Positionen und 6‑Punkte-Forderungskatalog des PhV BW zur Behebung des Lehrermangels

8. Februar 2023

Zu den Empfehlun­gen der Ständi­gen wis­senschaftlichen Kom­mis­sion der KMK zur Behe­bung des Lehrkräfte­man­gels nimmt der PhV BW wie fol­gt Stel­lung.

Der Lehrkräfte­man­gel ist ein haus­gemacht­es Prob­lem:

Statt in guten Zeit­en vorauss­chauend über den unmit­tel­baren Bedarf hin­aus Lehrkräfte einzustellen, hat die Lan­desregierung ab 2012 mit Stel­lenkürzun­gen im Umfang von bis zu 11.600 Lehrerstellen geliebäugelt.1 Aus dem ver­sproch­enen „Bil­dungsauf­bruch“ wurde so ein „Bil­dungsab­bruch“, der sich auch in den Bil­dungsver­gle­ichsstu­di­en seit 2016 wider­spiegelt.

Durch eine ganze Rei­he von Spar­maß­nah­men bei Besol­dung und Ver­sorgung der Lan­des­beamten sowie immer schlechtere Beförderungs- und Auf­stiegsmöglichkeit­en und damit immer unat­trak­ti­vere Arbeits­be­din­gun­gen an den all­ge­mein­bilden­den Gym­nasien sind die Beruf­san­fängerzahlen inner­halb von 10 Jahren auf fast die Hälfte geschrumpft.

Gle­ichzeit­ig hat die ständi­ge Erhöhung der Arbeits­be­las­tung gym­nasialer Lehrkräfte dazu geführt, dass nur noch ca. ein Drit­tel die Alters­gren­ze im aktiv­en Dienst erre­ichen, aber zwei Drit­tel der gym­nasialen Lehrkräfte vorzeit­ig in Pen­sion gehen.

Der Lehrkräfte­man­gel im Grund­schul­bere­ich ist eben­so selb­st ver­schuldet, weil die Regel­stu­dien­zeit für das Grund­schullehramt erhöht, die Zahl der Stu­di­en­plätze an den Päd­a­gogis­chen Hochschulen aber nicht entsprechend aufge­stockt wurde.

Forderun­gen

Der von der Poli­tik haus­gemachte Lehrkräfte­man­gel darf nicht durch eine Ver­größerung der Klassen oder eine Erhöhung der Lehrkräfte-Unter­richtsverpflich­tung auf 26 Stun­den auf dem Rück­en von Schü­lerin­nen und Schülern sowie Lehrkräften aus­ge­tra­gen wer­den.

Wenn die Lan­desregierung aus­re­ichend in den Bil­dungs­bere­ich investiert, kann dem Lehrkräfte­man­gel durch fol­gende Maß­nah­men begeg­net wer­den:

1. Alterser­mäßi­gung verbessern

Damit der Großteil der Lehrkräfte länger im aktiv­en Dienst bleiben kann, muss die Alterser­mäßi­gung deut­lich erhöht wer­den. Wenn Lehrkräfte ab 55 Jahren zwei Stun­den, ab 60 vier Stun­den und ab 62 sechs Stun­den Alterser­mäßi­gung bekä­men, würde eine große Zahl deut­lich länger im Dienst bleiben.

2. Alter­steilzeitregelung für alle Lehrkräfte

Außer­dem muss die Alter­steilzeitregelung, die derzeit nur für Schwer­be­hin­derte gilt, auf alle ver­beamteten und Arbeit­nehmer-Lehrkräfte aus­gedehnt wer­den, um die vorzeit­ige Pen­sion­ierung aus gesund­heitlichen Grün­den zu ver­hin­dern.

3. Befris­tete Aufhe­bung der Zuver­di­en­st­gren­ze für Pen­sionäre

Um mehr Pen­sionäre für eine befris­tete Beschäf­ti­gung an den Schulen zu gewin­nen, muss die Zuver­di­en­st­gren­ze für Pen­sionäre in Zeit­en des Lehrkräfte­man­gels aufge­hoben wer­den.

4. Verbesserung von Bezahlung, Beförderung und Auf­stiegsmöglichkeit­en

Um langfristig die Besten eines Jahrgangs (auch in MINT-Fäch­ern) für ein Lehramts-studi­um und den gym­nasialen Lehrerberuf zu gewin­nen, müssen Bezahlung, Beförderung und Auf­stiegsmöglichkeit­en im gym­nasialen Lehramt deut­lich verbessert wer­den.

5. Antizyk­lis­che, nach­haltige Ein­stel­lungspoli­tik

Zur langfristi­gen Sicherung der Lehrkräftev­er­sorgung muss die Lan­despoli­tik in Rich­tung nach­haltige, antizyk­lis­che Ein­stel­lungspoli­tik ums­teuern: In guten Zeit­en, wenn aus­re­ichend Beruf­san­fänger zur Ver­fü­gung ste­hen, muss das Land über den unmit­tel­baren Bedarf hin­aus Lehrkräfte ein­stellen, damit in Zeit­en des Lehrkräfte­man­gels aus­re­ichend Lehrkräfte zur Ver­fü­gung ste­hen. Eine gute Lehrkräftev­er­sorgung kann zur Ver­ringerung der Klassen­stärken, für zusät­zliche Förderange­bote und die Ver­ringerung der Unter­richtsverpflich­tung genutzt wer­den.

6. Verbesserung der Arbeits­be­din­gun­gen an den Gym­nasien

Die Attrak­tiv­ität des gym­nasialen Lehramts muss durch eine Verbesserung der Arbeits­be­din­gun­gen deut­lich gesteigert wer­den. Ins­beson­dere die Konzen­tra­tion der Lehrkräfte-Arbeit­szeit auf ihr eigentlich­es Kerngeschäft, den Unter­richt, muss jet­zt ange­gan­gen wer­den: Eine generelle Auf­gabenkri­tik, der Aus­gle­ich von außerun­ter­richtlichen Auf­gaben durch Anrech­nungsstun­den und vor allem die Ver­lagerung von organ­isatorischen Auf­gaben auf eine zusät­zliche Ver­wal­tungskraft muss dabei mit Tem­po ange­gan­gen wer­den.

31.01.2023

Lan­desvor­stand des PhV BW

1 Vgl. SPIEGEL vom 10.07.2012: „Kretschmann will 11.600 Lehrer-Stellen stre­ichen“, aufgerufen am 30.01.2023 unter https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/baden-wuerttemberg-kretschmann-will-lehrerstellen-streichen-a-843705.html

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den knapp 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt mit über 9.000 im Ver­band organ­isierten Mit­gliedern die Inter­essen der Lehrerin­nen und Lehrer an den 462 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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