Philologenverband Baden-Württemberg zum PISA-2-Ländervergleich
3. November 2005
3.11.2005 / 1811 — 36–05
Philologenverband Baden-Württemberg zum PISA-2-Ländervergleich:
„Das gegliederte Schulsystem hat sich in Baden-Württemberg bewährt“
PhV: Nun müssen die aufgedeckten Problembereiche konsequent behandelt und verbessert werden
„Baden-Württemberg mit seinem gegliederten Schulwesen hat beim PISA-2-Bundesländervergleich erfreulich gut abgeschnitten“, stellt der Landesvorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW), Karl-Heinz Wurster, nach dem Bekanntwerden des PISA-Ländervergleichs fest und weist darauf hin, dass die von baden-württembergischen 15-jährigen Gymnasiasten erbrachten Leistungen in praktisch allen getesteten Bereichen signifikant über dem OECD-Durchschnitt und insgesamt mit Bayern und Sachsen bundesweit an der Spitze der ermittelten Punkteskalen liegen. Wurster: „Wir freuen uns darüber, weil mit diesen Ergebnissen auch unsere Auffassung über die gute Leistungsfähigkeit des gegliederten Schulwesens mit dem Gymnasium nun bestätigt wird; die Studie bietet keine Argumente, weiter gegen das gegliederte Schulsystem zu Felde zu ziehen.“
Auffallend sei, dass Nordrhein-Westfalen, wo Gesamtschulgründungen nach der ersten PISA-Studie forciert wurden, sehr schlecht abgeschnitten habe. Der Versuch, den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Schulerfolg durch die Schaffung von Gesamtschulen aufzubrechen, „war n i c h t erfolgreich“ und ist nach Auffassung des Philologenverbandes gescheitert. „Gesamtschulen sind also kein Garant für bessere Leistungen!“
Bemerkenswert ist nach Auffassung des Verbandes, dass beispielsweise der Punktabstand bei der mathematischen Kompetenz in den Gymnasien zwischen Baden-Württemberg (mit 599 auf Platz drei) und Schlusslicht Bremen (562) stattliche 37 Punkte beträgt. Bei der Lesekompetenz liegt Baden-Württemberg (591) sogar mit lediglich zwei Punkten Unterschied gleich hinter Bayern (593). Auch im naturwissenschaftlichen Kompetenzbereich liegen Baden-Württembergs Schüler weit über dem OECD-Durchschnitt und auf dem dritten Platz im Bundesländervergleich. Wurster: „Wir sehen uns durch die Ergebnisse darin bestätigt, dass auch die Lehrerinnen und Lehrer an Baden-Württembergs Gymnasien gute Arbeit leisten.“
Besonderes Augenmerk müsse den durch die Studie ans Licht beförderten Problemfeldern gewidmet werden. Kinder mit soziokulturellen Defiziten und schwierigem Migrationshintergrund müssen, so die Forderung des PhV, durch Maßnahmen der Frühförderung, wie sie jetzt von der Landesregierung thematisiert wurden, und durch eine differenziertere Förderung in Grundschulen und weiterführenden Schulen noch besser integriert werden. Wurster: „Ganz wichtig sind deshalb kleine Klassen und mehr qualifiziertes Lehrpersonal; auf keinen Fall darf mit dem Sinken der Schülerzahlen ein Abbau von Lehrerstellen gekoppelt sein.“ Der durch die Studie gerade auch für Baden-Württemberg aufgedeckte starke Zusammenhang zwischen Herkunft und Kompetenzniveau dürfe so nicht bleiben, fordert der PhV, weist aber auch darauf hin, dass für die Kompetenzunterschiede auch Unterricht, schulische Rahmenbedingungen und Lernbereitschaft der Schüler verantwortlich seien. Hier könne auch mit bedarfsorientierten und finanziell gut abgesicherten Ganztagsangeboten teilweise gegengesteuert werden.
Zu den festgestellten Defiziten beim schulischen Computereinsatz gegenüber anderen Ländern meint der PhV-Landesvorsitzende, dass der häufige Einsatz des Computers „kein Heilmittel zur Behebung von Bildungsdefiziten“ darstellt. In einem Bundesland wie Nordrhein-Westfalen, in dem Jugendliche vom schulischen Computereinsatz laut PISA-Studie profitieren, sei das Kompetenzniveau bei der mathematischen Kompetenz mit 578 Punkten noch unter dem OECD-Durchschnitt geblieben.
Wurster prognostiziert: „Wenn an unseren Schulen erst einmal alle Lehrerplätze und in der Folge die Klassenzimmer mit Computern ausgestattet sind und die professionelle Betreuung und Wartung der Geräte an allen Schulen so geregelt ist, dass Notebooks und PCs immer einsatzbereit sind und auch funktionieren, dann wird sich von selbst der Häufigkeitswert für den schulischen Computereinsatz erhöhen.“ Im Übrigen gelte: „Lieber etwas weniger Computernutzung, dafür aber intensiv und vor allen Dingen richtig!“ Wichtig sei, dass Lehrer für den Computereinsatz besser fortgebildet werden. Schon während der Referendarausbildung müsse auch der Lehrernachwuchs angemessen darauf vorbereitet und mit solchen „nicht-traditionellen“ Möglichkeiten der Wissensvermittlung unter professioneller Anleitung vertraut gemacht werden. In diesem Zusammenhang weist der PhV-Landesvorsitzende darauf hin, dass die Studie keinerlei Aussagen über die Art der Computernutzung mache. Sie lasse aber erkennen, dass es noch Mängel bei der Fortbildung und in der Ausstattung der Schulen gibt.
Als positiv bewertet der Philologenverband, dass durch die Befragungen der Schulleitungen auch Informationen über Unterschiede zwischen Schulen, etwa im Hinblick auf Ressourcen und Aspekte eines lernförderlichen Klimas, gewonnen wurden. Der Philologenverband Baden-Württemberg stellt abschließend fest: „Investitionen in Bildung und neue Lehrerstellen lohnen sich!“