PhV BW zum Thema G9: Fehlende Weitsicht im Kultusministerium

4. März 2024

Sparmodus bei den Überlegungen zu einem neuen G9-Gymnasium?

Sowohl die Bürg­erini­tia­tive „G9 jet­zt!“ als auch das Bürg­er­fo­rum zeigen: Nicht nur Eltern warten auf die Ein­führung eines in die Zukun­ft gewandten G9. Die Pla­nun­gen im baden-würt­tem­ber­gis­chen Kul­tus­min­is­teri­um (KM) scheinen dazu aber nur im Sch­neck­en­tem­po voranzukom­men. Das über­rascht den Ver­band der gym­nasialen Lehrkräfte, nicht zulet­zt, weil der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg (PhV BW) dem KM längst ein durch­dacht­es InNO­VA­tion­s­gym­na­si­um G9 vorgestellt hat!

Mar­ti­na Scher­er, stel­lvertre­tende Vor­sitzende des PhV BW, erläutert: „Natür­lich kann es nicht ein­fach um die Ein­führung eines um ein Jahr gedehn­ten G8 gehen. Das Ziel, den Jugendlichen die besten Startchan­cen für Studi­um und Beruf mitzugeben, erfordert heute die Qual­i­fika­tio­nen des 21. Jahrhun­derts, dazu gehören die „4 K“ (Kom­mu­nika­tion, Kol­lab­o­ra­tion, Kreativ­ität und Kri­tis­ches Denken). Diese Kom­pe­ten­zen kann aber nicht erwer­ben, wer keine bre­ite und ver­tiefte All­ge­mein­bil­dung hat.“

Her­anwach­sende für ihren Lebensweg gut aufzustellen hat aus Sicht des PhV BW fol­gende Dinge als Voraus­set­zung:
- Fach­lichkeit in einem aus­geglich­enen Fächerkanon,
- Wis­senschaft­sori­en­tierung,
- gezielte Dig­i­tal­isierung sowie
- interkul­turelle, his­torische und poli­tis­che Bil­dung.
- Außerun­ter­richtliche Ange­bote und eine gute Klas­sen­ge­mein­schaft sollen soziale Fähigkeit­en entwick­eln helfen. Auch dafür müssen die durch G9 gewonnenen Freiräume Möglichkeit­en vorse­hen.

„Deshalb sieht unser Konzept vor, die Stun­den­zahl im Ver­gle­ich zu G8 wieder zu erhöhen, damit neun Schul­jahre auch gym­nasial gefüllt wer­den. Entsprechend der kindlichen Belas­tungs­fähigkeit wird eine sin­nvolle Pro­gres­sion in der Anhebung der Wochen­stun­den­zahl im Lauf der Schul­jahre angestrebt. Kein Fach soll weniger Stun­den haben als im bish­eri­gen G8-Konzept“, macht Karin Fet­zn­er, stel­lvertre­tende Vor­sitzende des PhV BW, deut­lich.

Pro­fes­sioneller Fachunter­richt muss in allen Schul­jahren das Herzstück gym­nasialer Bil­dung sein. Dies bedeutet, in der Unter­stufe zunächst einen Fokus auf die Kern­fäch­er zu leg­en. Aber auch method­is­che Fähigkeit­en wie „Ler­nen ler­nen“ schaf­fen eine wichtige Grund­lage für die fol­gen­den Jahre und für einen bre­it­en Fächerkanon.

Ein Zurück zu einem reinen Halb­tags­gym­na­si­um wird nicht angestrebt, da Kinder und Jugendliche neben dem Fachunter­richt weit­ere Ange­bote benöti­gen, damit unter­schiedliche Eltern­häuser und För­der­möglichkeit­en pri­vater Natur sich weniger bemerk­bar machen. Bil­dungs­gerechtigkeit braucht Bil­dung!

Arbeits­ge­mein­schaften müssen weit­er­hin das schulis­che Ange­bot bere­ich­ern und sind Teil eines ganzheitlichen Bil­dungsansatzes. Klassen­stufenüber­greifend wer­den Schul­san­itä­terin­nen, Schaus­piel­er, Sport­lerin­nen und Musik­er qual­i­fiziert sowie viele Tal­ente ent­deckt und gefördert.
Inno­v­a­tives Denken kann in aktives Han­deln mün­den. Engage­ment trifft auf Anerken­nung. Dies ist eine wichtige zivilge­sellschaftliche Erfahrung, die Schule als Mikrokos­mos der Gesellschaft ermöglichen muss.

Der Vorschlag des PhV BW für eine G9-Stun­dentafel sieht vor, die Kern­fäch­er mit mehr Stun­den auszus­tat­ten. Kern­fäch­er, z. B. Deutsch und Math­e­matik, kön­nen so die Grund­la­gen für andere Fäch­er leg­en. Dadurch kön­nen Förder­stun­den („Pool­stun­den“) ent­fall­en — eben­so wie für Eltern teure Nach­hil­fe­maß­nah­men. Grundle­gend dafür ist eine verbindlichere Grund­schulempfehlung als bis­lang.

Klassen­lehrerstun­den für soziales Ler­nen, Per­sön­lichkeit­sen­twick­lung und „Ler­nen ler­nen“ helfen, von Anfang an eine angst­freie Atmo­sphäre zu etablieren, in der Ler­nen für alle möglich ist. Dies sind auch die einzi­gen „Pool­stun­den“, die in die Stun­dentafel aufgenom­men wur­den. Das bedeutet, dass diese Stun­dentafel auch den tat­säch­lichen Bedarf deut­lich macht.

Kün­stliche Fachver­bünde wie „Biolo­gie, Natur­phänomene und Tech­nik“ (BNT) sollen aufgelöst wer­den, da im Fachunter­richt die beste Wis­sensver­mit­tlung möglich ist.

Gesellschaftswis­senschaften sollen nicht zulet­zt mit Blick auf unsere Demokratie und das in Baden-Würt­tem­berg neu etablierte Wahlrecht ab 16 Jahren gestärkt wer­den. Infor­matik soll in den Fächerkanon inte­gri­ert wer­den.

Die Bil­dungs­land­schaft in Baden-Würt­tem­berg braucht ein all­ge­mein­bilden­des Gym­na­si­um, das viele Anforderun­gen zugle­ich erfüllen kann. G9 ist ein zen­traler Baustein. Zen­tral ist aber die gute Umset­zung von G9: Bil­dungs­gerechtigkeit braucht Ressourcen, ist aber zugle­ich selb­st Ressource für unser Land. Das sollte auch bei der Auf­stel­lung des Staat­shaushalts berück­sichtigt wer­den. Eine G9-Sparver­sion würde zeigen, dass die Poli­tik das Land der Tüftler und Denker aufgegeben hat.

Für weit­ere Infor­ma­tio­nen und die Stun­dentafel siehe
https://www.phv-bw.de/wp-content/uploads/2024/02/2024–01-31-PhV-G9-Konzept.pdf
und
https://www.phv-bw.de/wp-content/uploads/2023/12/PhV-G9-Vorschlag-mit-Informatik.pdf

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den knapp 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt mit über 9.000 im Ver­band organ­isierten Mit­gliedern die Inter­essen der Lehrerin­nen und Lehrer an den 462 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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