Philologenverband befürchtet weitere Irritationen an den Gymnasien

21. Februar 2006

21.2.2006 / 1811 — 08–06

Philolo­gen­ver­band befürchtet weit­ere Irri­ta­tio­nen an den Gym­nasien

Stun­den kön­nen nicht beliebig ver­schoben werden/ Kri­tik an unbe­friedi­gen­der schulis­ch­er Infra­struk­tur / Das G 8 ist bere­its ein Ganz­tags­be­trieb

Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg (PhV BW) begrüßt den von der Lan­desregierung angekündigten bedarf­s­gerecht­en Aus­bau von Ganz­tagss­chulen mit Schw­er­punkt bei den Grund­schulen, weist aber darauf hin, dass an den Gym­nasien durch die Umstel­lung der Gym­nasialzeit von neun auf generell acht Jahre vielfach bere­its ein Ganz­tags­be­trieb herrsche. „Durch die Verdich­tung des Unter­richts auf­grund der durch die KMK vorgegebe­nen Wochen­stun­den­zahl gibt es an vie­len Gym­nasien des Lan­des schon einen Ganz­tags­be­trieb, allerd­ings meist ohne die dafür erforder­lichen Rah­menbe­din­gun­gen — und genau daran entzün­det sich unsere Kri­tik“, so der Lan­desvor­sitzende des Philolo­gen­ver­bands Baden-Würt­tem­berg (PhV BW), Karl-Heinz Wurster mit dem Hin­weis: „Einige wenige Muster­gym­nasien mit ide­al­er Ausstat­tung sind nicht typ­isch für die vie­len Gym­nasien im Land mit immer noch unbe­friedi­gen­der räum­lich­er und für den Ganz­tags­be­trieb völ­lig unzure­ichen­der per­son­eller Ausstat­tung.“ Im Übri­gen dürften Stun­den, die aus der Unter­stufe nun wieder her­ausgenom­men wer­den sollen, nicht beliebig ver­schoben wer­den. Der PhV fordert stattdessen eine Auf­s­tock­ung der Pool­stun­den.

Nach Auf­fas­sung des Ver­ban­des hätte an den Gym­nasien das durch die nicht aus­gereifte G 8‑Konzeption ent­standene Dilem­ma ver­mieden wer­den kön­nen, wenn die War­nun­gen des PhV  in der Ver­gan­gen­heit von den poli­tisch Ver­ant­wortlichen ern­ster genom­men wor­den wären; das gelte ins­beson­dere auch für die Stun­den­verteilung in den ver­schiede­nen Klassen­stufen. Der Philolo­gen­ver­band schlägt deshalb vor, mit jenen Stun­den, die das Kul­tus­min­is­teri­um aus der Unter­stufe her­aus­nehmen will, den bere­its vorhan­de­nen zwölf­stündi­gen Stun­den­pool aufzu­s­tock­en, und zwar zur Ver­wen­dung von dif­feren­zieren­den und fördern­den Maß­nah­men in den Kern­fäch­ern Deutsch, Math­e­matik und Fremd­sprache. „Wenn in der Ober­stufe wesentliche Kernkom­pe­ten­zen vorhan­den sein sollen, müssen die Voraus­set­zun­gen hier­für bere­its in der Unter- und Mit­tel­stufe gelegt wer­den, und zwar bei allen Schülern“, fordert PhV-Chef Wurster mit dem kri­tis­chen Hin­weis, dass die Mit­tel­stufe mit Stun­den schon rand­voll aus­ges­tat­tet sei und auch Ober­stufen­schüler nicht noch weit­er belastet wer­den kön­nten. Nicht bedacht wor­den sei auch, dass der seit 2004 einge­führte neue Bil­dungs­plan keine Ver­schiebung von Stun­den zulasse. Wurster: „Bil­dungs­plan und Kontin­gentstun­dentafel soll­ten eine Ein­heit darstellen und eignen sich nicht für beliebiges Hin- und Her­manövri­eren. Wer­den jet­zt Stun­den von ein­er Klasse zur näch­sten oder von der Sekun­darstufe I in die Sekun­darstufe II geschoben, hätte das eine Neukonzep­tion des Bil­dungs­plans zur Folge und  würde zu weit­eren Irri­ta­tio­nen an den Gym­nasien führen.“

Mit Nach­druck rät der PhV, mit der zweit­en Fremd­sprache erst in der Klassen­stufe 6 zu starten. Das komme nicht nur den Kindern zugute, son­dern diene auch der besseren Durch­läs­sigkeit zwis­chen den Schu­larten. Auch sei nach der Grund­schule kaum von einem ein­heitlichen Ken­nt­nis­stand in der ersten Fremd­sprache auszuge­hen. So sei ger­ade die Klasse fünf beson­ders gut geeignet, die Schüler mit den gym­nasialen Anforderun­gen ver­traut zu machen, ihre unter­schiedlichen Sprachken­nt­nisse auf einen ein­heitlichen Stand zu brin­gen und Grund­kom­pe­ten­zen in den Kern­fäch­ern zu fes­ti­gen.

„Das achtjährige Gym­na­si­um ist ein Ganz­tags­be­trieb, der weit­ere Lehrerwochen­stun­den und eine deut­liche Verbesserung der schulis­chen Infra­struk­tur erfordert, und zwar mit an aktuellen Stan­dards sich ori­en­tieren­den Arbeit­splätzen, mit Rück­zugsmöglichkeit­en für die Unter­richtsvor­bere­itung, mit erweit­er­baren Bib­lio­thek­flächen und Ruheräu­men für Schüler und Lehrer“, stellt PhV-Chef Wurster fest.

Auf Skep­sis stößt beim PhV der beschlossene Ein­satz ehre­namtlich­er Jugend­be­gleit­er. Es wird bezweifelt, dass sie dauer­hafte und ver­lässliche Lösung für eine gut funk­tion­ierende Ganz­tagss­chule sind. Sie kön­nten allen­falls unter­stützend einge­set­zt wer­den. „40 Mil­lio­nen Euro für den Ein­satz von Jugend­be­gleit­ern ist ein stolz­er Betrag“, meint Wurster, bezweifelt aber, dass diese Gelder in ein bis­lang noch nicht erprobtes und unaus­gereiftes Jugend­be­gleit­er-Pro­gramm richtig investiert wur­den. „Der Beweis hier­für ste­ht noch aus“, sagt Wurster und fügt hinzu, dass ein Ganz­tags­be­trieb nur mit gut aus­ge­bilde­ten Päd­a­gogen und qual­i­fizierten Lehrern dauer­haft funk­tion­ieren kann. Zu begrüßen seien jedoch Grün­dun­gen so genan­nter „Bil­dungsnet­zw­erke Wirtschaft-Schule“, wenn dafür den Organ­isatoren an den Schulen aus­re­ichend Stun­den zur Ver­fü­gung gestellt wür­den und der Pflich­tun­ter­richt dadurch nicht ver­nach­läs­sigt werde. Im Hin­blick auf einen naht­losen Über­gang von der Schule ins Beruf­sleben seien solche Kon­tak­te ins­beson­dere für Schüler der Sekun­darstufe I sin­nvoll. Wurster: „An vie­len Schulen beste­hen dies­bezüglich bere­its inten­sive Aktiv­itäten – auch durch BOGY-Maß­nah­men.“ 

Im Blick auf eine zunehmende Autonomisierung der Schulen gibt der PhV außer­dem zu bedenken, dass mehr schulis­che Eigen­ständigkeit einen Schul­wech­sel und damit die heute stärk­er geforderte Mobil­ität von Fam­i­lien erschw­ert.

 

 

 

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