Philologenverband sieht angesichts von Stundenausfall und neuer Oberstufe Bedarf für zusätzliche Lehrerstellen im Gymnasialbereich
11. September 2019
Der Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) als Verband der gymnasialen Lehrkräfte äußert sich zum Schuljahresanfang wie folgt:
• Die Lehrerversorgung an den Gymnasien ist gegenüber dem Vorjahr im Wesentlichen unverändert: Zwar sind im Gymnasialbereich praktisch alle Stellen besetzt, aber es gibt insgesamt zu wenig Lehrerstellen. Dies zeigt sich insbesondere am sehr hohen Unterrichtsausfall an den Gymnasium, den alle Erhebungen des Kultusministeriums gezeigt haben (siehe https://km-bw.de/,Lde_DE/Startseite/Service/2019+04+16++Dritte+Vollerhebung+zum+Unterrichtsausfall?QUERYSTRING=vollerhebung). Der PhV sieht daher Nachbesserungsbedarf bei der Zahl der gymnasialen Lehrerstellen.
• Die neue Kursstufe mit Leistungsfächern und Basisfächern startet dieses Schuljahr an den Gymnasien. Aufgrund der zu geringen Lehrkräftezuweisung für die Oberstufe müssen an vielen Gymnasien „Aufsetzerkurse“ eingerichtet werden, also Kurse, bei denen Leistungsfach- und Basisfach-Schüler gemeinsamen Unterricht haben. Die Schüler des fünfstündigen Leistungsfaches erhalten dann nur zwei bis drei zusätzliche Stunden pro Woche tatsächlich auf Leistungsfach-Niveau. Solche Aufsetzerkurse haben stark negative Auswirkungen auf das Unterrichtsniveau im Leistungsfach, sind aber insbesondere an Gymnasien im ländlichen Raum sehr häufig notwendig, weil aufgrund der räumlichen Entfernung zwischen benachbarten Gymnasien kaum oder keine Kurse in Kooperation mehrerer Schulen eingerichtet werden können. Der PhV fordert zusätzliche Lehrerstellen für die Oberstufe, wenn nächstes Schuljahr der zweite Kursstufenjahrgang beginnt.
• Ersatzlehrkräfte können die Schulen jetzt bereits nach einer Woche Ausfallzeit eines Lehrers anfordern. Bisher war dies frühestens nach drei Wochen möglich. Diese Maßnahme lässt auf eine Senkung des Stundenausfalls hoffen – allerdings nur dann, wenn genügend Lehrkräfte für kurzfristige Vertretungen zur Verfügung stehen und die Personalreferate an den Regierungspräsidien die entstehende massive Mehrarbeit trotz fehlenden Personals auch zeitnah bewältigen können.
• Der Philologenverband fordert die Kultusministerin auf, zur Erhöhung der Qualität im baden-württembergischen Schulwesen die Forderung des Tübinger Bildungsforschers Prof. Dr. Ulrich Trautwein, jedes Jahr die besten 50 % der Referendare einzustellen, aufzugreifen. Im Gymnasialbereich sind in allen sprachlichen und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern mit 1.700 nicht eingestellten Lehramtsanwärtern genügend Bewerber vorhanden, um diese langfristig qualitätssteigernde Maßnahme umzusetzen. Vgl.: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/Lehrermangel-in-Baden-Wuerttemberg-Bildungsforscher-Die-besten-Absolventen-immer-einstellen,bildungsforscher-trautwein-lehrermangel-100.html.
• Der PhV fordert darüber hinaus die Landesregierung auf, bei den Schülerbeförderungskosten auf eine schnelle (und für Schüler und Eltern preisgünstige) Abstimmung der regionalen Verkehrsverbünde miteinander zu drängen. Es kann nicht angehen, dass Schülerinnen und Schüler, die das nächstgelegene Spezialgymnasium (z.B. mit humanistischem, Sport- oder Musikzug) besuchen, das aber zufällig im Nachbarkreis liegt, über 100 Euro pro Monat für die Schülerbeförderung berappen müssen. Dies sorgt für ungerechte soziale Hürden beim Schulbesuch. Hier sollte das „Bildungsland Baden- Württemberg“ schnellstmöglich für Abhilfe sorgen! Der Philologenverband spricht sich daher für eine Begrenzung bzw. Absenkung der Elternbeiträge für die Schülerbeförderung aus.
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.