Bessere Integration von Kindern mit Migrationshintergrund durch differenzierte Förderung und Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen den Schularten
4. Dezember 2007
04.12.2007 / 1811 — 46–07
Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW):
“Wir freuen uns über die insgesamt besseren Pisa-Ergebnisse!
- Forderung: Bessere Integration von Kindern mit Migrationshintergrund durch differenzierte Förderung und Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen den Schularten
- PhV BW: Kinder brauchen in allen Schularten bessere Rahmenbedingungen
- PhV BW: Keinerlei Indizien für eine Überlegenheit der Einheitsschule
“Wir freuen uns über die insgesamt guten Pisa-Ergebnisse deutscher Schüler in den Naturwissenschaften und über die Feststellung des deutschen Pisa-Koordinators Manfred Prenzel, dass die Befunde eine ‘Lockerung des Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und Kompetenz’ zeigen. Wenn auch die im Lesen und in Mathematik mit einem leicht positiven Trend insgesamt stabil gebliebenen Ergebnisse noch keinen Anlass zum Jubeln bieten, so lässt doch das erfreulich gute Abschneiden der Grundschüler bei der Iglu-Lesekompetenz-Studie in den nächsten Jahren auf bessere Ergebnisse der dann 15-jährigen Schüler beim Pisa-Test im Lesen hoffen”, so der Landesvorsitzende Karl-Heinz Wurster zu den nun offiziell bekannt gegebenen Pisa-Ergebnissen 2006.
Kritik übt der Philologenverband Baden-Württemberg daran, dass die Ergebnisse der Pisa-Studie von Bildungsideologen zum Teil vorab veröffentlicht und zum Anlass genommen wurden, das mehrgliedrige Schulsystem zu attackieren. Zweifel bestünden an der Vergleichbarkeit der Ergebnisse auf Länderebene, da die bis zum Testtermin behandelten Unterrichtsinhalte sich zum Teil stark unterschieden. “Wir hoffen, dass diese Situation durch bundeseinheitliche Bildungsstandards verbessert wird”, so Wurster. Ein Testverfahren, das in einigen Ländern unter Verwendung von Schmiergeldern abläuft, verliert im Übrigen seinen Anspruch auf Seriosität und Akzeptanz in der Gesellschaft. Wurster: “Wir fordern zwecks besserer Vergleichbarkeit von der OECD Verbesserungen des Pisa-Testverfahrens, die beispielsweise auch den unterschiedlichen Leistungsanforderungen in den Schularten stärker gerecht werden.” Länder, die mit unlauteren Mitteln die Testergebnisse beeinflussen und damit eine echte Vergleichbarkeit zwischen Ländern und Bundesländern zur Farce werden lassen, müssen nach Auffassung des Philologenverbandes von der weiteren Teilnahme ausgeschlossen werden. Entscheidend sei schließlich, was Schüler am Ende ihres Bildungsweges tatsächlich an Kompetenzen vorweisen können. “Das wird bei Pisa leider nicht gemessen”, so Wurster.
Der Philologenverband geht davon aus, dass beim Pisa-Ländervergleich im Herbst 2008 die Ergebnisse für die Gymnasien weit über dem OECD-Durchschnitt liegen werden und Baden-Württemberg vorn liegen wird. “Das insgesamt gute Ergebnis ist auch ein Beweis für die gute Arbeit an den Gymnasien”, so Wurster.
Die Behauptung der Befürworter von Gemeinschaftsschulen, dass gemischte Lerngruppen gegenüber homogenen Lerngruppen überlegen seien, kann nach Auffassung des Verbandes aus den Pisa-Ergebnissen nicht herausgelesen werden und ist auch empirisch bislang nirgends nachgewiesen worden. “Dass die anderen Schularten nicht so gut abschneiden, liegt unserer Meinung nach vorrangig an den Rahmenbedingungen und an gesellschaftlichen Veränderungen, am hohen Migrantenanteil, der selbst in der zweiten Generation immer noch sprachliche Integrationsdefizite aufweist, und an mangelnder Vorbildfunktion und schulischer Begleitung von Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern, die ihre Erziehungspflichten nicht wahrnehmen wollen oder können und als Vermittler von Werten und Pflichten ausfallen. Verbandschef Wurster: “Diese Kinder brauchen in allen Schularten professionelle Unterstützung durch ausgebildete Pädagogen und Psychologen und ein schulisches Umfeld, in dem solche Defizite behoben werden können. Der Philologenverband fordert deshalb auch ein verpflichtendes Vorschuljahr. Durch eine Zusammenlegung der Schularten und Bildung heterogener Lerngruppen würden sich die Möglichkeiten differenzierter begabungsgerechter Förderung eher weiter verschlechtern und die Frustrationserlebnisse sowohl bei leistungsschwächeren und bildungsunwilligen als auch bei leistungsstärkeren und bildungswilligen Schülern zunehmen. “Hier hinkt der Vergleich mit Finnland mit seiner ausgeprägten sozialen Homogenität der Gesellschaft”, stellt Wurster fest. Wir verweisen im Übrigen auf die jüngste Forsa-Umfrage zur Schulstruktur, in der eine klare Mehrheit der Bevölkerung das mehrgliedrige Schulsystem behalten will.
Scharfe Kritik übt der Philologenverband Baden-Württemberg daran, dass in Diskussionen über Bildungswege die Pisa-Ergebnisse gegen mehrgliedrige Schulsysteme missbraucht werden. Dabei werde auch ignoriert, dass unterschiedliche Begabungen von Kindern unterschiedlich gefördert werden müssen und dass nicht blinde Bildungseuphorie, sondern die Kontinuität und Verlässlichkeit eines Bildungssystems, eine gute personelle räumliche Ausstattung und schließlich die Arbeit in kleinen Lerngruppen beste Garanten für Bildungserfolge sind. “Kostbare Energien sollten nun nicht mehr für sinnlose Strukturdebatten verschwendet werden, sondern in die Weiterentwicklung und in den spezifischen Ausbau der Schularten fließen”, so Verbandschef Wurster.
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