Gymnasiallehrerverband unterstützt Forderungen des Landeselternbeirats nach kleineren Klassen und mehr Lehrkräften
6. November 2020
Der Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) begrüßt die Aussagen des Vorsitzenden des Landeselternbeirats Michael Mittelstaedt, der sich für eine Senkung des Klassenteilers und für mehr Lehrerinnen und Lehrer ausgesprochen hat. „Wir freuen uns sehr, dass die Eltern diese vom PhV schon seit langem vertretene Position teilen: Sie ist sowohl zum Schutz vor Covid-19-Infektionen (Abstand halten bei geringen Raumgrößen) wie auch aus pädagogischen Gründen (intensivere Betreuung) nur vorteilhaft“, so der PhV-Landesvorsitzende Ralf Scholl.
Eine Senkung des Klassenteilers an den Schulen ist nach Ansicht des Verbands der Gymnasiallehrkräfte schon seit langem überfällig. „Neuere wissenschaftliche Studien zeigen deutlich den positiven Einfluss kleinerer Gruppen auf den Lernerfolg der Schüler in Fächern wie Deutsch und Mathematik und auf eine Verringerung der Klassenwiederholungen“, erklärt Ralf Scholl. Nach den Erkenntnissen der Berliner DIW-Studie von 2018 könnten sich kleinere Klassen von weniger als 20 Schülern deshalb volkswirtschaftlich gesehen trotz der notwendigen Mehrkosten binnen 20 Jahren auch für das Land „rechnen“.
In der Schulpraxis eindrucksvoll bestätigt sieht der PhV-Landesvorsitzende diese Erkenntnisse durch die Erfahrungen aus dem Wechsel zwischen Präsenz- und Fernunterricht während der Corona-Pandemie: „Es hat sich gezeigt, dass der Präsenz-Unterricht in kleinen Gruppen mit ca. 15 Schülern viel intensiver und effektiver war: Es gab aufgrund des Abstands von 1,50 Metern praktisch keine Unterrichtsstörungen mehr. Die Lehrkräfte konnten viel besser auf die einzelnen Kinder eingehen, und eher zurückhaltende Kinder und Jugendliche konnten sich deutlich besser einbringen“, argumentiert Ralf Scholl.
Der Landtag von Baden-Württemberg hat sich bereits am 13. Juni 1979 dafür ausgesprochen, „die bisherige Politik der schrittweisen Verringerung der Klassenstärken in den Schulen des Landes konsequent fortzusetzen“ (s. Landtags-Drucksache 16/8376). „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass auch über 40 Jahre nach diesem Beschluss der Klassenteiler an den Gymnasien immer noch bei 30 Schülern liegt“, kritisiert der PhV-Landesvorsitzende. Aufgrund der an den Gymnasien praktizierten Schülerlenkung werde diese maximale Kapazität in fast allen fünften Klassen erreicht bzw. sogar überschritten.
„Ein Unterricht, der an den Bedürfnissen, Begabungen und Leistungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler ausgerichtet ist, wie ihn das Schulgesetz von Baden-Württemberg vorsieht, ein Unterricht, der individuell auf die Kinder und Jugendlichen eingeht, ist in den ⅔ aller gymnasialen Klassen mit Klassengrößen von mehr als 26 Schülern praktisch unmöglich, obwohl vom Kultusministerium und der Politik seit über zehn Jahren die Binnendifferenzierung als Mittel der Wahl angepriesen wird“, so Ralf Scholl.
„Wir erwarten von der Landesregierung mehr, als nur hehre Ziele zu postulieren. Sie muss nach Jahrzehnten endlich auch die Rahmenbedingung für deren Umsetzung schaffen.“
Zudem würde eine Verringerung von Klassenteiler und Kursgrößen zu einer effektiven Entlastung der Lehrkräfte beitragen.
Klar ist für den Philologenverband, dass eine Absenkung des Klassenteilers mit der Einstellung von zusätzlichen Lehrkräften einher gehen muss. „Für mehr Klassen und Kurse werden natürlich auch entsprechend mehr Lehrerinnen und Lehrer benötigt“, so Ralf Scholl. Dies wäre aus Sicht des Verbands der gymnasialen Lehrkräfte eine entscheidende Investition in die Zukunft unseres Landes. „Jeder Euro, der sinnvoll (!) in eine bessere Bildung für unsere Kinder und Jugendlichen gesteckt wird, ist gut angelegt – und später fließt ein Vielfaches in Form höherer Steuereinnahmen ins Staatssäckel zurück. Das rechnen uns alle Bildungsökonomen vor“, betont der PhV-Landesvorsitzende abschließend.
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.