Zumeldung des PhV BW zu den Verlautbarungen der KMK

9. August 2021

Ist Lern­re­sistenz und Igno­ranz Voraus­set­zung für das Amt des Kul­tus­min­is­ters? — Nach anderthalb Jahren Coro­na hat die Kul­tus­min­is­terkon­ferenz noch immer nichts dazu gel­ernt: Die Schulen sind nach wie vor nicht auf steigende Coro­n­azahlen im Herb­st vor­bere­it­et. Fünf Wochen vor Schul­be­ginn wurde – endlich! – das Luft­fil­ter-Förder­pro­gramm vom KM veröf­fentlicht. Lei­der ist sein finanzieller Umfang viel zu ger­ing und seine Def­i­n­i­tion von „schlecht belüft­baren Räu­men“ viel zu eng.

Die jüng­ste Pressemit­teilung der KMK redet die Sit­u­a­tion an den Schulen gnaden­los schön: Die Schulen sind seit April über­haupt nicht sicher­er gewor­den. „Hät­ten die Kul­tus­min­is­ter auch nur einen Funken Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein, müssten sie sich jet­zt einen Ruck geben, in die Hände spuck­en und endlich wirk­lich anpack­en: Mit ein­er klaren Maß­gabe, dass an allen Schulen und Kindergärten in sämtlichen Räu­men Luft­fil­ter zu instal­lieren sind, und zwar schnell­st­möglich!“ erk­lärt Ralf Scholl, der Vor­sitzende des Philolo­gen­ver­bands Baden-Würt­tem­berg (PhV BW), des gym­nasialen Lehrerver­bands.

Scholl legt den Fin­ger direkt in die Wunde: „Aus der Stuttgarter Raum­luft­fil­ter-Studie geht her­vor, dass in der Hälfte der unter­sucht­en Räume kein voll­ständi­ger Luftaus­tausch durch fünf Minuten Kom­plett-Öff­nen aller Fen­ster erre­icht wer­den kon­nte. – Wie kön­nen die Kul­tus­min­is­ter es angesichts dieses Ergeb­niss­es wagen, bei den „Maß­nah­men zur Präven­tion und Kon­trolle der SARS-CoV-2-Über­tra­gung in Schulen“ zu schreiben: „Um die Aerosolkonzen­tra­tion in den Unter­richt­sräu­men zu min­dern, wird in regelmäßi­gen Abstän­den während des Unter­richts und in den Pausen quergelüftet“, fragt Scholl. „Wann war ein­er der Kul­tus­min­is­ter let­zt­ma­lig in einem Klassen­z­im­mer? – Schul­räume haben in der Regel nur an ein­er Seite Fen­ster, an der anderen liegt der Flur, dessen Fen­ster sich i.A. nicht öff­nen lassen. – Da ist ein Quer­lüften schon bauar­tbe­d­ingt unmöglich.“

Beson­ders dick trug in der KMK-Pressemit­teilung der Ham­bur­gis­che Sen­a­tor Ties Rabe auf: „Darüber hin­aus haben wir heute an den Schulen wesentlich aus­gereiftere Sicher­heits­maß­nah­men als noch im let­zten Schul­jahr, die überdies weit hin­aus­ge­hen über alle anderen Schutz­maß­nah­men im öffentlichen Leben.“ Der let­zte Halb­satz klingt wie Hohn, denn wo wer­den zu Pan­demiezeit­en so viele Men­schen aus so vie­len Haushal­ten ohne Abstand über sechs bis acht Stun­den täglich in kleine Räume gezwängt, in denen sie dann laut sprechen, rufen oder gar sin­gen?

Inter­es­sant ist die Argu­men­ta­tion der KMK für die Hochschulen: „Bei der Raum­bele­gung sind ana­log zum Schul­be­trieb Aus­nah­men vom Min­destab­stand von 1,5 Metern nötig. Einen ersten Schritt kann die Anwen­dung der Sit­zord­nung im „Schachbrett“ darstellen, die regelmäßig immer­hin die Nutzung der Hälfte der Raumka­paz­ität zulässt.“ Bei Stu­den­ten, die prob­lem­los geimpft wer­den kön­nen, rech­net man also mit hal­ber Raumka­paz­ität – bei Schulkindern, für die es keine Impfmöglichkeit bzw. Impfempfehlung, immer noch mit voller Klassen­stärke.

„Dieses däm­liche ‚Gesund­beten’ wird im Herb­st bei steigen­der Inzi­denz sehr schnell Quar­an­täne­maß­nah­men erzwin­gen. So kann man an den Schulen keinen dauer­haften Präsenz­be­trieb in ein­er vierten Welle durch­hal­ten“, erk­lärt der PhV-Lan­desvor­sitzende von Baden-Würt­tem­berg.

„Selb­stver­ständlich müssen die Schulen offen bleiben“, so Scholl, „aber dann muss man eben auch wirk­lich alles dafür tun, auch wenn das nun ein­mal Geld kostet. – Spätestens beim Geld endet aber die Bere­itschaft der Kul­tus­min­is­ter. Schöne Worte sind ja auch viel bil­liger bis das Kind dann im Brun­nen liegt.“

Als einzig pos­i­tiv­en Punkt begrüßt der PhV, dass eben­falls am 6. August, fünf Wochen vor Beginn des neuen Schul­jahres, das Luft­fil­ter-Förder­pro­gramm vom Kul­tus­min­is­teri­um Baden-Würt­tem­berg fer­tiggestellt wurde, so dass die Kom­munen jet­zt endlich mit der Gerätebeschaf­fung von Raum­luft­fil­tern begin­nen kön­nen.

Allerd­ings ist der finanzielle Umfang dieses Pro­gramms abso­lut nicht aus­re­ichend, um alle schlecht belüft­baren Räume, sprich: alle Räume, in denen mit 5 Minuten Lüften nur ein unvoll­ständi­ger Luftaus­tausch erre­icht wird, auch mit mobilen Raum­luft­fil­tern auszurüsten. Die Def­i­n­i­tion von schlecht belüft­baren Räu­men als nur solchen, bei denen die Fen­ster lediglich gekippt wer­den kön­nen, ist nach der Stuttgarter Raum­lüfter-Studie1 viel zu eng gefasst, und eigentlich nur noch ein schlechter Witz!

1 vgl. eben­da: Grafik Nr. 6–5 auf S. 84. (Soli­tude-Gymn.)

Grafik 6–17 auf S. 97 (Schwab­schule) — mit wun­der­barem Ver­gle­ich zwis­chen the­o­retis­ch­er und tat­säch­lich ver­füg­bar­er Fen­ster­fläche fürs Lüften)

Grafik 6–35 auf S. 113 (Uhland­schule, Neubau)

Grafik 6–57 auf S. 133 (Filder­schule)

Grafik 6–62 auf S. 137 (Gewerbl. Schule für Farbe und Gestal­tung)

Down­load der kom­plet­ten Studie:

https://www.stuttgart.de/service/aktuelle-meldungen/juli-2021/studie-mobile-luftreiniger-sind-keine-universalloesung-im-unterricht-stadt-plant-anschaffung-nur-fuer-schlecht-belueftbare-unterrichtsraeume.php

Als Beispiel die Abb. 6–35:

Beim Öff­nen aller Fen­ster dauert der ein­ma­lige, kom­plette Luftaus­tausch je nach Außen­tem­per­atur (grüne Lin­ie) zwis­chen 12 min (bei ‑10°C Außen­tem­per­atur) und 18 min (bei 15° Außen­tem­per­atur).

Weit­eres Stu­di­energeb­nis: Raum­luft­fil­ter­grät senkt die Ansteck­ungswahrschein­lichkeit ca. um den Fak­tor drei gegenüber „nur Lüften“: Von 4 % (oranger Punkt) auf 1,5 % (tiefrot­er Punkt). — Siehe die Grafik 4.14 (S. 56 der Studie).

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den knapp 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt mit über 9.000 im Ver­band organ­isierten Mit­gliedern die Inter­essen der Lehrerin­nen und Lehrer an den 462 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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