PhV zum Vorschlag “bundesweites Zentralabitur”
7. August 2007
07.08.2007 / 1811 — 29–07
Stellungnahme des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW) zum Vorschlag des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger “bundesweit abgestimmtes Zentralabitur”:
“Klare Vorgaben der Bildungsstandards und Kompetenzen durch den Bund — Ausgestaltung der Bildungsinhalte durch die Länder!”
Im Blick auf die von Ministerpräsident Günther Oettinger entfachte Diskussion um ein bundesweites Zentralabitur, gibt der Philologenverband Baden-Württemberg folgende Stellungnahme ab:
Die Ausgestaltung der Bildungspolitik sollte Ländersache bleiben. Das schließt ein bundesweit abgestimmtes Zentralabitur nicht aus. Ziel sollte eine vergleichbare Qualität des Abiturs in ganz Deutschland sein, das verlässlichere Aussagen über die im Verlauf der Schulzeit erworbenen Kompetenzen, aber auch über die Studierfähigkeit der Abiturienten in ganz Deutschland zulässt. Der Wettbewerbsföderalismus im Bildungsbereich ist durchaus sinnvoll, weil Wettbewerb Weiterentwicklung möglich macht und ein bundesweit starres Einheitsschulsystem verhindert. Dann wird sich auch zeigen, welches Bildungssystem im Bundesvergleich am besten abschneidet. Die Lehrer wüssten genau, worauf sie ihre Schüler für die Hochschulen und ihre spätere Arbeitswelt vorbereiten müssen, die berufliche Mobilität der Eltern würde verbessert.
Bislang hat man viel zu sehr den Focus auf die Strukturdebatte gelegt. Entscheidend sind aber die Qualität des Unterrichts, Inhalte und Kompetenzen. Die lassen sich überprüfen. Angesichts des derzeitigen Fachkräftemangels ist es unverantwortlich, sich weiter in Strukturdebatten zu verlieren und die zentrale Aufgabe, nämlich die Verbesserung der Bildungsqualität in ganz Deutschland, zu vernachlässigen. Hier muss angesetzt werden.
Voraussetzung für ein bundesweites Abitur ist aber die Einigkeit der Kultusministerkonferenz. Sie muss nicht nur festlegen, sondern auch überprüfen, welche Kompetenzen vorhanden, welche Bildungsinhalte in Theorie und Praxis geprüft und verfügbar sein sollen. Da müssen auch Prüfungsanforderungen, Korrektur- und Notengebungsverfahren bundesweit auf den Prüfstand, ein einheitlicher Maßstab festgelegt werden. Am Ende darf kein Billigabitur herauskommen!
Baden-Württembergs Abiturienten, die bisher schon ein Abitur mit kompliziertem, aber bewährtem dreifachem Korrekturverfahren haben und im Bundesvergleich eine Spitzenstellung einnehmen, könnten durchaus beispielgebend für andere Bundesländer sein, zumal in Baden-Württemberg bereits Bildungsstandards und Vergleichsarbeiten praktiziert werden. Zu einer Verbesserung der Vergleichbarkeit von Bildungsergebnissen gehört aber auch die Vergleichbarkeit der Rahmenbedingungen mit einer guten Arbeitsplatzgestaltung, hervorragenden Fortbildungsangeboten, kleineren Klassen etc.. Hier darf man sich durchaus Finnland als Beispiel nehmen.
Es sollte möglich sein, dass sich bildungspolitische Experten der Bundesländer mit überparteilichen Beratern unter Einbeziehung der Lehrerverbände wenigstens in den Kernfächern auf ein gemeinsames Ziel einigen. Das hätte eigentlich schon vor den Bildungsplanreformen der Länder erfolgen können.
Probleme sieht der Philologenverband bei der Umsetzung des bundesweiten Zentralabiturs, zumal die von Bundesland zu Bundesland sich unterscheidenden Ferienregelungen einheitliche Abiturtermine nahezu unmöglich machen. Da wäre es sinnvoll, auch die derzeitige Ferienregelung neu zu überdenken und sich von der auf Jahre festgezurrten starren Ferienregelung zu verabschieden, und zwar so, dass Schüler und Lehrer und letztlich auch die Qualität des Unterrichts davon profitieren.
Vielfalt fördert den Wettbewerb — sie hat auch den Vorteil, dass landestypische Notwendigkeiten in einigen Fächern ihren Niederschlag finden — wobei gewährleistet sein muss, dass Schüler und auch Lehrer von einem Bundesland zum anderen wechseln können. Einheitsschulbücher müssen also nicht sein. Warum sollen nicht auch Verlage um das beste Schulbuch im Wettbewerb stehen? Der Philologenverband will keinen zentral und bundesweit gesteuerten Bildungsdirigismus und auch keinen Verlagszentralismus. Bildungswege dürfen sich unterscheiden! Entscheidend ist, was am Schluss beim Abitur herauskommt, nachweisbar durch ein bundesweites Zentralabitur. Der Philologenverband fordert: “Klare Vorgaben der Bildungsstandards und Kompetenzen durch den Bund und Ausgestaltung der Bildungshoheit durch die Länder!!
Der Vorstoß des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger wird noch manche Nuss zu knacken geben, auch in der Föderalismuskommission. Gut wäre es, wenn — vorbei an zeitraubenden Strukturdebatten — endlich eine inhaltlich brauchbare und in der Praxis verwendbare Konzeption im Miteinander entwickelt würde, die über Parteigrenzen hinweg in dieser Angelegenheit bildungspolitischen Weitblick erkennen lässt — zum Nutzen der Schüler, Lehrer und Eltern. Ein erster Anfang wären da bundesweit geltende Bildungsstandards.
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Bild des PhV BW-Vorsitzenden Karl-Heinz Wurster