57. Internationales Bodenseetreffen 2016 widmete sich dem Thema “Wege der Integration im Bildungssystem”

13. Oktober 2016

 

Lehrkräfte Höher­er Schulen aus Deutsch­land, Öster­re­ich und der Schweiz beschäftigten sich bei ihrem 57. Bodensee­tr­e­f­fen in Friedrichshafen mit diesem zen­tralen The­ma der heuti­gen Gesellschaft – Engage­ment aller europäis­chen Staat­en erforder­lich

Die große Her­aus­forderung der Inte­gra­tion von Geflüchteten und von Men­schen mit Migra­tions­geschichte ist von einem Land alleine nicht zu bewälti­gen. Deshalb informierten sich die Lehrerin­nen und Lehrer an Höheren Schulen aus Baden-Würt­tem­berg, Bay­ern, Öster­re­ich, der Schweiz und Liecht­en­stein am 8. und 9. Okto­ber in Friedrichshafen über dieses gemein­same The­ma.

Die Schullei­t­erin des Deutschor­den-Gym­na­si­ums in Bad Mer­gen­theim, Sabine Rühtz, stellte in ihrem Ein­gangsrefer­at “Inte­gra­tion aus­ländis­ch­er Schüler ohne aus­re­ichende Deutschken­nt­nisse” das an ihrer Schule einge­führte Inte­gra­tionskonzept vor. Hier wer­den geeignete Schü­lerin­nen und Schüler direkt in die Regelk­lassen am Gym­na­si­um aufgenom­men und zusät­zlich zum Fachunter­richt beglei­t­end in Deutsch von beson­ders geschul­ten Fachkräften unter­richtet. Die Auf­nahme von geeigneten Schü­lerin­nen und Schülern in die Regelk­lassen eines Gym­na­si­ums sei immer dann von Erfolg begleit­et, berichtete Sabine Rühtz, wenn neben dem Zusatzun­ter­richt in Deutsch auf ver­schiede­nen Niveaustufen auch eine indi­vidu­elle Förderung im Fachunter­richt erfolge – bei­des gelinge nur, wenn dafür geeignete Fachkräfte zusät­zlich zur Ver­fü­gung stün­den. Bernd Saur, Vor­sitzen­der des gast­geben­den Philolo­gen­ver­bands Baden-Würt­tem­berg, beze­ich­nete das in Bad Mer­gen­theim entwick­elte Konzept als “ein wichtiges Beispiel, das aufzeigt, wie bedeut­sam die inten­sive indi­vidu­elle Begleitung und Betreu­ung beim Eingliederung­sprozess ist.”

Stephanie Met­zger aus Wien stellte die vom Öster­re­ichis­chen Inte­gra­tions­fonds unter­nommene Ini­tia­tive “ZUSAMMEN:ÖSTERREICH” vor, die Pro­jek­te und Work­shops an Schulen mith­il­fe von “Inte­gra­tions­botschaftern” – in Gesellschaft und Beruf erfol­gre­ichen Per­so­n­en mit Migra­tions­geschichte – durch­führt. Mehr als 300 gut inte­gri­erte Migranten aus Sport, Wirtschaft, Handw­erk und Kul­tur, aber auch “Helden von nebe­nan”, gehen in die Schulen und sprechen über ihre Erfahrun­gen, um Vorurteile abzubauen und Moti­va­tion aufzubauen. Das kann auch durch musis­che, sportliche oder kün­st­lerische Aktiv­itäten geschehen, bei denen jed­er sehen könne, dass es auf die Fähigkeit­en des Einzel­nen ankomme – und nicht auf deren Herkun­ft. “Eine Ini­tia­tive, der es gelingt, unter Schülern mit Migra­tionsh­in­ter­grund Moti­va­tion zu schaf­fen und Vorurteile gegenüber Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund abzubauen”, beschrieb der Vor­sitzende der Öster­re­ichis­chen Pro­fes­sore­nunion Ger­hard Riegler die erfreulichen Rück­mel­dun­gen, die er erhalte.

Min­is­te­rialdirek­tor Her­bert Püls vom Bay­erischen Bil­dungsmin­is­teri­um gab einen Überblick über Bil­dungsange­bote für Asyl­be­wer­ber und Flüchtlinge in Bay­ern und zeigte die enor­men Anstren­gun­gen des Staates bei der Organ­i­sa­tion und Finanzierung von Bil­dungsin­te­gra­tion auf. Am ver­bre­it­et­sten sei, dass in geson­derten Über­gangsklassen zunächst Deutschken­nt­nisse ver­mit­telt wer­den — aber auch erste Ein­sicht­en in unser Rechts- und Wirtschaftssys­tem und in unsere Geschichte. Danach wer­den die Schüler auf für sie geeignete Schu­larten verteilt. Daneben lässt Bay­ern auch den anderen in Bad Mer­gen­theim eingeschla­ge­nen Weg zu, Schü­lerin­nen und Schüler direkt in ein­er Real- oder Beruf­ss­chule oder in einem Gym­na­si­um in Regelk­lassen aufzunehmen und beglei­t­end in Deutsch zu unter­richt­en. Für bei­de Wege zusam­men investierte Bay­ern allein im let­zten Jahr zusam­men 160 Mil­lio­nen Euro. Für den Vor­sitzen­den des Bay­erischen Philolo­gen­ver­bands Max Schmidt war dabei Püls’ Aus­sage, dass es “auf Flex­i­bil­ität, Geduld und den Mut, neue Wege zu gehen, ankommt” “beson­ders bestärk­end”.

Den Festvor­trag am Son­ntag hielt der frühere Bürg­er­meis­ter von Neukölln in Berlin, Heinz Buschkowsky, der seine Erfahrun­gen mit der Inte­gra­tion darstellte. Buschkowsky machte deut­lich, dass Deutsch­land angesichts sein­er niedri­gen Geburten­rate auf Zuwan­derung angewiesen sei – ob es uns gefalle oder nicht. Ohne Inte­gra­tion sei ein Leben in Wohl­stand nicht möglich und ohne Bil­dung sei Inte­gra­tion nicht möglich. So kam Buschkowsky auf die beson­dere Rolle der Lehrer bei der Inte­gra­tion von Flüchtlingskindern zu sprechen, ins­beson­dere wie wichtig es sei, neben der Sprache auch unser Wertesys­tem zu ver­mit­teln. Dabei sah Buschkowsky die Kinder­gartenpflicht und die Ganz­tagess­chule als Mit­tel erster Wahl an. In leb­hafter Diskus­sion mit seinen Zuhör­ern wurde deut­lich, wie unter­schiedlich doch die Sit­u­a­tion je nach Region ist – Ganz­tagss­chulen als Ange­bot in Prob­lem­re­gio­nen, aber anson­sten auch der Wun­sch der Eltern, ihre Kinder am Nach­mit­tag doch eher zu Hause oder in den Vere­inen statt in der Schule zu sehen.

In allen Beiträ­gen der vier Ref­er­enten wurde deut­lich, dass Inte­gra­tion erfol­gre­ich sein müsse, da anson­sten unsere Sozial­sys­teme die Zuwan­derung nicht wer­den verkraften kön­nen. Die drei Vor­sitzen­den der ver­anstal­tenden Ver­bände waren sich einig, dass die Arbeit der Einzelschule, das bürg­er­schaftliche Engage­ment und die staatliche Organ­i­sa­tion und Finanzierung gemein­sam die Grund­lage für gelin­gende Inte­gra­tion im Bil­dungssys­tem darstellen. Beispiel­hafte Aktiv­itäten wie die im Rah­men der Tagung vorgestell­ten dürften sich aber nicht auf die Bodenseean­rain­er­staat­en beschränken, son­dern müssen in allen Län­dern, ja in allen europäis­chen Staat­en umge­set­zt wer­den. Entsprechend ver­ste­hen sich die Träger des Bodensee­tr­e­f­fens hier als Sprachrohr aller Lehrkräfte in Europa.

Ger­hard Riegler, Vor­sitzen­der der Öster­re­ichis­chen Pro­fes­soren Union (www.oepu.at)
Bernd Saur, Vor­sitzen­der des Philolo­gen­ver­ban­des Baden-Würt­tem­berg (www.phv-bw.de)
Max Schmidt, Vor­sitzen­der des Bay­erischen Philolo­gen­ver­ban­des bpv (www.bpv.de)

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den über 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt über 8.700 im Ver­band organ­isierte Lehrerin­nen und Lehrer an den 446 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der rund 27.000 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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