Vereinbarkeit von Familie und Beruf
19. November 2018
Das Bild in unseren Lehrerzimmern hat sich in den letzten fünfzehn Jahren grundlegend verändert: Der großen Pensionierungswelle folgte die Einstellung vieler junger Lehrkräfte vor oder während der Elternphase. Sorgt das Land für Unterstützung der Kollegien?
von Claudia Grimm, Referentin des PhV BW-Landesvorstands für Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Während vor einigen Jahren ein „Lehrer-Baby“ fast ein singuläres Ereignis schien, sind heute viele Kolleginnen und Kollegen in der Elternphase. Zudem haben gesetzliche Regelungen zu Elterngeld und Elternzeit sowie ausgeweitete Betreuungsangebote Elternschaft verändert. Auch unser Dienstherr hat unter anderem mit dem Dienstrechtsreformgesetz einige Rahmenbedingungen angepasst, beispielsweise die Beurlaubungsregelungen bei kranken Kindern.
Für viele Außenstehende und auch für potentielle Lehrkräfte scheint die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an den Schulen geradezu paradiesisch zu sein: Lehrkräfte und Kinder haben meist zeitgleich Ferien, Teilzeitanträge und Beurlaubungen würden routinemäßig genehmigt. Da ein Großteil der Arbeitszeit zu Hause erledigt wird, lasse sich die Kinderbetreuung „quasi nebenbei“ erledigen – so das Vorurteil.
Schaut man genauer hin, zeigt sich ein anderes Bild: Ein volles Deputat ist für viele Kolleginnen und Kollegen schon ohne Familienaufgaben kaum machbar. Vereinbarkeit von Kindern und Dienst bedeutet häufig eine Entscheidung für Teilzeit, auch unterhälftig, was zeitliche Spielräume schafft, aber finanzielle einengt. Insbesondere die Pensionsansprüche werden empfindlich geschmälert. Dies lässt sich im regulären Dienst nicht mehr korrigieren. Die Einschnitte sind von Dauer.
Ist Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Frauenthema? Nein. Natürlich nicht! Auch viele Väter nehmen Elternzeit, arbeiten in Teilzeit und verzichten auf Bewerbungen für Funktionsstellen und damit auf Karrierechancen.
Wie reagiert das Land auf die Veränderungen in Kollegien und Gesellschaft? Mütter und Väter dürfen zwar „zu Hause bleiben“. Aber trotz der Vielzahl an Anträgen auf Eltern- und Teilzeit haben die Schulen kaum personelle Ausstattung erhalten, um die Beurlaubungsphasen ohne massive Mehrbelastung für die Kollegien zu stemmen.
Häufig werden dann gerade die Teilzeitkräfte gefragt, ob sie beispielsweise für zwei Monate „aufstocken könnten“ – die Vollzeitkräfte seien ja sowieso ausgebucht. Aber auch die Vollzeitkräfte, teilweise selber in der Elternphase, werden zusätzlich belastet. Einerseits ist nachvollziehbar, dass Teilzeitkräfte einen ihrer Situation angemessenen Stundenplan erhalten. Schließlich verzichten sie auf Geld und haben gute Gründe, weniger an der Schule präsent zu sein. Andererseits häufen sich die Hohlstunden bei Vollzeitkräften, zum Teil auch der Nachmittagsunterricht, weil Teilzeitkräfte kompaktere Stundenpläne erhalten sollen. Aber auch das gelingt immer seltener.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf – wenn dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Das ist Realität an den Schulen: Stundenpläne, die auf alle berechtigten Anträge Rücksicht nehmen, sind aufgrund der Altersstruktur der Kollegien kaum möglich. Es sind aber oft nicht dienstliche Belange, die entgegenstehen, sondern strukturelle Defizite, die der Dienstherr kennt, aber nicht beseitigt.
Chancengleichheit an unseren Schulen bedeutet Machbarkeit: In allen Lebensphasen und Besoldungsstufen muss es für Frauen und Männer gleichermaßen möglich sein, ihren Dienst zu erfüllen und dennoch ein Privatleben zu haben!
Resolution der PhV-Vertreterversammlung zur Gleichstellung von Dezember 2021 (PDF)
Informationen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Elterngeld und andere Fragen, die Bundesgesetze betreffen, werden auch unter
www.familienwegweiser.de und www.elterngeld-plus.de beleuchtet.
Auch die für die Zahlung des Elterngelds in Baden-Württemberg zuständige Landeskreditbank informiert: www.l‑bank.de/elterngeld