­forschung in Mannheim) zeigt, dass eine verbindliche Grund­schulempfehlung Ler­nan­reize set­zt, die zu ein­er deut­lichen Verbesserung der schulis­chen Kom­pe­ten­zen um bis zu 20 % am Ende der vierten Klasse führen.
Kein Wun­der: Üben und Trainieren für ein angestrebtes Ziel leg­en den Grund­stein dafür, dass man sich dann über eine bestandene Prü­fung freut, stolz auf das Erre­ichte ist und neue Ziele motiviert ange­hen kann.
https://www.zew.de/presse/pressearchiv/verbindliche-grundschulempfehlungen-fuehren-zu-besseren-leistungen-aber-auch-zu-mehr-stress

Der nach der PISA-Studie ent­standene Mythos, das gegliederte Schul­sys­tem ver­stärke die Effek­te der sozialen Herkun­ft auf den Bil­dungser­folg, ist mit diesen Stu­di­en wider­legt! Über­holt sind damit auch die in der Ver­gan­gen­heit ange­führten Argu­mente für die Abschaf­fung der verbindlichen Grund­schulempfehlung und für man­nig­faltige Angriffe auf das dif­feren­zierte Schul­sys­tem.

Diese neuen wis­senschaftlichen Ergeb­nisse bele­gen vielmehr deut­lich das Gegen­teil: Die besten Voraus­set­zun­gen für erfol­gre­ich­es Ler­nen beste­hen genau dann, wenn Kinder und Jugendliche ger­ade die Schu­lart besuchen, die auf ihre indi­vidu­elle Leis­tungs­bere­itschaft, Leis­tungs­fähigkeit und kog­ni­tiv­en Begabung am besten zugeschnit­ten ist!

Da sich Leis­tungs­bere­itschaft und Leis­tungs­fähigkeit im Laufe der Entwick­lung eines Kindes bzw. Jugendlichen verän­dern kön­nen, gilt in Baden-Würt­tem­berg seit Langem das Prinzip „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Damit sind für alle Kinder – unab­hängig von der Grund­schulempfehlung bzw. der Wahl der weit­er­führen­den Schu­lart nach Klasse 4 – alle Schu­la­b­schlüsse erre­ich­bar. Die Behaup­tung, die weit­ere Schul­bi­ografie sei mit ein­er verbindlichen Grund­schulempfehlung unabän­der­lich (und ggf. in abträglich­er Weise) vorgeze­ich­net, ist eine völ­lig irrige Vorstel­lung. Wer das baden-würt­tem­ber­gis­che Schul­sys­tem mit seinen ver­schiede­nen Wegen ken­nt, wusste das schon längst.

Es ist nun drin­gend geboten, die neuen wis­senschaftlichen Erken­nt­nisse dieser Stu­di­en in fol­gerichtige Maß­nah­men für Baden-Würt­tem­berg umzuset­zen! Nur so kann erre­icht wer­den, dass das Land im Bil­dungs­bere­ich wieder ‚spitze‘ wird. Höch­ste Zeit, da in den let­zten fünf Jahren jede bun­des­deutsche Bil­dungs-Ver­gle­ichsstudie Baden-Würt­tem­berg nur noch ‚Durch­schnitt‘ attestieren kon­nte.

Der Philolo­gen­ver­band und der Realschullehrerver­band fordern nach diesen ein­deuti­gen Ergeb­nis­sen der bei­den wis­senschaftlichen Stu­di­en übere­in­stim­mend die Wende zu ein­er neuen, wis­senschaftlich begrün­de­ten Schulpoli­tik! „Wir brauchen eine mod­erne, zukun­ft­sori­en­tierte Bil­dungspoli­tik in Baden-Würt­tem­berg. Dazu gehört, dass man der Unter­schiedlichkeit der Kinder gerecht wird, indem man ihre indi­vidu­elle Leis­tungs­fähigkeit best­möglich in den unter­schiedlichen Schu­larten fördert und jew­eils passende Leis­tungsan­reize set­zt.

Eben­so wichtig ist ein pro­fes­sionell begleit­eter, auf ein­er verbindlichen Grund­schulempfehlung und ggf. zusät­zlichen Tests basieren­der Über­gang nach Klasse 4 in die weit­er­führende Schule. Von hier aus sind dann je nach Leis­tungs­fähigkeit und Entwick­lung der Schü­lerin­nen und Schüler jed­erzeit Über­gange in andere Schu­larten möglich. Das schafft die Bil­dungsqual­ität, die unsere Kinder und Jugendlichen ver­di­enen“, beto­nen der Lan­desvor­sitzende des Philolo­gen­ver­bands, Ralf Scholl, und die Lan­desvor­sitzende des Realschullehrerver­bands, Dr. Karin Broszat.

Die bei­den Lan­desvor­sitzen­den ver­lei­hen ihrer Hoff­nung Aus­druck, dass die neue Kul­tus­min­is­terin sich in ihren Entschei­dun­gen an den aktuellen wis­senschaftlichen Erken­nt­nis­sen sowie an Qual­ität­skri­te­rien wie die ihres Herkun­fts­bun­des­lands Bay­ern ori­en­tiert, das in Leis­tungsver­gle­ichen der Län­der stets Spitzen­plätze belegt.

„Baden-Würt­tem­berg kann bei den Schüler­leis­tun­gen nur dann wieder an die deutsche und inter­na­tionale Spitze vor­rück­en, wenn eine Bil­dungspoli­tik auf Basis von wis­senschaftlichen Fak­ten statt ide­ol­o­gis­ch­er Traumtänz­erei betrieben wird“, sind Ralf Scholl und Dr. Karin Broszat überzeugt.

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den knapp 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt mit über 9.000 im Ver­band organ­isierten Mit­gliedern die Inter­essen der Lehrerin­nen und Lehrer an den 462 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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