Mehr Qualität im Bildungsbereich ist nur mit mehr Zeit für Bildung möglich!
5. Juli 2019
Mehr Qualität im Bildungsbereich ist nur mit mehr Zeit für Bildung möglich!
Drei-Punkte-Programm des PhV BW mit folgenden Sofortmaßnahmen gefordert:
1) Senkung der Unterrichtsverpflichtung an den Gymnasien um zwei Stunden von 25 auf 23 Wochenstunden
2) Senkung des Klassenteilers auf 28, in der gymnasialen Oberstufe auf 20 Schülerinnen und Schüler pro Lerngruppe
3) Erhöhung der Anrechnungsstunden für besondere Aufgaben der Gymnasien um mindestens 50 %
„Die Pressemitteilung des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg vom 4. Juli 2019 ´Rund 109 000 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen: Jede zweite Lehrkraft an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen arbeitet nicht mit vollem Deputat´ belegt eindrücklich, dass die Arbeitsbelastung der baden-württembergischen Lehrkräfte inzwischen so groß ist, dass sich die Mehrheit nicht mehr in der Lage sieht, einen vollen Lehrauftrag zu übernehmen“, so der Vorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg, Ralf Scholl.
Die Überlastung lasse sich auch aus der Statistik zum durchschnittlichen Zurruhesetzungsalter der Lehrkräfte ablesen: Trotz der jährlich um einen Monat verlängerten Lebensarbeitszeit in Richtung 66+ stagniert das tatsächliche Zurruhesetzungsalter seit rund fünf Jahren bei 63,3 Jahren.
„Wenn die Qualität der gymnasialen Bildung nicht nur gehalten, sondern gesteigert werden soll, dann geht das nur, wenn die Lehrkräfte wieder mehr Zeit bekommen, um sich den Schülerinnen und Schülern und ihrem Kerngeschäft, dem Unterricht, zu widmen“, fordert der PhV-Landesvorsitzende.
In einer Resolution, die auf der Hauptvorstandssitzung am 5. Juli 2019 in Stuttgart verabschiedet wurde, fordert der Philologenverband Baden-Württemberg drei Sofortmaßnahmen:
Eine Senkung der Unterrichtsverpflichtung gymnasialer Lehrkräfte von 25 auf 23 Wochenstunden
Dies würde eine Rückkehr zum Stand von 1998 bedeuten. Der historische Vergleich zeigt die absurd hohe derzeitige Unterrichtsverpflichtung: 1923 wurde die Unterrichtsverpflichtung der gymnasialen Lehrkräfte in Krisenzeiten auf 25 Unterrichtsstunden, die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst auf 50 Wochenstunden erhöht. Während die Arbeitszeit der Landesbeamtinnen und ‑beamten in Baden-Württemberg im Laufe der Jahrzehnte auf aktuell 41 Stunden sank, unterrichten gymnasiale Lehrkräfte seit 2003 wieder 25 Unterrichtsstunden! Mittelfristig muss die Unterrichtsverpflichtung deshalb in Richtung auf 22 Wochenstunden reduziert werden.
Eine Senkung des Klassenteilers auf 28, in der gymnasialen Oberstufe auf 20 Schülerinnen und Schüler pro Lerngruppe
Eine Verbesserung des Bildungserfolgs ist nur möglich, wenn die Lerngruppen verkleinert werden, denn nur dann haben die Lehrkräfte im Unterricht wieder ausreichend Zeit, sich einzelnen Schülerinnen und Schülern auch individuell zu widmen. Und nur dann haben auch die Schülerinnen und Schüler ausreichend Gelegenheit, sich aktiv ins Unterrichtsgeschehen einzubringen.
Dass kleinere Klassen messbaren Lernfortschritt erzeugen, zeigte eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung: Danach können kleinere Klassen zu besseren Leistungen führen und den Anteil der Klassenwiederholungen sinken lassen.
Darüber hinaus könnten sich nach den Erkenntnissen der DIW-Studie kleinere Klassen auch gesamtwirtschaftlich lohnen. Weitere Informationen zur Studie sind hier zu finden:
http://www.diw.de/de/diw_01.c.584970.de/themen_nachrichten/kleinere_klassen_koennen_zu_besseren_leistungen_in_den_faechern_deutsch_und_mathematik_fuehren.html
Eine Erhöhung der Anrechnungsstunden für besondere Aufgaben der Gymnasien um mindestens 50 %
Dass die Kürzung der Anrechnungsstunden für besondere Aufgaben der Schulen rückgängig gemacht werden muss, haben die Landespolitiker parteiübergreifend erkannt. Diese Erkenntnis muss aber jetzt zu Taten führen! Die Kürzung betrug vor Jahren bis zu 40 %, je nach Größe des Gymnasiums. Da zwischenzeitlich viele neue Aufgaben hinzugekommen sind (Prävention, Inklusion, Medienbildung, Datenschutzgrundverordnung, Digitalisierung, etc.) muss die Kürzung nicht nur zurückgenommen, sondern darüber hinaus das Anrechnungsstundenkontingent auskömmlich aufgestockt werden!
„Die genannten drei Sofortmaßnahmen würden auch eine nachhaltige Lehrereinstellung im gymnasialen Bereich und einen effektiven Arbeits- und Gesundheitsschutz ermöglichen“, betont Ralf Scholl. „Wenn sie nicht rasch umgesetzt werden, werden die institutionellen und organisatorischen Änderungen im Rahmen des neuen Qualitätskonzepts des Kultusministeriums Makulatur bleiben und keine merkbaren Auswirkungen auf den Bildungserfolg in Baden-Württemberg haben können.“
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.