Beschäftigung mit Literatur in der Schule bedeutet nicht nur Spaß, sondern auch Anstrengung
7. Juli 2005
7.7.2005 / 1811 — 17–05
Beschäftigung mit Literatur in der Schule bedeutet nicht nur Spaß, sondern auch Anstrengung
Philologenverband-Baden-Württemberg:
Beschäftigung mit Literatur in der Schule bedeutet nicht nur Spaß, sondern auch Anstrengung
Das Land muss für ausreichende Lehrer-Krankheitsreserve Sorge treffen / Lehrermangel darf nicht zu Mehrarbeit gesunder Teil- und Vollzeitkräfte führen
„Literatur soll zu einem Erlebnis werden“, so Kultusstaatssekretär Helmut Rau in einer Pressemitteilung. Diese Auffassung wird grundsätzlich vom Philologenverband geteilt, doch dürfe sich die Beschäftigung mit Literatur – insbesondere in der gymnasialen Oberstufe – nicht nur an den Lesebedürfnissen der Schüler orientieren. „Die Anstrengung, über eine kritische und tiefere Auseinandersetzung mit Literatur Zugang zu schwierigeren und komplexeren Sachverhalten zu erhalten, die das analytische Denken fördert und auch Meinungen kritisch hinterfragt, ist für eine gute gymnasiale Bildung unverzichtbar“, so der Landesvorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg, Karl-Heinz Wurster, zu den von Kultusstaatssekretär Helmut Rau zur Diskussion gestellten Grundlinien einer neuen Konzeption für den Literaturunterricht.
Selbstverständlich eignen sich nicht alle Texte in der Schule für eine ausführliche Analyse, doch biete das riesige Literatur-Angebot durchaus geeignete Werke, sich tiefer und ausführlicher mit ihren Inhalten zu beschäftigen und nicht schon nach den ersten Seiten eine etwas anspruchsvollere Lektüre zur Seite zu legen.
Lesen zu fördern, ist nicht nur Aufgabe des Literaturunterrichts, sondern auch Aufgabe des Elternhauses und der Medien, so die Auffassung des Verbandes. Klassische und gegenwärtige Literatur sei sehr verschieden und „deshalb ist auch eine differenzierte Auseinandersetzung mit ihr erforderlich. „Ein ausschließlich auf Erlebnis und Spannung ausgerichtetes Konsumieren eines Kriminalromans ist eben nicht vergleichbar mit einem sicher mühsameren Interpretieren von Goethes Faust“, sagt Wurster. Es dürfe aber nicht verkannt werden, dass auch die Auseinandersetzung mit einem schwierigern Text sowie ein tieferes Durchdringen zusammenhängender Texte am Ende auf ein nicht immer mit Spaß verbundenes Berufs- und Arbeitsleben sicher besser vorbereiten, als ein lediglich oberflächliches – in erster Linie dem Spaßfaktor dienendes und aus dem Zusammenhang gerissenes klitterhaftes Lesen und Lernen. Wurster weiter: „Das läuft auf eine Unverbindlichkeit und Beliebigkeit der Auseinandersetzung mit der Literatur hinaus, trägt dem durchaus bekannten und verständlichen Streben junger Menschen nach dem einfachsten und mühelosesten Weg Rechnung, schafft aber nicht die Voraussetzung, Ausdauer zu entwickeln, am Stoff zu bleiben und Problem lösendes Denken und Analysieren zu fördern und zu entwickeln.“
Soll das Gymnasium den Anspruch behalten, Voraussetzungen für ein Universitätsstudium zu schaffen, dann dürfe — zumindest in der gymnasialen Oberstufe — auf eine vorwissenschaftliche Vertiefung des Stoffes nicht verzichtet werden. Das gelte für den naturwissenschaftlichen Bereich ebenso wie für den Bereich der geisteswissenschaftlichen Fächer, und da ganz besonders für den Bereich der Literatur.
„Allein mit Zeitunglesen oder bruchstückhafter Behandlung ‚geschickt’ gewählter Textauszüge und allein mit dem Nachspielen von Szenen und Autorenlesungen ist es nicht getan“, so Wurster abschließend mit dem Hinweis, dass der Philologenverband selbstverständlich jede gute Idee und Möglichkeiten unterstütze, die geeignet sind, das Lesen und die Beschäftigung mit guter Literatur zu fördern. Letztlich gehe es aber in der Schule nicht nur um das Lesen, sondern auch um das Verstehen von Inhalten, und das mache eben nicht immer nur Spaß.