Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) zum Konzept des Kultusministeriums zur Verbesserung der Einführungsphase der Oberstufe (Klasse 10) des achtjährigen Gymnasiums
11. Februar 2016
Bereitstellung zusätzlicher Deputate für eine bessere Förderung der Schülerinnen und Schüler im achtjährigen Gymnasium — eine begrüßenswerte und positive, aber nach vielfacher Streichung von Anrechnungs- und Entlastungsstunden auch eine längst überfällige Maßnahme!
“Neues Konzept” des Kultusministeriums zur Verbesserung der Einführungsphase der Oberstufe (Klasse 10) lässt viele Fragen offen und bietet insbesondere keine Lösung der grundsätzlichen Probleme im achtjährigen Gymnasium!
Sechs Wochen vor der Landtagswahl verkündet das Kultusministerium, ausgehend von dem über lange Zeit geheim gehaltenen Papier “Gymnasium 2020”, unvermittelt und ohne weitere Gespräche oder Beratungen mit den betroffenen Verbänden und Personalvertretungen ein “neues Konzept” für den Übergang in die Oberstufe des achtjährigen Gymnasiums.
Der Philologenverband Baden-Württemberg sieht in der Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen für eine bessere Förderung der Schülerinnen und Schüler im achtjährigen Gymnasium eine begrüßenswerte und positive, aber auch eine überfällige Maßnahme!
Mit insgesamt 111 Deputaten sollen den G8-Gymnasien jeweils zwei Wochenstunden zusätzlich für jede zehnte Klasse zur Umsetzung des “neuen Konzepts” zur Verfügung stehen. Leider zeigt sich nach Ansicht des PhV BW bei genauer Betrachtung, dass die Eckpunkte des neuen Konzepts bezüglich der Verwendung der zusätzlichen Stunden viele Fragen offen lassen und vor allem keine Lösung der grundsätzlichen Probleme im achtjährigen Gymnasium bieten.
Der PhV BW kritisiert insbesondere, dass die Umsetzung dieses Konzepts mit verpflichtendem binnendifferenzierendem Unterricht und Teamteaching bzw. zeitweilig geteilten Klassen einen nicht unerheblichen Teil der Unterrichtszeit beansprucht. Eine solche für alle verfügte methodische Umwidmung von Unterrichtszeit beschneidet die unabdingbare Vermittlung des für alle verpflichtenden Unterrichtsstoffes und birgt so die Gefahr einer Niveauabsenkung für alle.
Darüber hinaus werden offensichtlich — entgegen der Aussage des Kultusministeriums — die grundsätzlichen Probleme von G8 durch die angekündigten Maßnahmen nicht gelöst: Schülerinnen und Schüler erhalten weder mehr Zeit für Übung oder Vertiefung, noch zeitliche Freiräume für die Persönlichkeitsentwicklung und zur eigenen Gestaltung. Auch das Problem der mangelnden Reife wird nicht gelöst.
Der Philologenverband BW weist außerdem darauf hin, dass bei der Umsetzung des Konzepts die Stundenplangestaltung erheblich erschwert und die notwendig werdenden zusätzlichen Absprachen und Koordinierungsmaßnahmen zwischen den Lehrkräften eine weitere Mehrbelastung darstellen.
Daher setzt sich der PhV BW für eine sachgerechte, pädagogisch sinnvolle und wirksame Verwendung der zusätzlichen Wochenstunden ein und fordert:
- Keine Beschneidung der verbrieften Methodenfreiheit für Lehrkräfte am Gymnasium
- Keine Gängelung der Lehrkräfte durch im Stundenplan festgelegte Zeiten für binnendifferenzierenden Unterricht!
- Keine starre Fixierung auf Teamteaching oder geteilte Klassen in zwei Wochenstunden in zwei relativ willkürlich aus den Abiturpflichtfächern gewählten Fächern
- Keine Niveauabsenkung durch einen zu hohen Anteil von Übungsphasen an der zur Erfüllung des Bildungsplans nötigen Unterrichtszeit!
- Keine weitere Mehrarbeit für gymnasiale Lehrkräfte ohne entsprechende Entlastung für vorbereitungsintensiven Unterricht in Abiturpflichtfächern der Einführungsphase der Oberstufe (Klasse 10)!
Abschließend ist festzustellen, dass zusätzliche Zeit für Wiederholen und Vertiefen im G8 aufgrund des bestehenden Zeitkorsetts nicht zur Verfügung gestellt werden kann. Deshalb mindert diese Maßnahme mitnichten die Dringlichkeit der Zulassung einer flächendeckenden Parallelführung von G8 und G9, die der Philologenverband BW nach wie vor im Interesse vieler Schülerinnen und Schüler und auf Wunsch einer übergroßen Mehrheit der Eltern fordert.
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt über 8.500 im Verband organisierte Lehrerinnen und Lehrer an den 446 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der rund 27.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.