Gemeinsame Pressemitteilung des RLV und des PhV Baden-Württemberg vom 07. Mai 2024 zum Thema Grundschulempfehlung
7. Mai 2024
Grün-schwarze Mogelpackung: Realschullehrerverband und Philologenverband fordern Verbindlichkeit beim Übertritt von der Grundschule auch an die Realschulen
Der Philologenverband (PhV) und der Realschullehrerverband (RLV) Baden-Württemberg wenden sich gemeinsam gegen die Mogelpackung „Verbindliche Grundschulempfehlung“ der Landesregierung, denn die Verbindlichkeit soll nach Auskunft des Kultusministeriums ausschließlich das Gymnasium betreffen, nicht aber die Realschulen. Über den Besuch einer Realschule soll nach wie vor — auch bei abweichender Grundschulempfehlung und abweichendem Testergebnis — ausschließlich der Elternwille entscheiden.
Die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung im Jahr 2012 war ein Kardinalfehler der Bildungspolitik in Baden-Württemberg. Dass nun anlässlich der Wiedereinführung von G9 eine Verbindlichkeit von Grundschulempfehlung plus Test nur für den Übergang auf Gymnasien gelten soll, ist sowohl für den PhV als auch für den RLV absolut unverständlich.
„In der geplanten Form ist die „Verbindlichkeit“ eine Mogelpackung, mit der allen Kindern, deren Eltern nicht das Gymnasium anstreben, ebenso wie dem differenzierten Schulsystem insgesamt weiterhin großer Schaden zugefügt wird“, betonen die RLV-Vorsitzende Dr. Karin Broszat und der PhV-Vorsitzende Ralf Scholl in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Der Realschullehrerverband spricht sich ausdrücklich für die Wiedereinführung des G9 aus, verlangt aber gleichzeitig auch eine leistungsbasierte Verbindlichkeit beim Übertritt von der Grundschule an die Realschulen. „Zum tragfähigen Konzept fehlt einzig, den Potenzialtest, der für Gymnasien im Zweifelsfall vorgesehen ist, entsprechend ebenso für die Realschulen einzuführen! Dagegen sprechen keinerlei logische Gründe, nur ideologische“, betont die Landesvorsitzende des RLV.
Der PhV-Vorsitzende kommentiert: „Die Folgen der Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung erleben wir doch gerade: Die baden-württembergischen Schülerleistungen sind in sämtlichen nationalen und internationalen Vergleichsstudien so niedrig wie noch nie. Der Leistungsrückgang bei den baden-württembergischen Schülern ist stärker als in allen anderen Bundesländern!“
Jetzt plant die Landesregierung eine „Vereinheitlichung der Sekundarstufen-Schularten“ (außerhalb der Gymnasien) bei weiter geltender Unverbindlichkeit der Grundschulempfehlung für die Realschulen. Das ist ein Sieg der Ideologie über die Interessen der Kinder! Die pädagogische Forschung hat doch gezeigt, dass eine Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung positive Effekte hat, eine Unverbindlichkeit dem Lernen der Kinder dagegen schadet. Und zwar den schwächsten Lernern am stärksten!
Und trotzdem geht die fatale Reise zur Zweigliedrigkeit weiter. Auf der einen Seite gibt es dann das Gymnasium, auf der anderen Seite eine weitgehend vereinheitlichte „Sekundarstufe“ für alle anderen Kinder. Und das, obwohl schon das Bohl-Gutachten von 2016 für die Gemeinschaftsschulen bestätigte, dass gerade die schwächsten Kinder durch gemeinsames Lernen nicht ausreichend gefördert werden. Damit ist Baden-Württemberg künftig — außerhalb der Gymnasien — beschleunigt auf dem Weg in die Zweitklassigkeit.
FAZIT: Nur mit einer verbindlichen Grundschulempfehlung auch für die Realschulen bedeutet G9 die Rückkehr zu einem bewährten, aber modernisierten Schulsystem. Nur so würden die zwei größten bildungspolitischen Fehler der letzten 20 Jahre in Baden-Württemberg korrigiert.
Gibt es künftig eine Verbindlichkeit nur beim Übergang auf die Gymnasien, wird die Realschule als eigenständige Schulform in der bisherigen Form bald nicht mehr existieren. „Die bewährte und immer erfolgreiche Realschule den grünen Ideen „einer Schule für alle“ zu opfern, würde das baden-württembergische Bildungswesen schwächen und auch für die Unternehmen negative Auswirkungen bei der Personalsuche haben“, so die beiden Landesvorsitzenden abschließend. „Das Leistungsprinzip für die Mehrheit der Schüler abgeschafft zu lassen, wäre ein unverzeihlicher Fehler.“
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden knapp 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit über 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.