Pressemitteilung des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW) zur neuen Corona-Verordnung Schule
9. Dezember 2020
* Philologenverband bewertet Corona-Verordnung Schule als „unzureichend“
* Forderung nach flächendeckendem Wechselunterricht ab Klasse 7, um Komplettschließungen zu vermeiden
* Leopoldina-Forderungen bestärken die PhV-Positionen
Der Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) begrüßt, dass in der neuen Version der Corona-Verordnung Schule endlich zusätzliche (Minimal-)Maßnahmen für Kreise mit einer Inzidenz größer 200 ermöglicht wurden, als „kleinen Schritt in die richtige Richtung“. Der Verband der gymnasialen Lehrkräfte kritisiert aber, dass im „Musterländle“ für die juristische Umsetzung der – für Schulen ohnehin minimalen – Bund-Länder-Beschlüsse vom 25.11.2020 fast zwei Wochen Zeit vergeudet wurden.
Darüber hinaus moniert der PhV-Landesvorsitzende Ralf Scholl diese Maßnahmen als „absolut nicht ausreichend“ und fordert die Landesregierung auf, die RKI-Empfehlung vom 12.10.2020 endlich umzusetzen und ab Klasse 7 der weiterführenden Schulen sofort auf einen Wechselbetrieb von Präsenz- und Fernunterricht umzuschalten, bis die Inzidenz im Kreis wieder unter 50 gesunken ist.
Seit der Veröffentlichung der Empfehlungen des RKI für den Corona-Schutz an Schulen am 12.10.2020 ist klar, dass die obersten deutschen Infektionsschützer ab einer wöchentlichen Inzidenz von 50/100.000 pro Kreis einen Wechselunterricht mit halben Klassen für weiterführende Schulen empfehlen. „Die weiterhin sehr hohen und landes- und bundesweit immer noch (langsam) steigenden Fallzahlen zeigen, dass die bisherigen Maßnahmen des „Lockdown light“ schlicht nicht ausreichen, um die Ausbreitung von Corona zu vermindern“, so Ralf Scholl.
Die gestrigen Forderungen der nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina aufgrund der jüngsten Entwicklung der Fallzahlen beinhalten ja sogar eine Aussetzung der Schulpflicht bereits in der kommenden Woche. „Die Kultusministerin muss den Ernst der Lage endlich anerkennen und wirksame Maßnahmen für den Gesundheitsschutz aller am Schulleben Beteiligten – der Lehrkräfte und der Schüler – sowie deren Familien treffen“, fordert der PhV-Landesvorsitzende.
„Mehr als fünf Superspreader-Events an Schulen strafen das Mantra der deutschen Kultusminister Lügen, die Schulen seien keine Treiber der Infektion“, so Scholl. „Jugendliche ab dem Teenageralter sind ebenso ansteckungsgefährdet und ebenso ansteckend wie Erwachsene. Da sie häufiger symptomfrei sind, sind Übertragungen durch sie im Familien- und Freundeskreis und unter Mitschülern sogar deutlich wahrscheinlicher – getestet werden ja seit Anfang November nur noch Personen mit Symptomen“, stellt Ralf Scholl fest.
Nur mit einem rollierenden System kann an den Schulen im Präsenzunterricht ein Mindestabstand zwischen den Jugendlichen gewährleistet werden. Ein solcher Wechselbetrieb mit halben Klassen, abwechselnd in Präsenz und mit Aufgaben zur Vertiefung und Übung zuhause, hat sich im letzten Schuljahr an vielen Schulen bewährt. Da er nicht digital abgestützt werden muss, ist eine mangelhafte Hardwareausstattung bzw. ein schlechter Netzwerkzugang dafür auch kein Hinderungsgrund. Zudem ist der Mehraufwand für die Lehrkräfte begrenzt und damit dauerhaft leistbar. „Das ist für uns eine entscheidende Voraussetzung, da viele Lehrkräfte sich bereits am oder jenseits des Limits an Dauer-Arbeitsbelastungen befinden“, betont der PhV-Vorsitzende.
Viele Schüler, Eltern und Lehrkräfte haben bestätigt, dass das Präsenzlernen in Gruppen von 12–15 Schülerinnen und Schülern sehr viel effektiver war als der Unterricht in der ganzen Klasse. Auch wenn die häuslichen Übungsphasen ohne Betreuung natürlich bei weitem nicht so effektiv waren wie Unterricht in der Schule, war der gesamte Lernerfolg doch ähnlich hoch.
„Mit einem solchen Wechselbetrieb könnte die Komplettschließung von Schulen mit all ihren negativen Begleiterscheinungen dauerhaft verhindert werden. Die Jugendlichen behalten eine regelmäßige Anbindung an die Schule und ihre Sozialkontakte in der Schule. Zudem werden durch die halben Klassen schlagartig die z.T. unhaltbaren Zustände bei der Schülerbeförderung (überfüllte Busse und Bahnen) beseitigt“, erklärt Ralf Scholl.
Der PhV fordert deshalb:
* Zeitnahe flächendeckende Einrichtung von Wechselunterricht mit halber Klassenstärke ab Klasse 7, bis eine Inzidenz von 50 unterschritten wird, wie dies vom RKI seit Mitte Oktober empfohlen wird!
* Auch im Unterricht sind die Abstandsregeln zur Vermeidung von Ansteckungen einzuhalten!
Im Hinblick auf die Corona-Impfstrategie spricht sich der Verband der Gymnasiallehrkräfte zudem dafür aus, Lehrerinnen und Lehrer möglichst frühzeitig die Möglichkeiten für eine Impfung zu geben. „Angesichts der zwischen 150 und 350 Schüler, mit denen jede Lehrkraft täglich mindestens 45 Minuten im gleichen Raum ist, bedürfen sie eines frühen Impfschutzes zur Eindämmung der Pandemie“. Die vorgelegten Vorschläge der StIKO (Ständigen Impfkommission) berücksichtigen ausschließlich den Schutz der Betroffenen, nicht aber die Folge-Auswirkungen auf die Weiterausbreitung der Epidemie.
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.