Der Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) nimmt als Verband der gymnasialen Lehrkräfte wie folgt Stellung zum Beschluss des Landesparteitags der SPD zur Wahlfreiheit zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium (G8 und G9):
8. Juli 2019
Stuttgart, 8. Juli 2019
Az. 1911 / 2019–13
Der Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) nimmt die Positionierung der Landes-SPD erfreut zur Kenntnis. Seit der überstürzten Einführung von G8 im Jahr 2003 mit allen seitdem entstandenen Problemen fordert der Philologenverband als Verband der Gymnasiallehrkräfte schon die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9. Deswegen begrüßen wir es ausdrücklich, dass die SPD sich jetzt dieser Forderung angeschlossen hat.
Keines der Ziele von G8 wurde erreicht: Die G8-Schülerinnen und ‑Schüler beginnen in der Mehrheit mitnichten ein Jahr früher das Studium, sondern verwenden das „gewonnene“ Jahr häufig für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), ein Jahr Work and Travel oder schlicht Reisen, um sich erst einmal selbst zu finden und außerhalb der Schule zu orientieren.
Mit G8 wurden die Gymnasien de facto in Ganztagsschulen umgewandelt. Daraus folgte ein massiver Rückgang der aktiven Teilnahme in Sportvereinen, Musikschulen usw. Die meisten Schülerinnen und Schüler werden durch die Leistungsanforderungen im G8 so beansprucht, dass ihnen wenig Zeit für Dinge außerhalb der Schule bleibt. Dies ist nicht altersangemessen!
Das einzige, was eingetreten ist, ist eine Kostenreduzierung. Diese wurde aber mit einer deutlichen Senkung des gymnasialen Niveaus in Baden-Württemberg erkauft. Wenn das Land der Tüftler und „Käpsele“ weiter im Wettbewerb der Weltwirtschaft führend bleiben will, ist aber nicht eine Niveausenkung, sondern eine Niveauerhöhung in der Bildung das, was Not tut.
Das System eines G9 als Basismodell mit G8-„Schnellläuferklassen“ für die besonders begabten ca. 20 % der Schülerinnen und Schüler, wie es in Baden-Württemberg bis 2003 sehr erfolgreich praktiziert wurde, sollte für die bildungspolitischen Diskussionen der kommenden zwei Jahre nach Ansicht des PhV richtungsweisend sein.
Der PhV fordert zudem: Eine Wiedereinführung von G9 muss mit zusätzlicher Lernzeit verbunden sein — mindestens in dem Umfang des „alten“ G9 vor 2003.
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.