Pressemitteilung des PhV BW zur Evaluation des Chancengleichheitsgesetzes: Bislang keine Erfolgsgeschichte

3. Februar 2022


• Eval­u­a­tion des Lan­des-Chan­cen­gle­ich­heits­ge­set­zes vom Sozialmin­is­teri­um vorgelegt
• Geset­zes­nov­el­le brachte seit 2016 kaum Verbesserun­gen für Lan­des­be­di­en­stete
• Land in vie­len Bere­ichen säu­mig: Fehlende Dat­en, unklare Ziele
• Philolo­gen­ver­band kri­tisiert: Beauf­tragte für Chan­cen­gle­ich­heit wer­den allein gelassen

Die Eval­u­a­tion des Chan­cen­gle­ich­heits­ge­set­zes (Chan­cenG) war für das Früh­jahr 2020 vorge­se­hen und wurde nun endlich vom Sozialmin­is­teri­um vorgelegt. „Die Ergeb­nisse sind für das Land blam­a­bel und für die Lehrkräfte im Land lei­der alt­bekan­nte Tat­sachen“, beklagt Karin Fet­zn­er, Stel­lvertre­tende Lan­desvor­sitzende des Philolo­gen­ver­bands Baden-Würt­tem­berg (PhV BW) und selb­st lange Jahre Beauf­tragte für Chan­cen­gle­ich­heit an ihrem Gym­na­si­um. „Obwohl das gym­nasiale Lehramt zunehmend weib­lich wird, find­et keine entsprechende Repräsen­tanz von Frauen im Führungs­bere­ich statt, ins­beson­dere nicht bei den Schulleitun­gen.“ Män­gel zeigen sich beson­ders an der Rolle der Beauf­tragten für Chan­cen­gle­ich­heit (BfC), die die „Wäch­terin über das Chan­cenG“ an den Schulen ist:

• Die Beauf­tragten für Chan­cen­gle­ich­heit haben kaum zeitliche Ressourcen, sind in ihrer Tätigkeit auf sich allein gestellt und abhängig vom guten Willen der Leitungsebene. Macht­mit­tel gibt es keine, insti­tu­tion­al­isierte Möglichkeit­en der Durch­set­zung fehlen.
• In den nach­ge­ord­neten Bere­ichen der Min­is­te­rien scheint die Wahrnehmung der Auf­gabe als BfC gar ein Kar­riere-Hemm­nis zu sein; die BfC wird vielfach als Gegen­spielerin wahrgenom­men.

Faz­it der Eval­u­a­tion des Chan­cenG: Die Geset­zes­nov­el­le von 2016 hat kaum Fortschritte gebracht und den Beauf­tragten für Chan­cen­gle­ich­heit einen Bären­di­enst erwiesen.

Der PhV BW schließt sich Hand­lungsempfehlun­gen der Studie an: Tief­greifende Änderun­gen des Chan­cen­gle­ich­heits­ge­set­zes und der Ver­wal­tung­sprax­is sind zwin­gend!

1. Stärkung der BfC: Sank­tions- und Kon­trollmöglichkeit­en sowie klare Regelun­gen und Struk­turen der Beteili­gung müssen etabliert, die Ressourcen aufge­stockt wer­den.
2. Die Ein­rich­tung ein­er unab­hängi­gen Anlauf­stelle zu Fra­gen der Gle­ich­berech­ti­gung, z.B. eine Ombudsstelle, ist drin­gend notwendig.
3. Die Weit­er­bil­dung von Führungskräften in Fra­gen der geset­zlichen Regelun­gen zu Gle­ich­berech­ti­gung, Gle­ich­stel­lung und Vere­in­barkeit von Fam­i­lie und Beruf ist wichtig und muss vom Dien­s­ther­rn geleis­tet wer­den.
4. Eine trans­par­entere und ver­gle­ich­barere Erfas­sung der Dat­en im Bere­ich der Per­son­al­sta­tis­tik ist unab­d­ing­bar.

Weit­erge­hende Forderun­gen hat der PhV BW im Rah­men ein­er Res­o­lu­tion zur Gle­ich­stel­lung bere­its im ver­gan­genen Dezem­ber mit großer Mehrheit ver­ab­schiedet.

Es geht um mehr

Bei der Nov­el­le des Chan­cen­gle­ich­heits­ge­setz 2016 – fed­er­führend war damals das Sozialmin­is­teri­um – wur­den erst­mals die Kom­munen in das Gesetz inte­gri­ert. Daher standen diese auch bei der Eval­u­a­tion ver­stärkt im Fokus.

Aus Sicht der Ref­er­entin für Gle­ich­stel­lung und Gle­ich­berech­ti­gung im PhV-Lan­desvor­stand, Clau­dia Grimm, hätte die Eval­u­a­tion viel weit­er gehen und auch dezi­diert die Sit­u­a­tion an den Schulen in den Blick nehmen müssen: „Schulen sind ein Mikrokos­mos der Gesellschaft, dort wer­den Her­anwach­senden auch Rol­len­bilder und Werte ver­mit­telt. Wenn Rol­len­vor­bilder fehlen, wirkt sich das auf fol­gende Gen­er­a­tio­nen aus.“

Aus Sicht von Clau­dia Grimm müsste bei ein­er Eval­u­a­tion schon der Titel des Geset­zes auf den Prüf­s­tand: „Geht es um Chan­cen­gle­ich­heit? Nein, es geht um Gle­ich­berech­ti­gung. Das ist nicht das­selbe. Quan­ti­ta­tive Gle­ich­berech­ti­gung kann man ganz konkret fassen: Gle­ich­es Geld für gle­iche Arbeit.“ Mar­ti­na Scher­er, Stel­lvertre­tende Lan­desvor­sitzende des PhV BW, ergänzt: „Noch heute gilt in der Prax­is, dass zwar die Stun­den­zahl für den Unter­richt reduziert wer­den kann, aber häu­fig nicht die vie­len Auf­gaben außer­halb des Klassen­z­im­mers, die eine Lehrkraft zusät­zlich zu erledi­gen hat. Das bedeutet: Teilzeitkräfte leis­ten unbezahlte Arbeit.“

Qual­i­ta­tive Gle­ich­berech­ti­gung muss eben­falls angestrebt wer­den. Gemeint ist damit eine Kul­tur der Anerken­nung und Teil­habe sowie der Repräsen­ta­tion – nicht zulet­zt in Führung. Karin Fet­zn­er kri­tisiert, dass das Land zen­trale Fra­gen bis­lang nicht stellt: „Warum sind Frauen in Führungspo­si­tio­nen unter­repräsen­tiert? Warum ist Teilzeit noch immer vor­wiegend weib­lich?“ Mar­ti­na Scher­er kon­sta­tiert: „Das Land scheint in Fra­gen der Gle­ich­berech­ti­gung nicht sehr motiviert. Auf die aktuelle sta­tis­tis­che Erfas­sung der Sit­u­a­tion an den Gym­nasien warten wir seit 2020 verge­blich.“

Hin­ter­grund: Neuerun­gen seit 2016

Die Nov­el­le des Chan­cen­gle­ich­heits­ge­set­zes brachte für Lan­des­be­di­en­stete und ins­beson­dere für die an den meis­ten Gym­nasien existieren­den Beauf­tragten für Chan­cen­gle­ich­heit (BfC) dur­chaus Neuerun­gen. Diese sind aber wenig zielführend für die tat­säch­liche Durch­set­zung von Gle­ich­berech­ti­gung – ins­beson­dere deshalb, weil den BfC nur Beteili­gungs- und Bean­stan­dungsrechte zuste­hen.

Die BfC als Wäch­terin über Chan­cenG oder „Frauen­vertre­tung“?

Ein­er­seits ist die BfC vor allem Ansprech­part­ner­in der Lehrerin­nen, kann jährlich Frauen­ver­samm­lun­gen durch­führen (vgl. § 20 Chan­cenG) und soll die Besei­t­i­gung der Unter­repräsen­tanz von Frauen in Führungsauf­gaben im Blick haben.
Ander­er­seits ist die BfC dem Schulleit­er unmit­tel­bar zuge­ord­net und hat ein unmit­tel­bares Vor­tragsrecht (§ 18 Absatz 1 Chan­cenG). Die Beauf­tragte für Chan­cen­gle­ich­heit ist sozusagen Wäch­terin über die Ein­hal­tung des Chan­cenG und unter­stützt die Dien­st­stel­len­leitung bei dessen Umset­zung (§ 20 Absatz 1 Chan­cenG). Dies set­zt aber voraus, dass die Dien­st­stel­len­leitung dies auch zulässt.

Vere­in­barkeit von Fam­i­lie und Beruf: keine „Frauen­frage“

Genau genom­men wer­den im Chan­cenG zwei ver­schiedene Aspek­te unter „Beruf“ vere­int: Zum einen geht es um „Kar­riere“ und zum anderen um die Vere­in­barkeit von Fam­i­lie und Unter­richts- und weit­er­er dien­stlich­er Verpflich­tun­gen. Frauen soll also ein­er­seits der Zugang zu Beförderungsstellen erle­ichtert wer­den, ander­er­seits soll die beru­fliche Tätigkeit grund­sät­zlich mit Fam­i­lien­auf­gaben vere­in­bar sein – für Frauen und Män­ner (vgl. § 29 Chan­cenG): Sowohl Frauen als auch Män­ner haben ein Recht auf fam­i­lien- und pflegegerechte Arbeit­szeit. Auch Teilzeitbeschäf­ti­gung sowie Beurlaubung zur Wahrnehmung von Fam­i­lien- oder Pflegeauf­gaben sind hier gemeint (vgl. § 30 Chan­cenG). Wichtig ist, dass es sich um zwei getren­nte Para­graphen han­delt, Vol­lzeitbeschäftigte also auch ein Recht auf fam­i­lien- und pflegegerechte Arbeit­szeit haben. Ergo ist die BfC Wäch­terin für die Rechte bei­der Geschlechter, egal ob Teil- oder Vol­lzeitkraft!

 

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den knapp 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt mit über 9.000 im Ver­band organ­isierten Mit­gliedern die Inter­essen der Lehrerin­nen und Lehrer an den 462 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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