Elternklage gegen Kultusministerium wegen Stundenausfalls: Auch Philologenverband sieht akuten Handlungsbedarf – Forderung nach mehr Lehrern im Gymnasialbereich
1. Oktober 2018
Stuttgart, 28. September 2018
Az. 1811 / 2018–25
Zur Landespressekonferenz der Arbeitsgemeinschaften der Elternvertretungen an Gymnasien in Baden-Württemberg am 28.09.2018 nimmt der Vorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW), Ralf Scholl, wie folgt Stellung:
„Der Unterrichtsausfall an Gymnasien in Baden-Württemberg ist besonders an den Gymnasien sehr hoch. Die Elternvertreter beschreiben die Lage treffend mit Ihrer Aussage: ‚An den Gymnasien wird von den Schulleitungen seit Jahren nur noch der Mangel verwaltet.’
Eine Vollerhebung des Kultusministeriums (KM) im Juni 2018 hat ergeben, dass jede achte Schulstunde ausfällt oder vertreten wird. Angesichts dieses ‚G7 statt G8’ ist die angekündigte Klage, die auf eine Verbesserung der Unterrichtsversorgung abzielt, völlig nachvollziehbar und sehr konsequent.
Die Landesregierung muss sich mit Nachdruck des Themas ‚Mangelnde Ressourcenausstattung der Schulen’ gerade auch mit Blick auf Lehrerstellen annehmen.”
Nach Einschätzung des Philologenverbandes könnten folgende Maßnahmen zu einer Verbesserung der Unterrichtsversorgung an den Gymnasien beitragen:
• Eine mindestens 110-prozentige Lehrerversorgung bezogen auf den Pflichtbereich ist zur Sicherung des Unterrichts notwendig. Beim derzeitigen Versorgungsgrad von 102,x% und ca. 2,5% langfristig erkrankten Lehrkräften ist die Vertretungsreserve auch zu Beginn des Schuljahres 18/19 schon wieder aufgebraucht. Und der Pflichtbereich umfasst weder Chor noch Orchester oder Förderunterricht, die auch nicht einfach gestrichen werden können. Arbeitsgemeinschaften sollen bereits jetzt nur noch dann stattfinden, wenn die unterrichtenden Lehrkräfte nicht für Vertretungen im Pflichtbereich benötigt werden.
• Die aktuelle Stichprobe des KM zeigt am Beispiel des Regierungspräsidiums Tübingen zudem, dass eine höhere Lehrerversorgung nachweislich zu einem geringeren Unterrichtsausfall führt.
• Über Verfahren, wie Vertretungs-Lehrkräfte früher als sechs Wochen nach Ausfall einer Lehrkraft gewonnen werden können, muss endlich nachgedacht werden. Ein Blick über die Landesgrenzen nach Bayern könnte dabei hilfreich sein.
• Im Gymnasialbereich fehlt es in den Sprachen und Gesellschaftswissenschaften nicht an Bewerbern, sondern an Stellen. Statt jährlich anderthalb tausend gut ausgebildete gymnasiale Referendare in die Arbeitslosigkeit zu schicken, sollte das KM die Chance ergreifen, die Jahrgangsbesten in allen Fächern einzustellen. Es muss endlich das Ziel einer nachhaltigen Lehrereinstellung verfolgt und der ‚Schweinezyklus’ durchbrochen werden! (Schrumpfen der Einstellungen von gymnasialen Lehrkräften laut Prognose: Von 1000 bis 1300 Einstellungen in den Jahren 2002 bis 2017 auf 400 bis 450 Einstellungen landesweit von 2022 bis 2032.
• Das Angebot an gut ausgebildeten gymnasialen Lehrkräften muss auch genutzt werden, um die Unterrichtssituation an den Gymnasien zu verbessern:
- Durch eine Verringerung des Klassenteilers auf 28 wie an Gemeinschaftsschulen und Werkrealschulen,
— durch eine Verringerung des Deputats von 25 auf 23 Wochenstunden, und damit einer Rückführung auf den Stand von 1997, sowie
— durch eine Aufstockung der Anrechnungsstunden für besondere Aufgaben (‚allgemeines Entlastungskontingent’) mindestens auf den Stand des Jahres 2014.
* * *
An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.