Pressemitteilung des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW) zur Situation an den Schulen und zur Diskussion um eine mögliche Verlängerung der Weihnachtsferien: Philologenverband fordert wirksame Maßnahmen statt Geisterdebatten
14. Oktober 2020
- PhV-Vorsitzender Ralf Scholl spricht sich für klare Leitlinien für Schulen aus
- „Übergang zum rollierenden System in Risikogebieten in Erwägung ziehen“
Der Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) stimmt Kultusministerin Dr. Eisenmann und Ministerpräsident Kretschmann zu: Die Diskussion um eine Verlängerung der Weihnachtsferien ist eine medienwirksame, aber völlig wirklichkeitsfremde Geisterdebatte. Statt über solche Vorschläge zu diskutieren, die kein einziges Problem an den Schulen lösen, müssen endlich wirksame Maßnahmen ergriffen werden: Die Schulen müssen für Schüler und Lehrkräfte sicher gemacht werden, damit sie geöffnet bleiben können, und dazu muss Geld im Rahmen des Nachtragshaushalts in die Hand genommen werden.
„Wichtig und sinnvoll ist vorrangig die Anschaffung von Raumluftreinigern“, erklärt der PhV-Landesvorsitzende Ralf Scholl. „Die Fenster können im Winter aufgrund der Auskühlung eben nicht alle 20 Minuten für 3 bis 5 Minuten zum Durchzug geöffnet werden – das verwandelt die Klassenzimmer in Kühlräume. Dass beim Lüften in 20-Minuten-Intervallen viel Unterrichtszeit verloren geht, ist auch kein Pluspunkt. Und in ca. 10 % der Räume lassen sich die Fenster nach wie vor nur kippen oder gar nicht öffnen.“
Insbesondere in „Risikokreisen“ mit einer Inzidenz von über 50 Fällen pro 100.000 Einwohner muss nach Ansicht des PhV-Landesvorsitzenden für die Schulen über einen Wechsel zum „rollierenden System“ mit halben Klassen unter Einhaltung des Abstandsgebots nachgedacht werden.
„Problematisch sind in solchen Risikogebieten aber bislang weniger die Schulen als ein viel zu häufig unverantwortliches Freizeitverhalten“, betont Ralf Scholl. In allen täglichen Situationsberichten des RKI sei seit Wochen zu lesen: „Fallhäufungen werden insbesondere beobachtet im Zusammenhang mit Feiern im Familien- und Freundeskreis…“
Und von vielen Schulen gebe es mittlerweile Rückmeldungen wie:
„Wir sind machtlos gegen die Infektionseintragungen von außen: Bei uns haben sich bisher sämtliche positiv getesteten Schülerinnen und Schüler in der Familie, im Sportverein, in der Jungschar oder bei Parties angesteckt.“
„Das bedeutet im Umkehrschluss: Solange im gesamten Privat- und Freizeitbereich keine strengeren Regeln gelten, haben Regelungen in allen anderen Bereichen nur begrenzte Wirkung“, so der PhV-Landesvorsitzende.
Das Hygienekonzept der Schulen, das im Spätsommer und Frühherbst noch einigermaßen funktioniert hat, muss für den Winter unbedingt überprüft werden:
„Die Schulen sind der einzige öffentliche Bereich, in dem auf die AHA-Regeln (Abstand – Hygiene – Alltagsmaske) verzichtet wird: kein Abstand und keine Maske im engen Klassenzimmer, sondern nur auf den Gängen“, moniert Ralf Scholl. Und fürs Händewaschen fehle es in allen Schulen am warmen Wasser. Vielfach gebe es auch kein Waschbecken im Klassenzimmer.
Maskenverweigerer mit dubiosen „Attesten“ wurden bislang ohne Sanktionen geduldet.
Da die sog. „Kohorte“ in den weiterführenden Schulen oft den ganzen Jahrgang umfasst, sei es ein echtes Glücksspiel, welche Klassenstufe mit den dazugehörigen Lehrkräften als nächstes von der Quarantäne betroffen ist, erklärt Ralf Scholl.
Binnen 18 Schultagen befanden sich bereits 444 Klassen(stufen) und über 2.000 Lehrkräfte in Quarantäne… und in den letzten 14 Tagen hat sich die Inzidenz in Baden-Württemberg von 1.516 auf 3.595 positive Testungen pro Woche mehr als verdoppelt. Sie lag gestern mit landesweit 32,4 nur noch knapp unter der Auslöseschwelle von 35 für die 3. Pandemie-Warnstufe.
Der Verband der Gymnasiallehrkräfte fordert daher: Es muss landesweit einen Plan für die Schulen mit einheitlichen Vorgaben geben, der klare Handlungsanweisungen bei Überschreiten der landesweiten 3. Warnstufe und bei lokaler Überschreitung einer Inzidenz von 50 gibt. „Die Entscheidung über eine Maskenpflicht im Unterricht oder über einen Übergang zum rollierenden System mit halber Klassenstärke zwecks Einhaltung des Abstands im Unterricht darf nicht von Zufällen oder Präferenzen lokaler Entscheidungsträger abhängen. Dass Stuttgart die Maskenpflicht an den Schulen einführt, Esslingen trotz noch höherer Inzidenz aber nicht, ist doch ein schlechter Witz! Dafür bedarf es klarer Richtlinien!“, fordert der PhV-Landesvorsitzende.
„Das Land hat die gesetzliche Fürsorgepflicht gegenüber den Schülern und Lehrkräften. Es muss dafür Sorge tragen, dass alles Notwendige und Machbare für die Gesundheit seiner Bürger getan wird!“
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.