Bildungspolitik mit angezogener Handbremse
10. Juni 2011
10.06.2011 / 1811 — 09–11
Bildungspolitik mit angezogener Handbremse
Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) zur Lehrereinstellung 2011/2012
Vollkommen unzureichende Zahl von Neueinstellungen im gymnasialen Bereich trotz Rücknahme der ursprünglich geplanten Einsparung von 711 Stellen:
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Unterrichtsausfall und weiteres Anwachsen der Überstunden-Bugwelle für das neue Schuljahr zu erwarten
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Entlassung vieler hoch qualifizierter Junglehrerinnen und Junglehrer in die Arbeitslosigkeit zu befürchten
“Gut, dass die ursprünglich geplante und durch ein sogenanntes Vorgriffstunden- modell zu realisierende Einsparung von rund 700 Stellen vom Tisch ist. Doch die jetzt rund 860 den Gymnasien zugesagten Stellen werden nicht ausreichen, um die bestehenden Engpässe zu beseitigen und die Unterrichtsversorgung sicher zu stellen.” kommentierte der Vorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg, Bernd Saur, die Einstellungspläne der neuen Landesregierung für das kommende Schuljahr 2011/2012.
Die Einsparmöglichkeiten über ein Lebensarbeitszeitkonto mit freiwilligen Vorgriffstunden hatte der Philologenverband ohnehin skeptisch beurteilt, da es bekanntermaßen nichts anderes gewesen wäre als eine Verschiebung von Ausgaben in die Zukunft, also eine Beschönigung des Landesetats. Die Umsetzung eines solchen Modells für Lehrkräfte im gymnasialen Bereich wäre nicht zuletzt auch deshalb besonders problematisch gewesen, weil diese mit ihrer Arbeitsbelastung schon längst an einer oberen Grenze angelangt sind.
Das “Vorgriffstundenmodell” wird also seitens der neuen Regierung mit Recht erst noch dahingehend überprüft, ob es denn als Kürzungsinstrument “wirklich taugt”.
Die jetzt für das kommende Schuljahr geplanten Neueinstellungen basieren auf der Annahme, dass insgesamt rund 6.000 Schüler weniger die Schulbank drücken werden. Bei der Bedarfsberechnung blieb im Kultusministerium unberücksichtigt, dass dies bei den Gymnasien ganz anders sein könnte, waren doch in den vergangenen Jahren die Übergangszahlen auf die Gymnasien kontinuierlich angestiegen.
Unterrichtsausfall auch im Pflichtbereich sowie weitere Überstunden sind also schon vorprogrammiert.
Die bereits im sogenannten Organisationserlass verfügte Halbierung des Ergänzungsbereichs (Arbeitsgemeinschaften) ist für den PhV BW ebenfalls völlig inakzeptabel. Wenn man — wie vorgesehen — diese Stunden dann noch als schulinternen Pool für Krankheitsvertretungen einzusetzen gedenkt, werden Arbeitsgemeinschaften wohl der Vergangenheit angehören.
Zugesagt war von der Vorgängerregierung zum Schuljahr 2011/12 mit 50 Deputaten ein Einstieg in den Abbau der riesigen Überstunden-Bugwelle von über 800 Deputaten bei den Gymnasien. Davon ist jetzt nicht mehr die Rede, aber dies darf natürlich nicht in Vergessenheit geraten. “Der neuen Landesregierung ist hoffentlich bekannt, dass es einen gesetzlich verbrieften Anspruch darauf gibt, geleistete Überstunden im jeweils darauf folgenden Schuljahr abbauen zu können. Wir erwarten also eine klare Aussage der Landesregierung, wie man sich den Abbau der Bugwelle vorstellt” so Bernd Saur, Landesvorsitzender des Philologenverbands Baden-Württemberg.
Wer darüber hinaus im Bereich der Lehrerfortbildung für das laufende Kalenderjahr
12,5% der Mittel einsparen will, was für das letzte Jahresdrittel einer Kürzung der Fortbildungen von über einem Drittel entspricht, der kann wohl kaum behaupten, Bildung stelle einen Schwerpunkt der Regierungspolitik dar.
Im Gegensatz zu früheren Jahren stehen jetzt übrigens wieder in größerer Anzahl gut ausgebildete Bewerberinnen und Bewerber für eine Übernahme in den Schuldienst zur Verfügung. “Die Landesregierung wäre gut beraten, durch eine entsprechende Einstellungspolitik dafür zu sorgen, dass hoch qualifizierte junge Lehrerinnen und Lehrer nicht in die Arbeitslosigkeit entlassen werden, wo sie doch in den Schulen dringend gebraucht werden.” so Bernd Saur.
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Bild des PhV BW-Vorsitzenden Bernd Saur