Mehr Mittel für bessere Bildung
7. Juli 2006
7.7.2006 / 1811 — 26–06
Philologenverband fordert beim Landesdelegiertentag in Schwäbisch Gmünd:
„Mehr Mittel für bessere Bildung“
• Mehr Investitionen für Schulen und Bildung
• Beteiligung von Eltern und Wirtschaft an einer Bildungsoffensive
Schwäbisch Gmünd. Vor rund 200 Delegierten aus allen Landesteilen Baden-Württembergs und Gästen des öffentlichen Lebens aus Politik, Schulverwaltung und Wirtschaft zog der Landesvorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW), Karl-Heinz Wurster, am Vormittag im Schwäbisch Gmünder Congress-Centrum Stadtgarten Bilanz über die zweijährige Verbandsarbeit. Kritisch nahm er Stellung zu aktuellen berufs- und bildungspolitischen Themen. Mit dem Tagungsmotto „Mehr Mittel für bessere Bildung“ rief Wurster die Landesregierung und die im Landtag vertretenen Parteien, aber auch Wirtschaft und Eltern dazu auf, bei künftig anstehenden finanziellen Entscheidungsprozessen das diesjährige Tagungsmotto „Mehr Mittel für bessere Bildung“ im Blick zu haben und Bildungsinvestitionen „Vorfahrt“ zu geben. „Wer heute den Schulen deutliche Investitionsschübe verweigert, der darf morgen nicht über Bildungsmängel und Niveauverluste der Schüler klagen“, stellte der PhV-Landesvorsitzende fest.
Karl-Heinz Wurster nannte einen breiten Katalog von berufs- und bildungspolitischen Forderungen zur deutlichen Verbesserung der Arbeits- und Lernbedingungen für Lehrer und Schüler an den Gymnasien. „Wir brauchen mehr Mittel für bessere Bildung“, so Wurster mit dem Hinweis, dass es jetzt darum gehe, bildungspolitische Grundpfeiler für die Zukunft zu setzen. Die Sparbeschlüsse dürften auf keinen Fall den Schul- und Ausbildungsbereich treffen – weder bei der Ausstattung, noch beim Personal. Auch Eltern müssten ihren persönlichen Beitrag im Rahmen ihrer ernst zu nehmenden Erziehungsverantwortung leisten. Eine Mitbeteiligung an der Finanzierung von Lernmitteln sei zumutbar. Wenn Industrie und Handwerk Wert auf gute Schulabschlüsse lege, dann sind auch Industrie- und Wirtschaftsbereiche als Abnehmer der Schulabgänger stärker an schulischer Finanzierung zu beteiligen.
Gute Durchschnitte beim jetzt gerade landesweit abgelegten Abitur bedeuten nicht unbedingt, so Wurster, dass wir bessere Abiturienten haben. Das Abiturniveau dürfe auf keinen Fall sinken, sondern müsse weiter verbessert werden; dabei sollte nicht übersehen werden, dass die Forderung nach vertiefter Allgemeinbildung und die durch gute gymnasiale Bildung garantierte Studierfähigkeit – bei einem achtjährigen Bildungsgang mit Ganztagsbetrieb – die Bereitstellung eines größeren Ressourcenkorridors an Personal und Räumen verlange. Das gelte nicht nur für einige Gymnasien an ausgewählten Schulstandorten, sondern für alle Gymnasien des Landes. Im Übrigen gilt für den Philologenverband Baden-Württemberg bezüglich des Abiturs: „Mehr Klasse als Masse – also nicht unbedingt mehr, sondern in erster Linie studierfähige Abiturienten.
Die Veränderungen nach der Einführung des achtjährigen Gymnasiums setzen für den Philologenverband voraus, dass die durch die Kultusministerkonferenz festgelegte bisherige Stundenzahl des neunjährigen gymnasialen Bildungsgangs auch für das G8 erhalten bleibt. Der Philologenverband warnt vor einer Reduktion der Jahreswochenstunden ebenso wie vor einem Stellenabbau. Wurster: „Bevor Stellen im Rahmen von Sparmaßnahmen abgebaut werden, müssen erst einmal die Klassen kleiner werden; die Zahl von maximal 28 darf nicht überschritten werden!“. Durch eine zunehmende Heterogenität der Lerngruppen sind aus Sicht des Verbandes auch Stundenpotenziale für Differenzierungsmaßnahmen notwendig. Der PhV BW spricht sich grundsätzlich für den Beginn der zweiten Fremdsprache erst in Klassenstufe 6 aus, um die Durchlässigkeit in der Orientierungsstufe zu erhalten und das Niveau der Grundschulfremdsprache zu stabilisieren.
Befürwortet werden vom PhV zentrale Prüfungsaufgaben für die Vergleichsarbeiten in Klassenstufe 6 und 8, die zentralen Klassenarbeiten in Klassenstufe 10 und das zentral gesteuerte Abitur. Die Ergebnisse dieser Prüfungen könnten auch im Rahmen von Evaluationsprozessen ausgewertet werden. Gegen Selbst- und Fremdevaluation ist aus Sicht des Philologenverbandes dann nichts einzuwenden, wenn sie nicht als Kontrollinstrument eingesetzt werden, sondern unterstützend als Mittel zur Stärkung des Bildungs- und Erziehungsauftrags und zur Verbesserung des Unterrichts..
Durch die Verlagerung personalintensiver Aufgaben von der Schulverwaltungsbehörde nach unten an die Schulen sind weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen nicht nur für die an den Gymnasien arbeitenden Schüler, Lehrer und Schulleitungen erforderlich, sondern auch für das Sekretariatspersonal und die Hausmeister – auch im Sinne einer Verbesserung des Arbeitsklimas. In diesem Zusammenhang übte Wurster heftige Kritik an den jüngsten Beschlüssen zur Steuergesetzgebung, wonach ein Lehrer-Arbeitszimmer nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden kann. Wurster: „Das ist eine finanzielle Abwertung des Lehrerberufs, der auf ein Arbeitszimmer angewiesen ist, das vom Dienstherrn nicht zur Verfügung gestellt wird.“
Im Blick auf neue Arbeitszeitmodelle und Arbeitszeitregelungen fordert der PhV, dass an einem schulartspezifischen Deputat festgehalten, die derzeitige Unterrichtsverpflichtung von 25 Unterrichtsstunden verringert und die Einrichtung eines Stundenpools für besondere Aufgaben, zum Beispiel für Schulentwicklung und Ganztagsbetreuung, eingerichtet wird.
Der Philologenverband Baden-Württemberg will auch in Zukunft die reguläre Pensionierung zum Ende des Schuljahres aus pädagogischen und organisatorischen Gründen beibehalten. Statt – wie von der Regierung geplant – das Pensionsalter mittelfristig auf 67 Jahre heraufzusetzen, fordert der Verband für die Berufsgruppe der Lehrer eine deutliche Reduktion der Unterrichtsverpflichtung ab dem 60. Lebensjahr und einen wirksamen Arbeits- und Gesundheitsschutz. Ein allmählicher gleitender Ausstieg aus dem Berufsleben und ein Wechsel zu anderen beruflichen Aufgaben muss ermöglicht werden.
Einen besonderen Stellenwert nimmt für den Philologenverband die Lehrerausbildung ein. Gefordert werden eine Lehrerausbildung mitabschließendem Staatsexamen ebenso wie eine angemessene Bezahlung der Berufseinsteiger und Leistungsanreize. „Wir müssen in den nächsten Jahren mit weiter rückläufigen Bewerberzahlen rechnen, wenn nicht heute schon gegengesteuert wird; das gilt insbesondere für die naturwissenschaftlichen Fächer an unseren Gymnasien“, warnt Wurster. „In der Ausbildung der Gymnasiallehrer wollen wir, dass das Staatsexamen als Abschluss einer Fachausbildung auch universitär bleibt; weitere Abstriche dürfen weder am 18-monatigen Referendariat noch am bisherigen Zeitrahmen des Praxissemesters gemacht werden.“
Für den Philologenverband steht fest: Die Lehrerausbildung muss mit einem angemessenen Besoldungseinstieg gekoppelt sein; neben beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten durch Beförderungsperspektiven müssen weitere Leistungselemente, die Anstrengung, Engagement und Leistung des beamteten Gymnasiallehrers anerkennen, geboten werden. Nur so kann nach Einschätzung des PhV ein Lehrermarkt mit guten Angeboten geschaffen werden. Wurster abschließend: „Die Politik ist jetzt gefordert zu handeln und deutlich mehr finanzielle Mittel für die Schulen zur Verfügung zu stellen, damit der Gymnasiallehrerberuf für Berufseinsteiger attraktiv und motivierend bleibt und der dringend gebrauchte Lehrernachwuchs, vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern, nicht in die Industrie abwandert. Es gilt, jetzt die richtigen finanzpolitischen Weichen zu stellen, die unser Bildungssystem wirklich stärken und verbessern.“
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Kontaktmöglichkeit während der Vertreterversammlung in Schwäbisch Gmünd:
Congress-Centrum Stadtgarten
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