„Jugendbegleiter-Programm“ ist unausgereift und ungeeignet für Ganztagsbetrieb an Gymnasien
21. Dezember 2005
21.12.2005 / 1811 — 42–05
Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW):
„Jugendbegleiter-Programm“ ist unausgereift und ungeeignet für Ganztagsbetrieb an Gymnasien
„Ohne zusätzliche und professionell ausgebildete Lehrkräfte ist ein schulischer Ganztagsbetrieb nicht machbar!“
„Das vom Ministerrat beschlossene Programm „Jugendbegleiter“ zur schulischen Ganztagsbetreuung ist in der von Ministerpräsident Günther Oettinger und Kultusminister Helmut Rau vorgestellten Form noch nicht ausgereift und eignet sich gar nicht oder nur bedingt für eine Umsetzung an den Gymnasien des Landes“, so die Auffassung von Karl-Heinz Wurster, dem Vorsitzenden des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW), zum Beschluss des Ministerrats vom 19. Dezember 2005, ehrenamtlich Tätige in die schulische Ganztagsbetreuung zu integrieren.
Wurster: „Wir stimmen zwar dahingehend mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger und Kultusminister Rau überein, dass Bildung, Betreuung und Erziehung nicht allein Aufgabe von Eltern und Schule sind, sondern in der Verantwortung der ganzen Gesellschaft liegen.“ Aus dieser Feststellung dürfe aber nicht der Schluss gezogen werden, dass schulexterne Personen und Institutionen mit Aufgaben bedacht werden, die normalerweise in die Hände professionell dafür ausgebildeter Pädagogen gehören.
Wurster fragt: „Welcher Handwerker kann beispielsweise seine Arbeit im Betrieb zurückstellen, um sich an Schulen den Aufsichts‑, Erziehungs- und Betreuungsaufgaben zu widmen? Sollen etwa während der Sommerferien, wenn viele Betriebe geschlossen sind, so genannte Koordinierungsgruppen der Schulen jene Ehrenamtlichen suchen – und das alle Jahre wieder? Wird nicht durch die von Jahr zu Jahr wechselnden „Jugendbegleiter“ die Kontinuität und Verlässlichkeit des Schulbetriebs infrage gestellt? Welche Erfahrung hat eine an den Schulen zu gründende Koordinierungsgruppe beispielsweise mit der Auswahl geeigneter Ehrenamtlicher? Woher nehmen solche Koordinatoren beispielsweise an Gymnasien die zusätzliche Zeit für ihre Planungs- und Koordinierungsarbeiten? Kann ein noch einzurichtendes und hierfür zuständiges Gremium auf Landesebene überhaupt allen Ganztagsschulen eine ausreichende Unterstützung anbieten und die Umsetzung richtig koordinieren?“ Fragen über Fragen.
Wurster: „In der von Ministerpräsident Oettinger und Kultusminister Rau vorgelegten Fassung können wir kein Unterstützungssystem für die Schule erkennen; denn: die in der Schulpraxis umzusetzenden Vorschläge sind mit erheblicher Mehrarbeit verbunden.“
Vom Philologenverband (PhV BW) wird bezweifelt, dass „Jugendbegleiter“ im Rahmen der täglichen Unterrichtsarbeit pädagogisch wirksam eingesetzt werden können. „Für diese Arbeit ist ein professionelles Ausbildungsangebot mit abschließender Prüfung nötig“, fordert Wurster und gibt zu bedenken, dass gerade die schwieriger gewordene Erziehungs- und Unterrichtsarbeit an den Schulen bis zur zehnten Klassenstufe weder von einem Übungsleiter noch von einem Handwerker im erforderlichen Umfang geleistet werden kann. Übungsleiter in Vereinen hätten es beispielsweise im Wesentlichen mit sehr motivierten jungen Menschen mit gleichen oder sehr ähnlichen Interessen zu tun; das sei in den zumeist heterogenen Schulklassen nicht der Fall. Im Hinblick auf einen kontinuierlich und langfristig funktionierenden Multiplikationseffekt an den Schulen mit Ganztagsbetrieb könne auf pädagogisch gut ausgebildetes und qualifiziertes Personal nicht verzichtet werden.