Die Abschaffung der Grundschulempfehlung würde die Koppelung von sozialer Herkunft und Nutzung der schulischen Chancen verstärken!

6. April 2011

06.04.2011 / 1811 — 04–11

Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg (PhV BW) und Realschullehrer-Ver­band Baden-Würt­tem­berg (RLV) zum Plan der kom­menden grün-roten Lan­desregierung, die Grund­schulempfehlung abzuschaf­fen:

Absurde Maß­nahme: Die Abschaf­fung der Grund­schulempfehlung würde die Kop­pelung von sozialer Herkun­ft und Nutzung der schulis­chen Chan­cen ver­stärken!

Mit dem Argu­ment, bei uns sei der Zusam­men­hang zwis­chen sozialer Herkun­ft und dem “Bil­dungser­folg” beson­ders hoch, pla­nen SPD und Grüne die Abschaf­fung der Grund­schulempfehlung und wollen, dass allein der Eltern­wille entschei­det, auf welche Schu­lart ein Kind nach der Grund­schule wech­selt. Dieses Vorhaben ist absurd, denn die Urteil­skraft von Eltern bezüglich ihrer Kinder ist oft­mals äußerst sub­jek­tiv, jeden­falls bedeu­tend sub­jek­tiv­er als die der Grund­schullehrkraft. Eltern, vor allem jene mit hohen Bil­dungsab­schlüssen, tendieren dazu, ihre Kinder zu über­schätzen. Sie akzep­tieren es nicht, wenn ihrem Kind die Eig­nung für beispiel­sweise das Gym­na­si­um fehlt und melden ihren Nach­wuchs auch bei schlecht­en Schulleis­tun­gen dort an. Umgekehrt haben es viele Kinder aus bil­dungs­fer­nen Schicht­en, vor allem Mäd­chen, der Grund­schulempfehlung zu ver­danken, dass sie — ent­ge­gen der ihnen seit­ens ihrer Eltern zugedacht­en Rolle — auf Realschule bzw. Gym­na­si­um wech­seln und so ihr Poten­tial nutzen kön­nen.

Die Tat­sache, dass 48 Prozent der Stu­di­en­an­fänger in Baden-Würt­tem­berg nicht nach Klasse 4 aufs Gym­na­si­um gewech­selt haben, zeigt im Übri­gen, dass diese Kinder im gegliederten Sys­tem opti­mal gefördert wur­den.

Wil­fried Bos, Bil­dungs­forsch­er und Direk­tor des Dort­munder Insti­tuts für Schu­len­twick­lungs­forschung (IFS) sagte 2009: “Die soziale Benachteili­gung wird größer, wenn Eltern entschei­den.” Und der Bil­dung­sex­perte Klaus Klemm, Uni­ver­sität Duis­burg-Essen, resümiert: “Je freier die Eltern­wahl, desto größer die soziale Ungle­ich­heit.” Auch der Tübinger Bil­dungs­forsch­er Ulrich Trautwein ver­weist darauf, dass das Schul­sys­tem dort am ungerecht­esten ist, wo die Eltern das Sagen haben.

All den­jeni­gen, die die Ein­schätzungskom­pe­tenz der Grund­schullehrkräfte, d.h. die Prog­nosesicher­heit der Grund­schulempfehlung in Zweifel ziehen, sei das Studi­um der Forschungsergeb­nisse der bei­den Bil­dungs- und Sozial­i­sa­tions­forsch­er Hart­mut Dit­ton und Jan Krüsken emp­fohlen, die 2009 fest­gestellt haben: “Im Gesamtüberblick bieten die Ergeb­nisse wenig Anlass, die Empfehlung­sprax­is der Lehrkräfte generell anzuzweifeln oder als nicht leis­tungs­gerecht zu deklar­i­eren.”

Es ist schon bemerkenswert, dass die erste bil­dungspoli­tis­che Maß­nahme der­jeni­gen, die unabläs­sig “Bil­dungs- bzw. Chan­cen­gerechtigkeit” als ihr Ker­nan­liegen beze­ich­nen, zum exak­ten Gegen­teil dessen führen wird, was man zu real­isieren vorgibt.

www.phv-bw.de

Down­loads:
Pressemit­teilung als Word-Doku­ment
Bild des PhV BW-Vor­sitzen­den Bernd Saur

 

 

 

 

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