Wie glaubwürdig ist diese Landesregierung?
25. Oktober 2009
25.10.2009 / 1811 — 26–09
Kinder aufgepasst!
So verlässlich ist das “Kinderland Baden-Württemberg”!
Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) fragt Finanzminister
Willi Stächele (CDU):
“Wie glaubwürdig ist diese Landesregierung?”
PhV kritisiert: Zum wiederholten Mal konterkariert Finanzminister Stächele die Bildungspolitik des Kultusministers
“So als säßen sie nicht gemeinsam am Kabinettstisch und als hätten sie dort nicht gemeinsam Beschlüsse gefasst, haben jetzt ‘Experten im Finanzministerium’ ein Konzept erarbeitet, wie man wesentliche Elemente der längst beschlossenen Qualitätsoffensive Bildung wieder einkassieren kann”, kritisiert der Landesvorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW), Bernd Saur, das von Finanzminister Willi Stächele (CDU) der Öffentlichkeit vorgestellte Ergebnis des Expertenteams seines Ressorts. Saur warnt vor einer Umsetzung der Pläne: “Wenn ein leitender Beamter des Finanzministeriums jetzt verlauten lässt, ein Schüler merke doch nicht, ob 32 oder 31 Leute mit ihm im Klassenzimmer sitzen, so ist dies ein Schlag ins Gesicht all derer, die seit vielen Jahren auf die Bedeutung kleinerer Klassen und auf einen Einstieg in die sukzessive Absenkung des Klassenteilers hinweisen.”
Der Philologenverband Baden-Württemberg weist darauf hin, dass die Zeit, die sich eine Lehrkraft dem einzelnen Schüler widmen könne, ganz entscheidend von der Klassengröße abhänge. Wie bedeutend dieses Zeitkontingent für individuelle Förderung, Zuwendung und Betreuung ist, wurde nicht zuletzt im Zusammenhang mit “Winnenden” und “Ansbach” immer wieder betont. PhV-Chef Saur: “Auch deshalb ist das ‘Konzept’ des Finanzministers geradezu skandalös.
Nicht weniger skandalös sei der Vorschlag, die 1.400 den Gymnasien und den beruflichen Schulen zugesagten Stellen in den nächsten beiden Jahren nun doch nicht zugestehen zu wollen. Auf der Basis von Rückmeldung aus 82 Gymnasien hatte der PhV in einer Hochrechnung festgestellt: An den Gymnasien, in denen von allen Schularten die meisten Schülerinnen und Schüler pro Klasse sitzen und wo die Schülerzahlen weiterhin ansteigen, fallen derzeit rund 1.400 Stunden Pflichtunterricht pro Woche aus und die Lehrkräfte leisten über 13.000 Überstunden pro Woche. Insgesamt schieben die Gymnasiallehrer Überstunden in einem Volumen von rund 600 Deputaten vor sich her.
“Wir wollen dem Finanzminister in Erinnerung rufen, dass unsere Lehrkräfte einen Rechtsanspruch auf Rückgabe ihrer Überstunden im jeweils folgenden Schuljahr haben; würden sie von diesem Recht Gebrauch machen, wäre die Unterrichtsversorgung nicht mehr gesichert”, gibt PhV-Chef Saur zu bedenken und stellt heraus, dass die Lehrkräfte freiwillig bereit seien, den bestehenden gravierenden Engpass in der Lehrerversorgung durch eine enorme Kraftanstrengung zu überbrücken. Den engagierten Lehrkräften dieses solidarische Verhalten dadurch zu danken, dass ein ganzer Katalog an Einschnitten und Verschlechterungen vorgelegt werde, lasse aus Sicht des Verbandes beim Dienstherrn ein ganz anderes Verständnis eines verantwortungsvollen Miteinanders erkennen. Auch sei der chronische Lehrermangel an unseren beruflichen Schulen zur Genüge bekannt. Den permanenten Stundenausfall nicht durch zusätzliche Stellen abmildern zu wollen, sei eine Bankrotterklärung ersten Ranges.
Wer gedacht habe, das Thema “Lehrerfortbildung” könne nach wiederholter Diskussion im Land ad acta gelegt werden, sieht sich getäuscht. Obwohl schon zur Genüge dargestellt wurde, dass eine stetige Auslastung der Fortbildungsakademien die Verlagerung von Fortbildungsveranstaltungen in die unterrichtsfreie Zeit nicht erlaube, werde dieses vermeintlich publikumswirksame Thema erneut bemüht. Und erst recht eigneten sich hierfür die “Ferien”: Während niemand auf die Idee komme, einem Universitätsprofessor zu unterstellen, er habe fünf Monate im Jahr Ferien (Dauer der Semesterferien) werde beim Lehrer unterrichtsfreie Zeit mit Ferien gleichgesetzt.
Angesichts von Stapeln an Korrekturen und vielfältigen Zusatzarbeiten dürfe man auch im Finanzministerium getrost davon ausgehen, dass Lehrer letztlich nicht mehr Urlaubstage haben als zum Beispiel die Mitarbeiter im Finanzministerium.
Sollte jedoch Stefan Mappus der Nachfolger von Ministerpräsident Oettinger werden, so wäre Entwarnung angesagt. CDU-Landtagsfraktionschef Mappus hatte gestern erklärt, aufgrund des Vorstoßes von Finanzminister Stächele stünde “die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit der Landespolitik auf dem Spiel”. Saur abschließend: “Und wer wollte sich als neuer Ministerpräsident schon sagen lassen, er verfüge nicht über diese beiden Tugenden.”
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Pressemitteilung als Word-Dokument
Bild des PhV BW-Vorsitzenden Bernd Saur