Noch mehr Unterrichtsausfall im Pflichtbereich an Gymnasien trotz zunehmender Überstundenzahl!
15. Oktober 2007
15.10.2007 / 1811 — 36–07
Befürchtungen des Philologenverbandes Baden-Württemberg werden durch Meldungen aus über 110 Gymnasien bestätigt:
“Noch mehr Unterrichtsausfall im Pflichtbereich an Gymnasien trotz zunehmender Überstundenzahl!”
- 11.400 Überstunden leisten Lehrkräfte an Gymnasien jede Woche
- Hohe Überstundenzahl besonders in Naturwissenschaften, Mathematik, Deutsch und in Fremdsprachen
- 2.300 Stunden Unterrichtsausfall jede Woche im Pflichtbereich — Sport und Naturwissenschaften am stärksten betroffen
In den ersten Wochen des neuen Schuljahres gingen beim Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) Meldungen zur Unterrichtsversorgung von über 110 der insgesamt über 400 Gymnasien des Landes ein. Danach ist die Tendenz eindeutig: Gegenüber dem Vorjahr ist die Anzahl der Überstunden an den Gymnasien um über 23 Prozent auf etwa 11.400 pro Woche gestiegen. Gleichzeitig hat der Unterrichtsausfall im Pflichtbereich um über 30 Prozent auf etwa 2.300 Stunden pro Woche zugenommen. Im nächsten Jahr muss im Schnitt jedes Gymnasium des Landes 27,8 Stunden an Lehrkräfte zurückgeben, die Mehrarbeit geleistet haben. “Das entspricht mehr als einer Lehrerstelle pro Gymnasium, also etwa 450 Lehrerstellen insgesamt”, so der PhV-Landesvorsitzende Karl-Heinz Wurster. Zur Abdeckung des Pflichtunterrichts fehlen nach Berechnungen des Philologenverbandes dann noch zusätzlich 5,6 Stunden pro Gymnasium, hochgerechnet also rund 90 Lehrerstellen.
Wurster: “Es kann und darf nicht sein, dass die Lehrer an den Gymnasien durch Überstunden weiter belastet werden und dadurch die mangelnde Unterrichtsversorgung im Pflichtbereich verschleiert wird. Meldungen aus den Schulen offenbaren, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer an den Gymnasien zunehmend unter Druck gesetzt fühlen, weil sie den wachsenden Unterrichtsausfall durch Mehrarbeit ausgleichen müssen. Auch die täglichen Ausfälle durch Krankheit stellen eine zusätzliche Belastung an den Schulen dar.”
Die Meldungen von über 110 Gymnasien des Landes bedeuten hochgerechnet, dass in diesem Schuljahr über 8.000 Lehrerinnen und Lehrer, das sind über 30 Prozent aller Lehrkräfte an Gymnasien, jede Woche rund 11.400 Überstunden leisten. Allein für den Überstundenausgleich, auf den die Lehrkräfte spätestens im kommenden Jahr einen gesetzlichen Anspruch haben, werden also im kommenden Schuljahr rund 450 Lehrerstellen benötigt. Der Philologenverband Baden-Württemberg fordert das Kultusministerium auf, den erforderlichen Ausgleich sicherzustellen.
Den Meldungen der über 110 Gymnasien ist außerdem zu entnehmen, dass im Bereich des Pflichtunterrichts das Fach Sport mit 173 ausfallenden Stunden am meisten betroffen ist, gefolgt vom Stundenausfall in den Naturwissenschaften (172), in Religion/Ethik (80), in den Fremdsprachen (58) und in Bildender Kunst (64).
Die insgesamt aus den Meldungen von mehr als einem Viertel der Gymnasien ermittelten Zahlen deuten also daraufhin, dass in diesem Schuljahr insgesamt rund 540 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes*) fehlen — und das, obwohl 270 Stellen durch die um eine Wochenstunde erhöhte Unterrichtsverpflichtung der Referendare abgedeckt werden. Anstelle polarisierender und zum Teil einseitig manipulierender, in Richtung Gemeinschaftsschule gelenkter Schulstrukturdebatten (z.B. ARD-Fernsehtalkrunde mit Anne Will am Sonntagabend, 14.10.2007) sollten nach Auffassung des Verbandes besser die Einstellung zur Bildung in der Gesellschaft, die tatsächlich existierenden schulischen Rahmenbedingungen, darunter die Lehrerversorgung und die Klassengrößen, mit Lehrern aus der Schulpraxis in den Mittelpunkt der Debatten gestellt werden.
*) Die im Schuljahr 2007/08 geleistete Mehrarbeit im Pflichtbereich entspricht etwa 450 Lehrerstellen; für die im Schuljahr 2007/08 ausfallenden Stunden im Pflichtbereich wären zusätzlich noch rund 90 Lehrerstellen nötig (= 540 Lehrerstellen insgesamt)
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Bild des PhV BW-Vorsitzenden Karl-Heinz Wurster