Doppelter Abiturjahrgang 2012 — ein noch nicht gelöstes Problem!
19. September 2008
19.09.2008 / 1811 — 36–08
Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) zu Ankündigungen von Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU):
Doppelter Abiturjahrgang 2012 — ein noch nicht gelöstes Problem!
- PhV begrüßt Schaffung zusätzlicher Studienplätze, übt aber Kritik an geplanten Hochschuleingangstest
- PhV-Forderung: Abiturzeugnis darf durch Hochschul-Eingangstests nicht abgewertet werden; Lehrer geben ihre Noten verantwortungsbewusst
“Egal, ob Notendurchschnitte gut oder schlecht ausfallen, immer wird die Schuld beim Lehrer gesucht. Sind die Schnitte zu schlecht, beschweren sich die Eltern, sind sie zu gut, kommt Kritik von den Hochschulen, die eine Ursache für die Zunahme der Zahl an Studienabbrechern — vor allem in den Ingenieurs- und Naturwissenschaften — in zu guten Noten der Abiturienten sehen”, so der Landesvorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW), Bernd Saur, zu unlängst von Wissenschaftsminister Peter Frankenberg gemachten Äußerungen und zu Plänen des Wissenschaftsministeriums, ab Wintersemester 2011/12 Orientierungstests und Auswahlgespräche für angehende Studenten in Baden-Württemberg zur Pflicht zu machen. Hier gehe es wohl auch darum, mit Eingangsprüfungen den Ansturm des doppelten Abiturjahrgangs auf die Universitäten abzufedern. Begrüßt wird vom Philologenverband das Ausbauprogramm “Hochschule 2012”, mit dem Wissenschaftsminister Frankenberg 16.000 zusätzliche Studienanfängerplätze an den Hochschulen und Berufsakademien schaffen und die Studienchancen für den doppelten Abiturjahrgang und die geburtenstarken Jahrgänge bis zum Jahr 2012 sichern will.
Verbandschef Bernd Saur: “Wenn aus derzeitiger Sicht des Wissenschaftsministers mit 16.000 zusätzlichen Studienplätzen das Problem des doppelten Abiturjahrgangs behoben werden kann, dann bleibt die Frage, weshalb dann noch Eingangstests nötig sind, zumal ständig der Ruf nach mehr Akademikern zu vernehmen ist.” Kritisch gesehen wird vom Philologenverband, dass bei der Schaffung neuer Studienplätze der Schwerpunkt auf Fächer gelegt werden soll, “die besonders günstige Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt bieten”. Saur: “Man kann aus geisteswissenschaftlich oder fremdsprachlich orientierten Abiturienten keine Studenten zaubern, die ein naturwissenschaftliches Studium ergreifen oder sich zu Ingenieuren ausbilden lassen.”
Mit Blick auf die Eingangstests fragt Saur weiter: “Was ist das für eine Wertschätzung der Lehrer?” — und stellt klar, dass Lehrer ihre Noten nach den erbrachten Leistungen vergeben, die sich an den Vorgaben des geltenden Bildungsplans orientieren. Saur: “Abiturnoten werden nicht nach dem Salzstreuerprinzip, sondern in Baden-Württemberg im Rahmen des Zentralabiturs nach einem aufwendigen und verantwortungsbewusst durchgeführten Korrekturverfahren mit Erst‑, Zweit- und Drittkorrekturen vergeben.” Zwar seien seit dem Abitur 2004 aufgrund der Wahlmöglichkeit der doppelt gewichteten Fächer und durch das Arbeiten mit neuen Unterrichtsformen und ‑methoden die Notendurchschnitte etwas besser geworden (zwischen 2,33 und 2,29; davor schwankten die Schnitte zwischen 2,39 und 2,35), doch entspreche ein Unterschied von 0,01 im Abitur lediglich ein bis zwei Notenpunkten aus über 30 Kursen.
Der Philologenverband Baden-Württemberg vertritt den Standpunkt, dass an der Qualität des gymnasialen Bildungsgangs keine Abstriche vorgenommen werden dürfen und bundesweit verbindliche Abiturstandards gelten müssen. “Die von einigen Parteien und Bildungspolitikern in die Schuldiskussion gebrachten Forderungen, das Gymnasium durch Einheitsschulsysteme zu ersetzen, sind für den Erhalt des gymnasialen Anspruchsniveaus kontraproduktiv; wer das Gymnasium mit dem Abiturzeugnis verlässt, muss damit ein aussagekräftiges Zertifikat mit Hochschulberechtigung ohne Einschränkung erhalten”, so Saur.
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Bild des PhV BW-Vorsitzenden Bernd Saur