PhV BW zur Corona-Lage an den Schulen und zu den geplanten Umstrukturierungen im Kultusministerium

2. Dezember 2021

Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg (PhV BW) fordert:
* Die Empfehlun­gen von RKI und Wis­senschaft für die Schulen müssen endlich kom­plett umge­set­zt wer­den!
* Jede Über­legung zur Sicherung des Schul­be­triebs muss jet­zt auf den Tisch! – Auch Schulschließun­gen dür­fen angesichts der Coro­na-Infek­tion­slage kein Tabu mehr sein!
* Wird jet­zt nicht entschlossen gehan­delt, dro­hen uns Schulschließun­gen von Jan­u­ar bis März.
* Schulen dür­fen nicht mehr anders behan­delt wer­den als der Rest der Gesellschaft – wed­er härter noch großzügiger. Nur mit einem Gesamtkonzept brin­gen wir die Pan­demie unter Kon­trolle. Die bish­eri­gen Maß­nah­men sind nicht aus­re­ichend: Wir brauchen jet­zt schnell fal­l­ende Infek­tion­szahlen!
* Statt die Schulen möglichst coro­na­sich­er zu machen und sich um die Behe­bung der Lern­de­fizite zu küm­mern, beschäftigt sich das Kul­tus­min­is­teri­um mit der Pla­nung von unnöti­gen inter­nen Umstruk­turierun­gen.

Der Lan­desvor­sitzende des Philolo­gen­ver­bands Baden-Würt­tem­berg (PhV BW), Ralf Scholl, erk­lärt: „Die aktuelle Coro­na-Krise war vorherse­hbar. Wir haben es mit einem kolos­salen poli­tis­chen und gesamt­ge­sellschaftlichen Ver­sagen zu tun. Wie schon im let­zten Jahr wurde der gesamte Herb­st ver­schlafen, und eben­so wie alle Bürg­er zahlen jet­zt ins­beson­dere die Schulen wieder den Preis dafür!“

Angesichts der extrem hohen Inzi­den­zw­erte von über 1.000 in der Alters­gruppe der 5–14-Jährigen in 27 der 44 Kreise in Baden-Würt­tem­berg sowie ein­er Inzi­denz von über 800 in sechs weit­eren Kreisen ist die Lage an den Schulen zur Zeit sehr beun­ruhi­gend.

Selb­st nach den unvoll­ständi­gen Zahlen des Kul­tus­min­is­teri­ums (nicht alle Schulen kön­nen pos­i­tive Testergeb­nisse zeit­nah zurück­melden) sind mit­tler­weile zwei Drit­tel aller Gym­nasien von Coro­na-Fällen betrof­fen. In vie­len Gym­nasien sind es vier, fünf oder mehr Klassen, in denen sich Schüler in Quar­an­täne befind­en. Durch Lehrkräfte in Quar­an­täne sind viele weit­ere Klassen betrof­fen.

Die Schulleitun­gen übernehmen notge­drun­gen seit zwei Wochen die Auf­gaben der über­lasteten Gesund­heit­sämter wie z.B.
- die Kon­tak­tierung von Eltern pos­i­tiv getesteter Schüler,
- die Infor­ma­tion betrof­fen­er Klassen, dass sie jet­zt fünf Tage lang täglich getestet wer­den und keinen Kon­takt mit Schülern ander­er Klassen mehr haben dür­fen sowie die entsprechende schulis­che Organ­i­sa­tion und let­ztlich
- Bemühun­gen um eine Nachver­fol­gung der Kon­tak­t­per­so­n­en.

„Das Kul­tus­min­is­teri­um ver­sucht, auf Biegen und Brechen die Schulen bis zu den Wei­h­nachts­fe­rien offen zu hal­ten, was auf sträflichen Leichtsinn und chro­nis­che Entschei­dungss­chwäche zurück­zuführen ist: Man hat den Zeit­punkt für san­ftere Maß­nah­men längst ver­passt und scheut die Ver­ant­wor­tung für die jet­zt notwendi­gen, harten Maß­nah­men“, kri­tisiert Ralf Scholl.

Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg bemän­gelt im Einzel­nen:
- weit­er­hin fehlende Raum­luftreiniger in den aller­meis­ten Unter­richt­sräu­men,
- dass nicht an allen Schulen PCR-Pooltests durchge­führt wer­den, die eine Infek­tion zwei Tage früher und wesentlich zuver­läs­siger nach­weisen als Schnell­tests,
- dass an den Schulen geimpfte Lehrkräfte und Schüler nicht getestet wer­den, obwohl auch sie symp­tom­frei erkrankt sein kön­nen,
- dass das Staatsmin­is­teri­um die Bere­it­stel­lung von FFP2-Masken für Lehrkräfte ver­weigert.
- die völ­lig kon­trapro­duk­tive Abschaf­fung der Maskenpflicht am Platz vom 18. Okto­ber bis 17. Novem­ber, die die Ansteck­un­gen in den Schulen mas­siv beschle­u­nigt hat,
- die immer noch fehlende Impfmöglichkeit für Kinder von 5–11 Jahren.

„Statt diese wichti­gen und drin­gen­den Prob­leme kon­se­quent anzuge­hen, beschäftigt sich das Kul­tus­min­is­teri­um (KM) offen­bar lieber mit sich selb­st – und dabei stellt sich die Frage, ob Kul­tus­min­is­terin There­sa Schop­per ihren Min­is­te­rialdirek­tor noch kon­trol­lieren kann“, so der PhV-Lan­desvor­sitzende. (Die „Stuttgarter Zeitung“ berichtete in ihrer Aus­gabe vom 02.12.2021 unter der Über­schrift „Unruhe wegen Umbau im Schul­res­sort“ über die geplanten inter­nen Umstruk­turierun­gen im Kul­tus­min­is­teri­um.)

So soll das Realschul­refer­at im KM aufgelöst und unter die Leitung des Refer­ats für Gemein­schaftss­chulen gestellt wer­den. „Ein ein­ma­liger Vor­gang, zumal bish­er aus­nahm­s­los jede Schu­lart im Kul­tus­min­is­teri­um ihr eigenes Refer­at hat. Dort sitzen Spezial­is­ten, die die jew­eilige Schu­lart aus dem Eff­eff ken­nen“, befind­et Ralf Scholl. Es stelle sich die Frage, ob hier eine Abschaf­fung der Realschulen durch die Hin­tertür organ­isatorisch vor­bere­it­et wer­den soll.

Beson­ders pikant: An den Realschulen wur­den im let­zten Schul­jahr 209.552 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet, an den Gemein­schaftss­chulen in der Sekun­darstufe 1, d.h. in den Klassen 5 bis 10, hinge­gen nur 84.937. „Aber die Gemein­schaftss­chule ist ja die von den Grü­nen bevorzugte Schu­lart, deswe­gen wedelt hier zukün­ftig der Schwanz mit dem Hund“, moniert der PhV-Lan­des-vor­sitzende.

Ralf Scholl erk­lärt abschließend: „Die Bil­dung eines SEK-1-Refer­ats, das für die kom­plette Sekun­darstufe 1 und damit wom­öglich auch für die rund 200.000 Schüler der Klassen 5–9 der Gym­nasien zuständig wäre und von erk­lärten GMS-Befür­wortern geleit­et würde, ver­spricht für die Qual­ität der Bil­dung in Baden-Würt­tem­berg jeden­falls nichts Gutes. Das lässt nur eines erwarten: Mas­sive interne Frik­tio­nen. Vielle­icht wäre das Kul­tus­min­is­teri­um ja gut berat­en, vor solchen Umstruk­turierun­gen die Lehrerver­bände und Direk­toren­vere­ini­gun­gen
der betrof­fe­nen Schu­larten anzuhören – und zwar mit sehr offe­nen Ohren!“

 

* * *

An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den knapp 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt mit über 9.000 im Ver­band organ­isierten Mit­gliedern die Inter­essen der Lehrerin­nen und Lehrer an den 462 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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