Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) befürwortet Inklusion im Rahmen zielgleichen Lernens, lehnt aber die Einführung von Inklusion im Rahmen eines zieldifferenten Lernens für das Gymnasium ab

9. April 2015

Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg (PhV BW) befür­wortet Inklu­sion im Rah­men ziel­gle­ichen Ler­nens, lehnt aber die Ein­führung von Inklu­sion im Rah­men eines zield­if­fer­enten Ler­nens für das Gym­na­si­um ab

Die Anhörungsphase mit Gele­gen­heit zur Stel­lung­nahme zum Entwurf ein­er Änderung des Schulge­set­zes für Baden-Würt­tem­berg bezüglich inklu­siv­er Bil­dungsange­bote endete mit dem 8. April 2015. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg hat seine Posi­tion zur geplanten Geset­zesän­derung dem Kul­tus­min­is­teri­um gegenüber aus­führlich dargelegt. Der PhV BW befür­wortet Inklu­sion im Rah­men ziel­gle­ichen Ler­nens, die seit Jahrzehn­ten mit großem Engage­ment der Lehrkräfte in vie­len Einzelfällen dazu führt, dass Jugendliche trotz son­der­päd­a­gogis­chem Förderbe­darf an Gym­nasien erfol­gre­ich das Abitur able­gen kön­nen.

Die Inklu­sion von Schü­lerin­nen und Schülern mit Behin­derun­gen am Gym­na­si­um ist im Hin­blick auf das Kindeswohl nach Ansicht des PhV BW nur für diejeni­gen Schü­lerin­nen und Schüler sin­nvoll, die dem gym­nasialen Bil­dungs­gang fol­gen kön­nen, d. h. für Schü­lerin­nen und Schüler mit kör­per­lichen Behin­derun­gen (z. B. Seh‑, Hör- oder Gehbe­hin­derun­gen), leicht­en geisti­gen Behin­derun­gen oder spez­i­fis­chen Ver­hal­tens­dis­po­si­tio­nen wie z.B. Autismus, die durch beson­dere Geräte, die Hil­fe son­der­päd­a­gogis­ch­er Fachkräfte oder spezieller Maß­nah­men aufge­fan­gen wer­den kön­nen, sodass diese Schü­lerin­nen und Schülern den Weg in Rich­tung all­ge­meine Hoch­schulreife beschre­it­en kön­nen. 

Nach der von der grün-roten Lan­desregierung geplanten Änderung des Schulge­set­zes sollen Eltern eines behin­derten Kindes zukün­ftig wählen kön­nen, ob ihr Anspruch auf ein son­der­päd­a­gogis­ches Bil­dungsange­bot an ein­er all­ge­meinen Schule oder einem son­der­päd­a­gogis­chen Bil­dungs- und Beratungszen­trum (bish­erige Son­der­schulen) erfüllt wer­den soll. Dabei sollen die Bil­dungsziele und Leis­tungsan­forderun­gen eines Schülers mit Anspruch auf ein son­der­päd­a­gogis­ches Bil­dungsange­bot von denen der besucht­en all­ge­meinen Schule abwe­ichen kön­nen (zield­if­fer­enter Unter­richt).

Der PhV BW lehnt die Ein­führung von Inklu­sion im Rah­men eines zield­if­fer­enten Ler­nens für das Gym­na­si­um ab, da gym­nasiale Lehrkräfte im Rah­men eines zield­if­fer­enten Unter­richts den betrof­fe­nen stark geistig behin­derten Kindern längst nicht so gerecht wer­den kön­nen, wie dies für die speziell dafür aus­ge­bilde­ten Lehrkräfte an der Son­der­schule der Fall ist. Der PhV BW bezweifelt, dass ein durch das hohe gym­nasiale Lern­niveau und die hohe Lerngeschwindigkeit (G8) bed­ingtes weit­ge­hend isoliertes Nebeneinan­der­her-Ler­nen (es würde im Übri­gen grund­sät­zlich ein durchgängiges Zwei-Lehrer-Prinzip voraus­set­zen) geeignet ist, dem geistig behin­derten Kind das Selb­st­wert­ge­fühl und die Erfol­gser­leb­nisse zu geben, die dem Kindeswohl opti­mal entsprächen. 

Nach Ansicht des PhV BW kann die Ein­führung der Inklu­sion im Sinne eines zield­if­fer­enten Unter­richts an all­ge­meinen Schulen nicht mit der UN-Behin­derten­recht­skon­ven­tion (UN-BRK) begrün­det wer­den, die generell den Zugang zu Bil­dung und gesellschaftlich­er Teil­habe fordert, was für Kinder mit son­der­päd­a­gogis­chem Förderbe­darf in vie­len Fällen in der Son­der­schule sog­ar bess­er umge­set­zt wer­den kann als an der all­ge­meinen Schule. 

Die seit­ens des Kul­tus­min­is­teri­ums immer wieder vorge­brachte Behaup­tung, die UN-BRK bedinge zwangsläu­fig das für Baden-Würt­tem­berg vorgelegte Inklu­sion­s­ge­setz, ist falsch. Die Fehlein­schätzung beruht im Übri­gen u.a. auf ein­er “fatal­en Umdeu­tung” des englis­chen Begriffs “gen­er­al edu­ca­tion sys­tem” (wie in der Süd­deutschen Zeitung bere­its am 21.10.2014 erläutert). 

Die Lehrkräfte am Gym­na­si­um müssen laut Schulge­setz der nicht leichter gewor­de­nen Auf­gabe (Het­ero­gen­ität, G8) gerecht wer­den, Schü­lerin­nen und Schüler ihrem Ziel der all­ge­meinen Hochschul­reife entsprechend zu fördern. Die UN-BRK sieht vor, dass bei allen Maß­nah­men, die Kinder mit Behin­derun­gen betr­e­f­fen, das Wohl des einzel­nen Kindes vor­rangig zu berück­sichti­gen ist, und bei Entschei­dun­gen im Einzelfall dem Wohl der jun­gen Men­schen mit und ohne Behin­derung gle­icher­maßen Rech­nung zu tra­gen ist.

Zur Unter­stützung inklu­siv­er Bil­dungsange­bote fordert der PhV BW die Bere­it­stel­lung der notwendi­gen Ressourcen zur Senkung der Klas­sen­größen für Inklu­sion­sklassen auf max­i­mal 16 Schüler und zur flächen­deck­enden Fort­bil­dung der Lehrkräfte all­ge­mein­er Schulen mit Inklu­sion­sange­boten. Angesichts erhe­blich­er Bedenken gegen eine Ein­führung des inklu­siv­en zield­if­fer­enten Unter­richts und bis­lang fehlen­der Konzepte ist nach Ansicht des PhV BW die Umset­zung dieser Inklu­sion­spläne um min­destens ein Jahr zu ver­schieben. 

Die aus­führliche Stel­lung­nahme des PhV BW zu der von der Lan­desregierung geplanten Schulge­set­zän­derung bezüglich inklu­siv­er Bil­dungsange­bote kann unter PhVBW-zu-Schulgesetz-Inklusion.pdf nachge­le­sen wer­den.

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den über 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt über 8.400 im Ver­band organ­isierte Lehrerin­nen und Lehrer an den 446 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des. 

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der rund 27.000 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

www.phv-bw.de

Down­loads: 
Pressemit­teilung als PDF-Doku­ment
Bild des PhV BW-Vor­sitzen­den Bernd Saur

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