Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) gegen geplantes eigenständiges Fach “Wirtschaft” und gegen den Fächerverbund “Biologie, Naturphänomene und Technik” an allgemein bildenden Gymnasien
26. Oktober 2015
Der Philologenverband Baden-Württemberg unterstützt die laut Stuttgarter Zeitung vom 24. 10. 2015 ablehnende Haltung des Landeselternbeirats zu dem im Bildungsplan 2016 neu gebildeten Fach “Wirtschaft”, das “zu stark auf Wirtschaftsinteressen ausgerichtet ist”, sowie gegen den “unsinnigen” Fächerverbund “Biologie, Naturphänomene und Technik” (BNT) an Gymnasien.
Der Philologenverband Baden-Württemberg wendet sich gegen die Entkoppelung des Themas Wirtschaft von den Fächern Politik und Geographie und gegen die Anbindung der Berufs- und Studienorientierung an das neue Fach Wirtschaft. Auf die Einführung eines eigenständigen Fachs Wirtschaft sollte stattdessen verzichtet werden.
Im gymnasialen Bildungsgang ist Wirtschaft untrennbar mit den Fächern Politik und Geographie verbunden. Wirtschaftliche Fragen sollten nicht losgelöst von ihrem ethischen, sozialen und politischen Kontext unterrichtet werden. Ein eigenständiges Fach Wirtschaft ist deshalb am allgemeinbildenden Gymnasium nicht zu vertreten.
Es ist schwer verständlich, dass ausgerechnet eine grün-rote Landesregierung die jahrelangen Bestrebungen wirtschaftlicher Interessengruppen in Richtung einer Ökonomisierung der Bildung nun durch Verankerung derselben im Bildungsplan bereitwillig umsetzt.
Bernd Saur, Landesvorsitzender des PhV BW, erklärt hierzu: “Wir sind keineswegs wirtschaftsfeindlich und stehen voll und ganz hinter dem vierstündigen Hauptfach “Wirtschaft” in der gymnasialen Kursstufe. Aber ein Unterrichtsfach “Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung” (WBS) in der Mittelstufe ist aus mehreren Gründen abzulehnen, auch weil seine Einführung die bestehenden vielfältigen unterrichtsbegleitenden Aktivitäten zur Berufs- und Studienorientierung wie BOGY (Berufsorientierung am Gymnasium), Studientage, Bildungspartnerschaften mit regionalen Wirtschaftsunternehmen usw. zu ignorieren scheint.”
Der Philologenverband Baden-Württemberg wendet sich ebenso gegen die Einführung des neuen Fächerverbunds “Biologie, Naturphänomene und Technik” (BNT). Der in der Anhörung befindliche Entwurf für den Bildungsplan 2016 sieht vor, dass die bisher in den Klassen 5 und 6 unterrichteten Fächer Biologie und Naturphänomene im neuen Fächerverbund aufgehen sollen.
Der schulartübergreifende Fächerverbund soll in den Klassen 5 und 6 des Gymnasiums zwei Jahre lang Inhalte der Fächer Biologie, Physik, Chemie und Technik abdecken, wobei Technik am Gymnasium gar nicht unterrichtet wird. Angesichts der schulischen Realitäten ist absehbar, dass nicht immer der passende Fachlehrer die entsprechenden Inhalte unterrichten wird, dass fachfremder Unterricht den Lernerfolg beeinträchtigt und darüber hinaus die beteiligten Naturwissenschaften insgesamt geschwächt werden.
Schließlich besteht durch eine Verlagerung von Biologie-Standards im Bildungsplan aus der Kursstufe in die Mittel- und Unterstufe die Gefahr, dass Biologie schwerpunktmäßig zum Mittel- und Unterstufenfach wird, was die Vermittlung anspruchsvoller Inhalte erschwert, den Anschluss der Mittelstufe an die Kursstufe infrage stellt und dadurch das Fach Biologie in der Kursstufe an Bedeutung verliert.
Der PhV BW appelliert deshalb an die Landesregierung, von der Einführung des Fächerverbunds “Biologie, Naturphänomene und Technik” an Gymnasien abzusehen und den getrennten Unterricht in den bewährten Fächern Biologie und Naturphänomene in Klasse 5 und 6 der Gymnasien beizubehalten.
Vgl. auch die Gemeinsame Stellungnahme zum geplanten Schulfach Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung an allgemeinbildenden Gymnasien von PhV, GEW, ARGE (Arbeitsgemeinschaft gymnasialer Elternbeiräte) Tübingen, dem Verband der Schulgeographen und der Deutschen Vereinigung für politische Bildung DVPB.
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt über 8.500 im Verband organisierte Lehrerinnen und Lehrer an den 446 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der rund 27.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.