Pressemitteilung des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW) zu den neuen Corona-Maßnahmen des Kultusministeriums
11. Dezember 2020
* Philologenverband: „Unzureichende Corona-Maßnahmen des Kultusministeriums für die Schulen sind gescheitert“
* PhV-Landesvorsitzender Ralf Scholl: „Das ‚Zu wenig, zu spät!‘ muss endlich enden! – Eine klare und nachhaltige Strategie bis Sommer 2021 muss her!“
* Forderung nach unverzüglichem Wechselbetrieb an allen weiterführenden Schulen ab Klasse 7
Immer noch bemüht sich das baden-württembergische Kultusministerium krampfhaft, die Schulen vollständig offen zu halten. Für den Landesvorsitzenden des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW), Ralf Scholl, zeichnet sich immer deutlicher ab, dass diese Politik gescheitert ist.
Die Weigerung der Kultusministerin, frühzeitig oder wenigstens rechtzeitig auf einen Wechselbetrieb aus Präsenzunterricht und Übungsphasen zu Hause umzustellen – die entsprechende Empfehlung des RKI ab einer Inzidenz von 50 gibt es seit dem 12.10.2020 – führt jetzt dazu, dass in Pforzheim und Heilbronn einzelne Jahrgänge komplett auf Fernunterricht umstellen. Genau das hätte nach Einschätzung des PhV-Landesvorsitzenden durch einen rechtzeitigen Wechselbetrieb vermieden werden können.
Ralf Scholl erklärt: „Das Land wird sich jetzt – mit Fernunterricht in immer mehr Kreisen – in die Weihnachtsferien ´retten´. Und wie geht es dann ab Januar weiter? Die Kultusministerin muss endlich eine nachvollziehbare und sichere Langzeitstrategie für alle Schulen bis zum Sommer vorlegen. Vor dem Sommer wird es keinen ausreichenden Impfschutz geben – so lange wird uns das Corona-Problem auch an den Schulen begleiten.“
Der PhV BW wiederholt deshalb seine Forderung nach Wechselunterricht mit halben Klassen ab Klassenstufe 7 in allen Kreisen mit einem Inzidenzwert über 50. Ein Verzicht auf die wichtigste der AHAL-Regeln – den Abstand – wäre nur dann möglich, wenn durch den flächendeckenden Einsatz von Raumluftreinigern keine Aerosole in der Luft wären und deshalb keine Gefahr mehr bestünde.
„Ich bin davon überzeugt, dass der Präsenzunterricht mit vollen Klassen und die überfüllten Schulbusse und ‑bahnen dazu beigetragen haben, dass sich das Corona-Virus munter weiterverbreiten konnte. Die gestern vom KIT veröffentlichte Studie „Signifikanter Effekt von Schulschließungen“ (siehe: https://www.kit.edu/kit/pi_2020_114_signifikanter-effekt-von-schulschliessungen.php) bestätigt das. Die kurzsichtige und restriktive Haltung der Kultusministerin führt jetzt zunehmend dazu, dass in immer mehr Kreisen ab Klasse 8 auf Fernunterricht umgestellt wird, wobei die beiden Kursstufen-Jahrgänge an den Gymnasien weiterhin in voller Klassenstärke in den Präsenzunterricht gehen müssen“, so Ralf Scholl: „Logisch ist das nicht!“ Mit einem kontinuierlichen Wechselbetrieb wären Schulschließungen zu vermeiden.
Bei einer Inzidenz von über 300 im Kreis ist mittlerweile ab den achten Klassen mit Ausnahme der Abschlussklassen bzw. Jahrgangsstufen nur noch Fernunterricht vorgesehen. Trotz dieses viel zu hohen Grenzwerts gibt es in Baden-Württemberg mit Pforzheim und Heilbronn bereits zwei Kreise, in denen dieses Limit überschritten wird. Es ist davon auszugehen, dass weitere Kreise in den nächsten Tagen folgen werden.
Seit 09.12.2020 können ab einer Inzidenz von 200 (dauerhaft während einer Woche im Kreis) die Schulleitungen einen Antrag auf Unterricht im Wechselsystem stellen. „Bereits am ersten Tag haben mehr als 20 Schulen einen solchen Antrag gestellt“, erklärt der PhV-Landesvorsitzende. Dass diese Anträge aber erst in mühseliger Absprache zwischen Gesundheitsamt und Schulverwaltung genehmigt werden müssen (die Schule muss durch nachgewiesene positive Testungen auch „betroffen“ sein), ist nach Einschätzung von Ralf Scholl „eine unsinnige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die ohnehin überlasteten Beteiligten“. „Man gewinnt den Eindruck, dass das Genehmigungs-verfahren in erster Linie dazu dienen soll, die Einführung eines Wechselsystems möglichst zu erschweren“, konstatiert der PhV-Landesvorsitzende.
Er fragt: „Wann hält im Kultusministerium in Stuttgart endlich der Realismus Einzug?“ In Baden-Württemberg befindet sich sowohl die Inzidenz (Stand 11.12.2020: 168 landesweit) als auch die Positivrate bei den Tests auf Rekordniveau – mit weiter steigender Tendenz.
„Die zunehmende bundesweite Diskussion über einen harten Lockdown während der Weihnachtsferien zeigt, dass mittlerweile viele Bundes- und Landespolitiker begreifen, dass ein ‚weiter wie bisher‘ keine Option ist“, so Ralf Scholl. „Wann kommt diese Erkenntnis endlich auch bei Frau Dr. Eisenmann an?“
„Zu wenig zu spät“ ist noch das freundlichste, was man nach Ansicht des PhV-Landesvorsitzenden über die bisher ergriffenen Maßnahmen zum Corona-Schutz in den Schulen sagen kann. „Wir brauchen an den Schulen im Land sinnvolle und nachhaltige Lösungen, die uns so gut und sicher wie möglich durch das nächste halbe Jahr bringen! Eine kurzsichtige ‚Wird-schon-gutgehen‘-Politik wie bisher ist nicht tragfähig. Mittlerweile muss man (leider!) feststellen: Es geht eben nicht gut! Das Virus verbreitet sich überall dort, wo man es ihm ermöglicht. Mit schönen Reden lässt es sich nicht eindämmen“, erklärt Ralf Scholl abschließend.
Der PhV wiederholt deshalb seine Forderungen:
* Schneller Übergang in ein Wechselsystem mit halben Klassen ab Klassenstufe 7, bis die Inzidenz auf Kreisebene unter 50 gefallen ist oder in allen Klassenräumen Raumluftreiniger stehen oder die Lehrkräfte und Schüler geimpft sind.
* Maskenpflicht im Sportunterricht bzw. Sport nur noch im Freien oder komplette Aussetzung des Sportunterrichts, solange die Hallen nicht vernünftig belüftet werden können und es keine Raumluftreiniger gibt.
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.