PhV-Vorsitzender Ralf Scholl: „Die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung war ein Kardinalfehler“

12. November 2019

 

Stuttgart, 12. Novem­ber 2019
Az. 1911 / 2019–24

Vor dem Hin­ter­grund ver­schieden­er aktueller bil­dungspoli­tis­ch­er The­men und Diskus­sio­nen nimmt der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg (PhV BW) wie fol­gt Stel­lung:

1. Grund­schulempfehlung

Der PhV stimmt Kul­tus­min­is­terin Dr. Susanne Eisen­mann zu: Die Abschaf­fung der verbindlichen Grund­schulempfehlung war ein Kar­di­nalfehler der vorigen Lan­desregierung. Die kür­zlich veröf­fentlicht­en IQB-Ergeb­nisse zeigen: Die drei Bun­deslän­der, die als einzige noch eine verbindliche Grund­schulempfehlung nach Klasse 4 haben (Bay­ern, Sach­sen und Thürin­gen – jew­eils mit härteren Kri­te­rien als sie Baden-Würt­tem­berg vor der Abschaf­fung hat­te) liegen mit z. T. deut­lichem Abstand auf den Plätzen 1, 2 und 3 bei den IQB-Resul­tat­en.

Lei­der funk­tion­iert das „Beratungsver­fahren” zur Wahl der weit­er­führen­den Schule bei einem erhe­blichen Teil der Eltern näm­lich über­haupt nicht: Die Schulen und Lehrkräfte investieren zwar sehr viel Zeit in die Beratung über die sin­nvolle Wahl der weit­er­führen­den Schule, aber ein Teil der Eltern ignori­ert diese Beratung ein­fach. Die Lei­d­tra­gen­den sind dann völ­lig über­forderte Kinder, denen auf­grund ständi­ger Mis­ser­fol­gser­leb­nisse der Spaß am Ler­nen abhan­denkommt und das Selb­st­be­wusst­sein weg­bricht. So erzeugt man Schul­ver­sagen! Hier beste­ht drin­gen­der Hand­lungs­be­darf. Der Philolo­gen­ver­band hat dies­bezüglich ein Konzept für mehr Verbindlichkeit der Grund­schulempfehlung vorgelegt.

Im Übri­gen ist der ide­olo­giegetriebene Kampf um die Unverbindlichkeit der Grund­schulempfehlung schlicht nicht mehr nachvol­lziehbar: Zum Schul­jahr 2012/2013 wurde in Baden-Würt­tem­berg die Gemein­schaftss­chule einge­führt, auf die Kinder mit allen Grund­schulempfehlun­gen gehen kön­nen. Trauen die Poli­tik­er, die weit­er­hin den Eltern­willen allein entschei­den lassen wollen, ihrem „Leucht­turm der baden-würt­tem­ber­gis­chen Schul­land­schaft“ selb­st nicht über den Weg?

2. Die neuen Insti­tute ZSL und IBBW

Der PhV wider­spricht Kul­tus­min­is­terin Eisen­mann bezüglich des neu geschaf­fe­nen ZSL (Zen­trum für Schulqual­ität und Lehrerbil­dung): Die Schaf­fung des ZSL ist ein ungedeck­ter Scheck auf die Zukun­ft. Auch acht Monate nach sein­er juris­tis­chen Errich­tung ist das ZSL immer noch nicht arbeits­fähig. Das liegt nicht nur an dem schw­eren Wasser­schaden im ger­ade fer­tiggestell­ten ZSL-Gebäude in Lein­felden-Ech­ter­din­gen. Fatal ist der vol­lkom­men über­hastete Umbau in diesem Teil der Schul­ver­wal­tung: Die bish­eri­gen Struk­turen wur­den zer­schla­gen, bevor die neuen arbeits­fähig waren. Fol­glich hängt die Pla­nung der gesamten Lehrerfort­bil­dun­gen für das Schul­jahr 2020/21 prak­tisch in der Luft.

Den Sem­i­naren, die eine zen­trale Rolle bei der Lehreraus- und ‑fort­bil­dung spie­len sollen, wird außer­dem der Boden unter den Füßen wegge­zo­gen. Ein­er­seits wur­den ihnen neue Auf­gaben in der Lehrerbil­dung zugewiesen, ander­er­seits wurde ihre Per­son­aldecke gekürzt, um Stellen für das ZSL und seine Region­al­stellen freizu­machen. An eini­gen der Sem­i­nare gibt es dadurch derzeit wed­er Sem­i­narleit­er noch Stel­lvertre­tende Sem­i­narleit­er. Zudem wurde die Besol­dung der Sem­i­narleitun­gen herun­tergestuft und die Stellen für stel­lvertre­tende Sem­i­narleit­er wegra­tional­isiert. Wie man unter diesen Umstän­den qual­i­fiziertes Leitungsper­son­al für die Sem­i­nare find­en und die Qual­ität der Lehrerbil­dung und let­ztlich auch die Qual­ität des Unter­richts steigern will, bleibt ein Rät­sel. Zurzeit kann man nur kon­sta­tieren: Da gibt es nicht nur Über­gang­sprob­leme, da wurde vieles nicht zu Ende gedacht. Es muss rasch gegenges­teuert wer­den, damit das „Quali-Konzept“ nicht am Ende als „Qual-Konzept“ in die bil­dungspoli­tis­che Geschichte Baden-Würt­tem­berg einge­ht.

3. Lehrerver­sorgung an Grund­schulen

Die Forderung der GEW nach ein­er Ver­längerung der Stu­dien­zeit für Grund­schullehrkräfte um zwei Semes­ter ist kon­trapro­duk­tiv, denn die Man­gel­si­t­u­a­tion in der Lehrerver­sorgung der Grund­schule ist auch dadurch ent­standen, dass das Grund­schullehrerstudi­um vor Jahren bere­its ein­mal um zwei Semes­ter ver­längert wurde – diese Ver­längerung führte automa­tisch zum Weg­fall eines kom­plet­ten Absol­ven­ten­jahrgangs. Dass die GEW-Vor­sitzende eine erneute Ver­längerung der Stu­di­en­dauer jet­zt „zur Abhil­fe“ des Lehrerman­gels im Grund­schul­bere­ich emp­fiehlt, ist ver­mut­lich ein­er ganz anderen Agen­da geschuldet: Wenn durch eine solche weit­ere Ver­längerung der Stu­dien­zeit dann noch weniger Grund­schullehrer zur Ver­fü­gung stün­den, ließe sich das bestens als Muni­tion für die GEW-Forderung nach ein­er höheren Bezahlung der Grund­schullehrkräfte ver­wen­den. Der Unter­richtsver­sorgung an den Grund­schulen würde diese Maß­nahme jeden­falls nicht dienen.

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den über 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt mit rund 9.000 im Ver­band organ­isierten Mit­gliedern die Inter­essen der Lehrerin­nen und Lehrer an den 462 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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