Das Gymnasium in der Diskussion um Bildungsgerechtigkeit

30. Oktober 2014

55. Inter­na­tionales Bodensee­tr­e­f­fen

Das Gym­na­si­um in der Diskus­sion um Bil­dungs­gerechtigkeit

Zum 55. Inter­na­tionalen Bodensee­tr­e­f­fen der Lehrerin­nen und Lehrer Höher­er Schulen ver­sam­melten sich am
11. und 12. Okto­ber 2014 in Kon­stanz zahlre­iche Gym­nasiallehrkräfte aus Öster­re­ich, der Schweiz, Bay­ern und
Baden-Würt­tem­berg. “Das Gym­na­si­um in der Diskus­sion um Bil­dungs­gerechtigkeit” lautete das The­ma der
Ver­anstal­tung in diesem Jahr.

Den Ver­anstal­tern war es gelun­gen, hochkarätige Ref­er­enten zu gewin­nen:

Prof. Dr. Peter J. Bren­ner, Tech­nis­che Uni­ver­sität München, sprach zum The­ma “Wohin mit den guten
Schülern? Konzepte der Elite­bil­dung in Deutsch­land und Frankre­ich”,
Pri­vat­dozent Dr. Axel Bernd Kun­ze, Uni­ver­sität Bonn, beleuchtete die Frage “Bil­dungs­gerechtigkeit, Recht auf
Bil­dung, Inklu­sion … – Hat das Gym­na­si­um in der bil­dungsethis­chen Diskus­sion noch Zukun­ft?” und
Akademis­ch­er Rat Dr. Matthias Bur­chardt, Uni­ver­sität Köln, referierte über “Die Ökonomisierung unseres
Bil­dungswe­sens – Fol­gen und Auswirkun­gen für das Gym­na­si­um.”

Prof. Bren­ner führte aus, dass es in Frankre­ich ungeachtet eines zunächst äußer­lich auf Gle­ich­heit (“égal­ité”)
aus­gerichteten sekundären Bil­dungs­bere­ichs ein aus­geprägtes Elite­bil­dungssys­tem gebe, aus dem sich der
Nach­wuchs der gesellschaftlichen Funk­tion­seliten rekru­tiert. Durch das “col­lège unique”, ein­er Gesamtschule,
hät­ten die Ungle­ich­heit­en in der Gesellschaft eher zu als abgenom­men, denn es sei ein stark aus­geprägter
teur­er Pri­vatschul­bere­ich ent­standen. Die Auf­nahme in die franzö­sis­chen Elite-Uni­ver­sitäten sei mit enormem
Leis­tungs- und Auslese­druck ver­bun­den. In Deutsch­land gebe es demge­genüber kein Elitesys­tem dieser
Prä­gung. Die Geschichte des Gym­na­si­ums könne seit sein­er Entste­hung als eine sich fortschreibende Geschichte
der Öff­nung für auf­stieg­sori­en­tierte Schicht­en gele­sen wer­den.

Dr. Kun­ze ver­wies auf den spez­i­fis­chen kul­tur­bilden­den und wis­senschaft­spropädeutis­chen Auf­trag des
Gym­na­si­ums. Er stellte fest, dass es let­ztlich der Prozess gesellschaftlich­er wie insti­tu­tioneller
Aus­d­if­feren­zierung gewe­sen sei, der in der Mod­erne immense Fortschritte in Kul­tur und Tech­nik her­vorge­bracht
hat, auch im Bil­dungssys­tem. Die Forderung nach Bil­dungs­gerechtigkeit müsse vor dem Ziel eines ins­ge­samt
plu­ral­is­tis­chen, durch­läs­si­gen und kor­rek­tur­of­fe­nen Schul­sys­tems disku­tiert wer­den.

Dr. Bur­chardt sieht in der zunehmenden Ökonomisierung unseres Bil­dungswe­sens eine gefährliche
Verkürzung des Bil­dungs­be­griffs, der unsere abendländis­che Tra­di­tion seit Jahrhun­derten prägte. Die OECD
reduziere Bil­dung auf funk­tionale Min­i­malkom­pe­ten­zen. So bein­halte Bil­dung eben mehr als die Abfrage von
Kom­pe­ten­zen und mehr als das, was die PISA-Tests abfra­gen. Das “human capital”-Menschenbild der OECD
wider­spreche unserem christlich-abendländis­chen, human­is­tis­chen Men­schen­bild, das den Men­schen nicht auf
einen reinen Wirtschafts­fak­tor reduziert. Das Ziel des Gym­na­si­ums sei von jeher, neben der
Wis­senschaft­spropädeu­tik, die ver­tiefte All­ge­mein­bil­dung und eine umfassende Per­sön­lichkeits­bil­dung
gewe­sen. Das Gym­na­si­um und das spez­i­fisch Gym­nasiale erforderten den akademisch gebilde­ten Päd­a­gogen,
der nicht durch einen bloßen Lern­be­gleit­er abgelöst wer­den dürfe, was let­ztlich vom Lern­er als einem
Auto­di­dak­ten aus­ge­he.

Die Vor­sitzen­den der ver­anstal­tenden Gym­nasiallehrerver­bände Bernd Saur, Philolo­gen­ver­band Baden-
Würt­tem­berg (PhV BW), Max Schmidt, Bay­erisch­er Philolo­gen­ver­band (bpv), und Ger­hard Riegler,
Öster­re­ichis­che Pro­fes­soren Union (ÖPU), zogen das Faz­it: “Um echte Bil­dungs­gerechtigkeit gewährleis­ten zu
kön­nen, ist ein dif­feren­ziertes Bil­dungswe­sen unab­d­ing­bar, in dem auch das Gym­na­si­um und vor allem das
spez­i­fisch Gym­nasiale bewahrt bleibt.”

Gym­nasiallehrerver­bände in Öster­re­ich, Bay­ern und Baden-Würt­tem­berg
www.oepu.at / www.bpv.de / www.phv-bw.de

 

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den über 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt über 8.200 im Ver­band organ­isierte Lehrerin­nen und Lehrer an den 446 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der rund 27.000 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

 

www.phv-bw.de

Down­loads:
Pressemit­teilung als PDF-Doku­ment
Bild des PhV BW-Vor­sitzen­den Bernd Saur

 

 

 

 

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