Philologenverband Baden-Württemberg warnt vor weiteren G8-Schnellschüssen
12. Februar 2008
12.02.2008 / 1811 — 08–08
Philologenverband Baden-Württemberg warnt vor weiteren G8-Schnellschüssen
“Wir warnen die Landesregierung davor, bei der Beseitigung der sich offenbarenden G8-Probleme nun erneut den Fehler zu begehen, bildungspolitische Schnellschüsse zu produzieren”, so der Landesvorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW), Karl-Heinz Wurster, in einer Erklärung des Verbandes. “Jetzt stellt sich heraus”, so Wurster weiter, “dass die vom Philologenverband stets kritisierte Streichung eines ganzen Schuljahres ohne ein klares Finanzierungskonzept für den damit verbundenen Ganztagsschulbetrieb, der sich am Elternwillen orientieren muss, und ohne die dafür erforderlichen personellen, sächlichen und räumlichen Rahmenbedingungen nicht funktionieren kann.
Die Gymnasien waren nach Auffassung des Philologenverbandes weder inhaltlich noch materiell und personell auf das G8 mit Ganztagsbetrieb vorbereitet. Den Lehrerinnen und Lehrern, die in mühseliger und zeitaufwändiger Arbeit unzählige Stunden darauf verwendet haben, schuleigene Curricula zu erstellen, ist so ein bildungspolitisches Pingpong-Spiel nicht mehr vermittelbar. Gerade diejenigen, die sich mit Fleiß und engagiert in die Schulentwicklung und Curricula-Gestaltung eingebracht haben, kommen sich nun verschaukelt vor.
Bevor erneut am Bildungsplan herumgedoktert und im Eilverfahren an Stundenkürzungen gedacht wird, muss die Landesregierung erst einmal ihre Hausaufgaben machen, das heißt, die für die Umstellung auf G8 notwendigen finanziellen Ressourcen zur Verfügung stellen.
Der Philologenverband stellt folgende Forderungen an die Landesregierung:
- Der Klassenteiler ist deutlich zu senken;
- für differenzierte Fördermaßnahmen sind zusätzliche Lehrerstunden zur Verfügung zu stellen;
- für die Betreuung der Schüler zwischen den Unterrichtsstunden sind professionell ausgebildete Fachkräfte einzustellen;
- die Unterrichtsräume sind so zu gestalten, dass sie sich auch für den Förderunterricht bzw. die Erledigung von Schulaufgaben in Kleingruppen eignen;
- die Unterrichtsräume und die Räume für Lehrer sind zu modernisieren und müssen sich an arbeitsmedizinischen Standards orientieren;
- geeignete Rückzugs- und Stillarbeitsräume sind zu schaffen;
- die 265-Jahreswochenstunden-Regelung von Klasse fünf bis zum Abitur sollte unbedingt beibehalten werden
Der Philologenverband weist darauf hin, dass es für eine Streichung von Unterrichtsstunden überhaupt keinen triftigen Grund gibt. “Wenn jetzt Stunden aus den Naturwissenschaften herausgeschnitten werden, dann soll damit doch nur der Lehrermangel in diesen Fächern kaschiert werden, und das in einer Zeit, in der Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt händeringend gesucht werden; das wäre unverantwortlich”, so Verbandschef Wurster mit dem Hinweis, dass in keinem OECD-Land bis zum Abitur so wenig Unterrichtsstunden zur Verfügung gestellt werden wie in Deutschland (in Deutschland 9 500 und in Frankreich 11 500). Allein mit der Einführung des G8 seien bereits zwischen zwölf und zwanzig Stunden ersatzlos weggefallen, denn die stattdessen zur Verfügung stehenden Poolstunden sollten eigentlich nicht für den Fachunterricht verwendet werden.
Heftig kritisiert der Philologenverband “dümmliche” Politikersprüche, die Lerninhalte als “Gerümpel” bezeichnen. Sollten nach bereits erfolgter Streichung von Lerninhalten nun noch weitere Kürzungen an den Kerninhalten vorgenommen werden, bestehe die Gefahr, dass die Schulart Gymnasium ihr Profil verliert. “Das Abiturzeugnis ist dann nichts mehr wert, der Trend hin zu Privatschulen wird dadurch verstärkt”, so Wurster abschließend.
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Bild des PhV BW-Vorsitzenden Karl-Heinz Wurster