Philologenverband lehnt jede Form einer weiteren Arbeitszeiterhöhung für gymnasiale Lehrkräfte ab
6. Juni 2005
6.6.2005 / 1811 – 14-05
Philologenverband Baden-Württemberg übt Kritik an neuer Verwaltungsvorschrift „Arbeitszeit der Lehrer an öffentlichen Schulen“
Philologenverband lehnt jede Form einer weiteren Arbeitszeiterhöhung für gymnasiale Lehrkräfte ab
Eine Verwaltungsvorschrift, die den Schulleitungen in Baden-Württemberg Möglichkeiten eröffnet, die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften ohne deren Zustimmung und bei gleich bleibendem Gehalt um bis zu zwei Wochenstunden zu erhöhen, um damit andere Lehrkräfte um zwei Stunden zu entlasten, lehnt der Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW), Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien, ab. „Wir befürworten zwar eine Absenkung des Deputats für belastete Lehrkräfte, doch darf eine solche Maßnahme auf keinen Fall zu einer Mehrbelastung anderer Lehrkräfte im jeweiligen Kollegium führen. Wir halten deshalb das so genannte ‚Bandbreitenmodell’ oder ‚Spreizdeputat’ für ein ‚unmoralisches Angebot’“, so der Kommentar des PhV-Landesvorsitzenden Karl-Heinz Wurster zu der von Kultusministerin Annette Schavan kürzlich erlassenen Neuauflage der Verwaltungsvorschrift „Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer“, die zum 1. August in Kraft treten soll.
Der Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW), der an den Gymnasien des Landes mehrheitlich die Interessen der an dieser Schulart beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer vertritt, begründet seine Kritik an der Verwaltungsvorschrift u.a. auch damit, dass diese der Beliebigkeit im Umgang mit der Lehrer-Arbeitszeit Tür und Tor öffne. „Sie wird weder zu mehr Gerechtigkeit noch zu mehr Transparenz führen, sondern Unfrieden in den Kollegien stiften“, befürchtet Wurster.
Nach Einschätzung des Philologenverbandes ist diese neue Fassung der zuletzt im Juni 2004 geänderten Verwaltungsvorschrift unter juristischem Aspekt fragwürdig, da sie im Falle ihrer Umsetzung bzw. Anwendung weder durch das Schulgesetz noch durch das Landespersonalvertretungsgesetz gedeckt ist. „Die Betroffenen müssen beteiligt werden“, so die Forderung der Gymnasiallehrer. Schulleitungen seien deshalb gut beraten, wenn sie bei Arbeitszeit-Maßnahmen die örtlichen Personalräte und Schulgremien beteiligen. „Wir gehen davon aus, dass die große Mehrheit der gymnasialen Schulleitungen diese Verwaltungsvorschrift nicht umsetzt“, hofft Wurster und sagt Mitgliedern des Verbandes juristische Beratung und gegebenenfalls Rechtsschutz zu.
Der Philologenverband beschäftigt sich schon seit langem intensiv mit dem Thema Lehrerarbeit und Lehrerarbeitszeit und hat hierzu u.a. folgende eigene Positionen, Vorstellungen und Forderungen entwickelt:
- Die Vielfältigkeit und der gesamte Umfang der Lehrertätigkeiten sowie der zeitliche Aufwand sind praktisch nicht erfassbar und erschweren deshalb eine Erfassung der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung im Stundenmaß. Der Philologenverband hält deshalb am schulartspezifischen Pflichtstundenmodell fest;
- der PhV geht davon aus, dass es nach wie vor die Kernaufgabe gymnasialer Lehrkräfte ist, einen qualifizierten Fachunterricht zu erteilen;
- für den PhV sind alle gymnasialen Schulfächer in ihrem Bildungswert und ihrem Arbeitsaufwand grundsätzlich gleichwertig, wobei eine Abweichung vom Deputat nach unten aufgrund individueller und zeitlich begrenzter hoher Belastungen durch eine Absenkung der wöchentlichen Stundenverpflichtung möglich sein muss;
- das durch die Landesregierung verordnete Deputat von 25 Wochenstunden der Lehrkräfte an Gymnasien entspricht, wie Untersuchungen und Studien zur Lehrerarbeitszeit beweisen, mit allen zum Unterricht gehörenden Tätigkeiten bereits einem durchschnittlichen Arbeitszeitrahmen von 45 bis 50 Zeitstunden. Gymnasiallehrer sind deshalb schon weit über hundert Prozent ausgelastet;
- Aufgaben und Arbeitsleistungen, die darüber hinaus gehen, sind aus einem der Schulleitung zur Verfügung stehenden Stundenpool zu bedienen;
- feste Präsenzzeiten für Lehrkräfte in den Schulen lehnt der PhV ab, und zwar auch und gerade deshalb, weil adäquate Arbeitsbedingungen und Lehrer-Arbeitsplatzausstattungen nicht vorhanden sind und auch auf absehbare Zeit aufgrund der angespannten Finanzlage der Schulträger nicht geschaffen werden.
PhV-Chef Wurster abschließend: „Wer Dienstleistungen an den Schulen ausweiten will zum Beispiel durch ein Ganztagesangebot, der muss auch die hierfür notwendigen Finanzmittel bereitstellen. Mehr Dienstleistung unter der Vorgabe der Ressourcenneutralität wird es deshalb mit uns nicht geben!“
Wichtiger Informationshinweis:
Wir verweisen auf die vom Philologenverband am 01. Juni 2005 herausgegebene Pressemitteilung zu den Ergebnissen einer vom PhV im Mai 2005 durchgeführten Umfrage zum Beschäftigungsumfang der Lehrkräfte an Gymnasien, an der sich über 2000 Lehrkräfte beteiligten, sowie den detailliert protokollierten Arbeitszeit-Rapport eines an einem baden-württembergischen Gymnasium unterrichtenden Lehrers. Beide Texte können Sie über die PhV-Landesgeschäftsstelle anfordern bzw. finden Sie auf der Homepage des Philologenverbands.