PhV BW zur angekündigten Beendigung der schulischen Internet-Dienste durch BelWü

3. Mai 2021

* Neuer Schwaben­stre­ich der Lan­desregierung?
* Philolo­gen­ver­band kri­tisiert angekündigten Rauswurf der Schulen aus dem baden-würt­tem­ber­gis­chen Hochschul­netz Bel­Wü
* Forderung nach Ver­tragsver­längerung für eine schul­verträgliche Änderung und nach Auf­bau ein­er lan­de­seige­nen Serv­er-Infra­struk­tur für schulis­che IT-Dien­ste

“Es ist doch unglaublich: Am 30.04.2021 — mit­ten im Coro­na-Lock­down und im dig­i­tal­en Fer­nun­ter­richt – erfahren tausende Schulen, die den schulis­chen Inter­ne­tan­schluss, ihre Home­page, die Lehrer-Emailkon­ten und großteils Moo­dle-Lern­plat­tfor­men bei Bel­Wü (dem Net­zw­erk­di­enst der baden-würt­tem­ber­gis­chen Hochschulen) betreiben, dass diese schulis­chen Inter­net-Dien­ste jet­zt sukzes­sive been­det wer­den sollen“, so der Lan­desvor­sitzende des Philolo­gen­ver­bands Baden-Würt­tem­berg, Ralf Scholl. Es geht um rund 2.000 Schul­home­pages, über 4.000 Moo­dle-Instanzen (Web-Lern­man­age­mentsys­tem) und viele hun­dert Schulen, die weit­ere Dien­ste von Bel­Wü nutzen. Aus Wet­tbe­werb­s­grün­den könne man den Schulen keine Empfehlun­gen für alter­na­tive Dien­stleis­ter geben, teilte Bel­Wü in dem betr­e­f­fend­en Schreiben mit.

Für Ralf Scholl ist es völ­lig unver­ständlich, dass zum zweit­en Mal inner­halb von nur drei Jahren eine beste­hende Struk­tur abgeris­sen wird, ohne dass rechtzeit­ig ein funk­tion­ieren­der Ersatz bere­it­ste­ht: „Nach der Grün­dung des Zen­trums für Schulqual­ität und Lehrerbil­dung (ZSL) hat es volle zwei Jahre gedauert, bis die vorher dur­chaus leis­tungs­fähige Lehrer-Fort­bil­dung wieder in einem ähn­lichen Rah­men wie zuvor zur Ver­fü­gung stand“, erk­lärt der PhV-Lan­desvor­sitzende. „Soll während des Umbaus der IT-Struk­tur dank verord­neter ´Kosten­neu­tral­ität´ eben­falls ein mas­siv­er Leis­tungsrück­gang in Kauf genom­men wer­den – beim Dig­i­talzu­gang der Schulen? Nach den Erfahrun­gen aus der Coro­na-Zeit?“

Selb­st wenn es gute Gründe geben sollte, dass Bel­Wü sich – wie bei sein­er Grün­dung geplant – per­spek­tivisch nur noch um das Hochschul­netz küm­mert, hält Ralf Scholl die Vorge­hensweise für falsch und den Zeit­punkt für denkbar ungün­stig. „Ohne einen aus­gear­beit­eten Plan mit klaren Schrit­ten, wie der Über­gang für die Betrof­fe­nen möglichst rei­bungs­frei ablaufen soll, ist ein Abriss beste­hen­der Struk­turen, die unter Vol­l­last laufen, schlicht unver­ant­wortlich“, erk­lärt der PhV-Lan­desvor­sitzende. Das Kul­tus­min­is­teri­um wisse zur Zeit aber anscheinend nicht ein­mal, wie es für die betrof­fe­nen Schulen konkret weit­erge­hen soll.

Dass die Schulen erst jet­zt – während Coro­na-Krise – von Bel­Wü informiert wur­den, obwohl laut der E‑Mail die Trans­for­ma­tion offen­bar bere­its 2019 vom Wis­senschaftsmin­is­teri­um im Ein­vernehmen mit dem Kul­tus­min­is­teri­um angestoßen wurde, hält Ralf Scholl für „ein Und­ing“. Ein­mal mehr werde die Lan­desregierung ihrer Ver­ant­wor­tung für die Schulen nicht gerecht.

Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg fordert die neue Lan­desregierung auf, so bald wie möglich fol­gende Maß­nah­men zu ergreifen:

Der Ver­trag zwis­chen Kul­tus­min­is­teri­um und Wis­senschaftsmin­is­teri­um über den Schulzu­gang via Bel­Wü muss drin­gend um min­destens ein weit­eres Jahr ver­längert wer­den, damit der Umbruch schul­verträglich gestal­tet wer­den kann.

In der dadurch gewonnenen Zeit ist eine lan­de­seigene Lösung mit eige­nen Servern aufzubauen, die alle Ser­vice-Leis­tun­gen, die bish­er vom baden-würt­tem­ber­gis­chen Hochschul­netz Bel­Wü für die Schulen in Baden-Würt­tem­berg ange­boten wur­den, auch kün­ftig bere­it­stellt – und dies eben­so kostengün­stig mit einem eben­so kleinen und schlagkräfti­gen Team wie bish­er durch Bel­Wü.

Ein unko­or­diniert­er Umzug der betrof­fe­nen Schulen zu ver­schieden­sten Providern ist unsin­nig und muss daher ver­hin­dert wer­den. Er erhöht zudem dauer­haft die Kosten für die Schul­träger.

“Die Lan­desregierung darf die Schulen in diesen schwieri­gen Zeit­en nicht auch noch vom Inter­net abklem­men, son­dern muss sich selb­st um die Inter­net-Dien­ste küm­mern, die die Schulen drin­gen­der brauchen denn je!”, so Ralf Scholl abschließend.


Nach­ste­hend das Mit­teilungss­chreiben von Bel­Wü an Schulleitun­gen und Schul­träger vom 30.04.2021:

Sehr geehrte Schullei­t­erin, sehr geehrter Schulleit­er,
sehr geehrte Damen und Her­ren,

wir möcht­en Sie mit dieser E‑Mail über anste­hende Verän­derun­gen im Bere­ich der von Bel­Wü ange­bote­nen Dien­ste informieren.

Sie erhal­ten diese Nachricht als Kon­tak­t­per­son ein­er schulis­chen Ein­rich­tung (Schul­träger oder Schule), die einen der unten genan­nten Dien­ste bei Bel­Wü nutzt und bit­ten Sie, diese Infor­ma­tio­nen für Ihre weit­eren Pla­nun­gen inner­halb Ihrer Ein­rich­tung zu kom­mu­nizieren.
Aus­gangspunkt für diese Änderun­gen sind nicht nur verän­derte rechtliche Rah­menbe­din­gun­gen (u. a. Ver­gaberecht, Steuer­recht), die in voller Auswirkung spätestens 2023 zum Tra­gen kom­men, son­dern auch die Beobach­tung, dass die in den let­zten Monat­en aus­ge­baut­en Ange­bote im Bere­ich der dig­i­tal­en Unter­stützung von Lehre und Kom­mu­nika­tion eine langfristige Per­spek­tive für einen gesicherten Betrieb benöti­gen, die wir im Rah­men der auf eine Vere­in­barung zwis­chen dem Min­is­teri­um für Wis­senschaft, Forschung und Kun­st und dem Min­is­teri­um für Kul­tus, Jugend und Sport im Jahr 1997 zurück­ge­hen­den Koop­er­a­tion mit Bel­Wü aus ver­schiede­nen Grün­den nicht ver­lässlich dauer­haft erbrin­gen kön­nen.

Die aktuell prak­tizierte Form der Bere­it­stel­lung bringt es mit sich, dass die primären Dien­ste im hoheitlichen Bere­ich von Bel­Wü, also die Kon­nek­tiv­ität der Uni­ver­sitäten und Hochschulen auf inter­na­tionalem Leis­tungsniveau, gefährdet wer­den, weil z. B. tech­nis­che Kapaz­itäten des Rechen­zen­trums ander­weit­ig einge­set­zt wer­den müssen.

Daher hat das Min­is­teri­um für Wis­senschaft, Forschung und Kun­st als für Bel­Wü zuständi­ges Min­is­teri­um bere­its 2019 im Ein­vernehmen mit dem Min­is­teri­um für Kul­tus, Jugend und Sport einen sys­tem­a­tis­chen Prozess ein­er Trans­for­ma­tion angestoßen, der nun nach Erhe­bung aller dafür notwendi­gen grundle­gen­den Infor­ma­tio­nen in die näch­ste Phase geht. Davon sind Sie wie fol­gt betrof­fen:

1. Die Dien­ste „E‑Mail“ und Lern­plat­tform „Moo­dle“ bleiben vor­erst unverän­dert beste­hen. Mit­tel­fristig sollen diese von einem anderen zen­tralen Dien­stleis­ter über­nom­men wer­den. Dieser Wech­sel wird für Sie als Kunde möglichst trans­par­ent und rei­bungs­los umge­set­zt wer­den. Wir informieren Sie, sobald eine konkrete Migra­tion anste­ht. Das Min­is­teri­um für Kul­tus, Jugend und Sport sichert den weit­er­hin kosten­losen rei­bungslosen Betrieb als Lan­deslö­sung zu. Für Sie beste­ht kein Hand­lungs­be­darf.

2. Das Host­ing von Webauftrit­ten wird ab sofort nicht mehr von Bel­Wü ange­boten. Dies bet­rifft Home­page, Wiki, Foren, NextCloud, eigene selb­stver­wal­tete Moo­dle-Auftritte, etc. Die beste­hen­den Auftritte wer­den in monatlichen Zeit­fen­stern zwis­chen 1.10.21 und 28.2.23 eingestellt. Bitte bemühen Sie sich um einen Umzug Ihrer Web­seit­en zu
einem von Ihnen festzule­gen­den Dien­stleis­ter. Bel­Wü kann hin­sichtlich der zukün­ftig zu wäh­len­den Dien­stleis­ter aus rechtlichen Grün­den keine Empfehlung abgeben.

3. Die Anbindung von päd­a­gogis­chen bzw. Ver­wal­tungsnet­zen per DSL/Kabel wird ab sofort nicht mehr von Bel­Wü ange­boten. Bel­Wü wird zum 31.7.22 diesen Dienst ein­stellen. Nicht betrof­fen sind vor­erst Anbindun­gen per Glas­fas­er (Direk­tan­schluss ein­er Schule oder eines städtis­chen Schul­ver­bun­des) an einen der Bel­Wü-Knoten an einem Hochschul­stan­dort (siehe fol­gen­der Punkt).

4. In enger Abstim­mung zwis­chen dem Min­is­teri­um für Wis­senschaft, Forschung und Kun­st, den kom­mu­nalen Spitzen­ver­bän­den, dem Min­is­teri­um für Kul­tus, Jugend und
Sport und der Uni­ver­sität Stuttgart wird derzeit nach Lösun­gen gesucht, ins­beson­dere die bre­it­bandi­ge Anbindung von Schulen weit­er­hin anbi­eten zu kön­nen und weit­er aus­bauen zu kön­nen. Hier sollen ins­beson­dere langfristig geschlossene Verträge z.B. Anmi­etung von Glas­fasern berück­sichtigt wer­den.

Zusam­men­fassend bedeutet das für Sie:

• Die Ange­bote DSL/Kabel basierende Inter­ne­tan­bindung, Web-Host­ing, File Exchange Ser­vice (FEX) und Dien­ste bei denen Bel­Wü nur kom­merzielle Dien­ste weit­er­ver­mit­telt (z.B. Jugend­schutz­fil­ter) sollen zum Ende des Schu-jahres 2021/2022 aus­laufen. Hier müssen Sie sich bitte um einen alter­na­tiv­en Dien­stleis­ter bemühen. Auch hier kön­nen wir aus rechtlichen Grün­den keine Empfehlung für alter­na­tive Dien­stleis­ter geben.
Hin­sichtlich des zeitlichen Ablaufs der Migra­tion von Web-Host­ing sowie Ein­stel­lung der DSL/Kabel basieren­den Inter­ne­tan­bindung wer­den die betrof­fe­nen Schulen in Kürze sep­a­rat von der Bel­Wü-Koor­di­na­tion informiert.

• E‑Mail-Post­fäch­er wer­den weit­er­hin ange­boten, bis diese geschlossen an eine zen­trale Plat­tform eines anderen Anbi­eters über­führt wer­den kön­nen. Auch hier ist als Per­spek­tive das Ende des Schul­jahres 2021/2022
vorge­se­hen, vor­be­haltlich der Ver­füg­barkeit ein­er Zielplat­tform. Sie wer­den jew­eils rechtzeit­ig über die weit­eren Schritte informiert wer­den. Die Zielplat­tform
wird als Teil ein­er für die Schulen kosten­losen Lan­deslö­sung alle daten­schutzrechtlichen Anforderun­gen erfüllen und min­destens den gle­ichen Ser­vice­grad bieten.
Sie müssen aktuell keine Maß­nah­men ergreifen.
• Die Über­nahme der Lern­plat­tform Moo­dle durch einen neuen Dien­stleis­ter erfordert unser­er­seits umfan­gre­iche Vorar­beit­en. Auch hier wer­den wir Sie zu gegeben­er Zeit über den Pro­jek­t­fortschritt informieren. Moo­dle wird hin­sichtlich sein­er Zuver­läs­sigkeit, sein­er Per­for­manz, sein­er daten­schutzrechtlichen Sicher­heitsmerk­male sowie dem gewohn­ten Ser­vice­grad im Sup­port in ein­er neuen Umge­bung in bewährter Form zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Es ist abse­hbar, dass ein solch­er Umzug nicht vor Som­mer 2023 erfol­gen wird. Auch hier müssen Sie aktuell nicht aktiv wer­den.

Bitte haben Sie Ver­ständ­nis für diese Maß­nah­men, die nicht nur aus einem strate­gis­chen Szenario ein­er der beteiligten Insti­tu­tio­nen erwach­sen sind, son­dern auch Sachzwän­gen und geset­zlichen Anforderun­gen fol­gen.

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den knapp 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt mit über 9.000 im Ver­band organ­isierten Mit­gliedern die Inter­essen der Lehrerin­nen und Lehrer an den 462 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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