PHV-Umfrage: An Gymnasien fehlen mehrere hundert Lehrerstellen!
14. November 2006
14.11.2006 / 1811 — 41–06
Umfrage des Philologenverbandes Baden-Württemberg zur Lehrerversorgung an 86 Gymnasien bringt den Nachweis:
„An Gymnasien fehlen mehrere hundert Lehrerstellen!“
- Starker Stundenausfall in Sport und Naturwissenschaften
- Hohe Überstundenzahl in Naturwissenschaften, Mathematik, Deutsch und in Sprachen
- PhV übt heftige Kritik an Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung für Referendare
Nach einer vor den Herbstferien vom Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) an den Gymnasien des Landes durchgeführten Umfrage zur Lehrerversorgung, an der sich mit 86 Gymnasien rund ein Viertel aller Gymnasien des Landes beteiligt hatten, steht es fest: Im nächsten Jahr muss im Schnitt jedes Gymnasium des Landes 23,5 Stunden an Lehrkräfte zurückgeben, die Mehrarbeit geleistet haben. „Das entspricht in etwa einer Lehrerstelle pro Gymnasium,“ kommentiert der Landesvorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg, Karl-Heinz Wurster, die Auswertung der Umfrageergebnisse und stellt fest, dass im laufenden und im folgenden Schuljahr für den Pflichtunterricht mehrere hundert Lehrerstellen fehlen.
Von den insgesamt 5703 Lehrerinnen und Lehrern der 86 Gymnasien, die sich an der Umfrage beteiligten, leisten 1615 Lehrkräfte (28 Prozent) insgesamt 2482 Überstunden. Von den befragten Schulen werden also derzeit durchschnittlich 29 Überstunden geleistet. Obwohl 501 (etwa 9 Prozent) der an der Umfrage beteiligten Lehrkräfte pro Schule durchschnittlich 6,5 Stunden weniger unterrichten, ergeben sich nach der Verrechnung der zu wenig gehaltenen Stunden mit den tatsächlich geleisteten Überstunden immer noch durchschnittlich 23,5 Stunden pro Schule, die im nächsten Schuljahr wieder abgebaut werden müssen. 50 der insgesamt 86 Schulen, die sich an der Umfrage beteiligten, meldeten sogar ständige Stundenausfälle im Bereich des Pflichtunterrichts.
Am stärksten betroffen vom Stundenausfall im Bereich des Pflichtunterrichts ist u.a. das Fach Sport mit 122 Stunden, gefolgt von den Naturwissenschaften (75), Bildender Kunst (58), Religion/Ethik (27), Musik (26) und Englisch (13).
Überstunden wurden im Rahmen der Umfrage von 39 Gymnasien gemeldet. Auffallend hoch ist der Anteil geleisteter Überstunden u.a. in den Naturwissenschaften (116), in Mathematik (76), Deutsch (76), Englisch (61), Französisch (49), Latein (43) und Sport (27). Insgesamt wurden im Pflichtunterricht 350 ausfallende Stunden und 531 Überstunden gemeldet.
Die insgesamt ermittelten Zahlen sind angesichts einer Beteiligung von rund 22 Prozent der Gymnasien an der Umfrage aussagekräftig. Hochgerechnet bedeutet dies, dass an den Gymnasien des Landes über 9000 Überstunden gemacht werden und trotzdem noch ein Unterrichtsausfall von etwa 1600 Stunden im Pflichtbereich festzustellen ist. Das bedeutet: Im laufenden Schuljahr fehlen zur Abdeckung der Unterrichtsversorgung etwa 430 Lehrerstellen. Wenn die nun entstandene Überstundenbugwelle im nächsten Jahr wieder zurückgegeben werden soll, dann sind hierfür nochmals rund 400 zusätzliche Stellen erforderlich. Wurster: „Es fehlen also an den Gymnasien des Landes im nächsten Schuljahr mehrere hundert Lehrerstellen. Für uns trifft deshalb jede Maßnahme, die zusätzliche Einstellungen verhindert und Lehrerstellen sperrt, auf absolutes Unverständnis.“
Auf heftige Kritik stößt beim Philologenverband auch, dass noch in der Ausbildung sich befindende Referendare, die selbst erst einmal schulpraktische Erfahrung sammeln müssen, Defizite in der Unterrichtsversorgung durch die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung um eine Stunde ausgleichen sollen.
„Jede Stunde mehr ist für angehende Lehrer, die sich in Ausbildung befinden und zum ersten Mal für einen längeren Zeitraum unterrichten, die den neuen Unterrichtsstoff gewissenhaft vorbereiten sollen, die sich mit Konferenzen und mit einem Übermaß an schulischer Bürokratie auseinander setzen müssen, eine erhebliche Belastung. Es steht im Widerspruch zu den vor der Wahl von den Regierungsparteien gemachten Äußerungen, der Bildung im Land Priorität einzuräumen. Im Sinne einer auf Qualität setzenden Ausbildung des Lehrernachwuchses verurteilen wir scharf, dass aus Spargründen der noch nicht fertig ausgebildete Lehrernachwuchs bestehende Löcher in der Unterrichtsversorgung durch Mehrarbeit stopfen soll und deswegen 270 Lehrerstellen zusätzlich zu den bereits gesperrten 521 Stellen zurückgehalten werden“, so Wurster abschließend.