Philologenverband fordert: G9-Züge nur mit klaren gymnasialen Konturen!

8. Juli 2011

08.07.2011 / 1811 — 10–11

 Zumel­dung zur Pressemit­teilung Nr. 85/2011 des Kul­tus­min­is­teri­ums vom 7. Juli 2011

  • Soll ver­längerte Grund­schule als G9 verkauft wer­den?
  • Philolo­gen­ver­band fordert: G9-Züge nur mit klaren gym­nasialen Kon­turen!

Wohlk­lin­gende For­mulierun­gen ver­schleiern falsche Weichen­stel­lun­gen

Obwohl eine Arbeits­gruppe zur Frage der Aus­gestal­tung eines das G8 ergänzen­den G9-Zuges ger­ade erst ihre Arbeit aufgenom­men hat, verkün­det die Kul­tus­min­is­terin bere­its vor­ab den entschei­den­den Eck­punkt. Bere­its bei einem SPD-Bil­dungs­fo­rum im Land­tag am ver­gan­genen Sam­stag erläuterten die Kul­tus­min­is­terin und ihr Staatssekretär, sie favorisierten ein Mod­ell, das bein­halte, “den Stoff der Klassen fünf und sechs auf drei Klassen zu verteilen.”

Bernd Saur, Lan­desvor­sitzen­der des Philolo­gen­ver­bands Baden-Würt­tem­berg, hat­te bere­its bei besagtem Forum seine Kri­tik an ein­er solchen G9-Ver­sion geäußert: “Die mit G9-Über­legun­gen beab­sichtigte zeitliche Ent­las­tung der Schü­lerin­nen und Schüler muss sich auf die gesamte Unter- und Mit­tel­stufe, also auf die Klassen fünf bis zehn beziehen, aus denen sieben Schul­jahre (also wieder eine Klasse elf) gemacht wer­den soll­ten. Die G8-Belas­tung bezieht sich doch nicht nur auf die bei­den Ein­gangsklassen. Vor allem in der Mit­tel­stufe ist das Stun­den­vol­u­men am höch­sten und die Schü­lerin­nen und Schüler haben überdies mit der Pubertät zu kämpfen. Unter­stufen­schülern fällt dage­gen das Ler­nen noch leicht — so sie denn grund­sät­zlich den Anforderun­gen des Gym­na­si­ums gewach­sen sind, sie sind oft ger­adezu lern­be­gierig und haben ein Anrecht darauf, dann auch etwas ler­nen dür­fen.”

Auch in einem G9-Zug sollte aus den ver­schieden­sten Grün­den die 2. Fremd­sprache in Klasse sechs begin­nen. Die Unter­stufe gym­nasialer G9-Züge darf nicht zu ein­er verkappten und ander­norts längst gescheit­erten Ori­en­tierungsstufe wer­den bzw. zu ein­er Art sieben­jähri­gen Grund­schule, die in anderen Bun­deslän­dern zu schlecht­en PISA-Ergeb­nis­sen geführt hat, weil nach­weis­lich “län­geres gemein­sames Ler­nen” eine Niveauab­senkung für alle bedeutet. “Wo Gym­na­si­um drauf ste­ht, muss auch Gym­na­si­um drin sein. Das gilt auch für G9-Züge. Vor dem Hin­ter­grund geplanter Gemein­schaftss­chulen, die ja ange­blich auch zum Abitur führen kön­nen, wären G9-Züge dann verzicht­bar, wenn sie den Namen ‘Gym­na­si­um’ gar nicht mehr ver­di­enen”, so Bernd Saur zu den Plä­nen des Kul­tus­min­is­teri­ums.

Die Abschaf­fung der Verbindlichkeit der Grund­schulempfehlung wird das Gegen­teil dessen bewirken, was angestrebt wird, denn “je freier die Eltern­wahl, desto größer die soziale Ungle­ich­heit” wie Bil­dung­sex­perte Klaus Klemm resümiert. Die Frage, nach welchen Kri­te­rien gym­nasiale Schulleiter(innen) näch­stes Jahr Schüler abweisen sollen, wenn sie aus Kapaz­itäts­grün­den gar nicht alle aufnehmen kön­nen, kann seit­ens des Kul­tus­min­is­teri­ums nicht beant­wortet wer­den.

Nur wohlk­lin­gende und pub­likum­swirk­same For­mulierun­gen zu streuen (“von unten wach­sen lassen statt verord­nen”, “Die Kreativ­ität vor Ort soll sich ent­fal­ten kön­nen und nicht gedeck­elt wer­den”), ohne die konkreten Auswirkun­gen vor Ort zu bedenken, ist zu wenig. “Anfängliche Begeis­terung kann schnell in Frust umschla­gen, wenn die Betrof­fe­nen erken­nen, dass die For­mulierung hehrer Ziele und die Umset­zung vor Ort gewaltig auseinan­der klaf­fen”, so die Befürch­tung von Bernd Saur.

Mit ihrem Gemein­schaftss­chulkonzept scheint die grün-rote Lan­desregierung den Stein der Weisen gefun­den zu haben, denn diese Schule scheint alles zu kön­nen. Sie umfasst “das Leis­tungsniveau von Hauptschule, Werkre­alschule, Realschule und Gym­na­si­um”. Diese Leis­tungsniveaus wer­den simul­tan vom Lehrer in der­sel­ben Lern­gruppe bin­nen­dif­feren­zierend und unter Beach­tung der Stan­dards und unter Beibehal­tung der Ver­gle­ich­sar­beit­en unter­richtet, in der die Kinder von- und miteinan­der ler­nen, in der aber “die guten Schüler richtig Gas geben kön­nen.”

Tat­sache ist, dass in Nor­drhein-West­falen die Abbrecherquote beim “Gesamtschul-Abitur” bei über 40 Prozent liegt, weil diese Kinder in der inte­gri­erten Mit­tel­stufe ein­fach zu wenig ler­nen.

Von den vie­len — aber offen­sichtlich nicht jed­er­mann vor­liegen­den — Ergeb­nis­sen wis­senschaftlich­er Unter­suchun­gen sei abschließend nur eines stel­lvertre­tend zitiert:

“Die immer wieder aufgewärmte Behaup­tung, wonach in begabungs- und leis­tung­shetero­ge­nen Lern­grup­pen und Ein­heitss­chulen eine Min­derung der Leis­tung­sun­ter­schiede bei gle­ichzeit­iger Verbesserung der Leis­tungs­förderung aller möglich sei, ist ein­deutig empirisch wider­legt.” (Prof. Dr. Kurt Heller, FAZ, 21.1.2010)

 

www.phv-bw.de

Down­loads:
Pressemit­teilung als Word-Doku­ment
Bild des PhV BW-Vor­sitzen­den Bernd Saur

 

 

 

 

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