Pressemitteilung des PhV BW zu den Ergebnissen von VERA 8

19. September 2022

  • VERA 8-Ergebnisse unterstreichen die Vorzüge eines gegliederten Bildungssystems
  • Schüler an Gemeinschaftsschulen schneiden auf allen Niveaus deutlich schlechter ab als die Schüler der entsprechenden differenzierten Schularten
  • PhV-Vorsitzender Ralf Scholl: „Offenbarungseid für die Gemeinschaftsschulen“
  • Forderung nach einer Evaluation der GMS

Im Monitoring-Report „VERA 8 – 2022 Baden -Württemberg“ sind nicht nur die schulartspezifischen Ergebnisse dargestellt, sondern es wird auch im Einzelnen aufgeführt, welche Ergebnisse die Schüler erreicht haben, die an den Gemeinschaftsschulen jeweils auf G-, M- und E-Niveau unterrichtet werden (Abb. 7 auf S. 6), und welche Ergebnisse die Schüler erreicht haben, die an den Realschulen jeweils auf G- und auf M-Niveau unterrichtet werden (ebenda Abb. 8 auf S.7).

Hintergrund

Das G-Niveau (grundlegende Niveau) entspricht laut Bildungsplan für die Sekundarstufe I dem Haupt- / Werkrealschulniveau, das M-Niveau (mittlere Niveau) entspricht laut Bildungsplan für die Sekundarstufe I dem Realschulniveau, und das E-Niveau (erweiterte Niveau) entspricht laut Bildungsplan für die Sekundarstufe I und nach gymnasialem Bildungsplan dem Gymnasialniveau.

Damit ermöglichen die normierten VERA 8-Tests einen direkten Vergleich der erreichten Kompetenzstufen zwischen Achtklässlern, die in verschiedenen Schulformen auf dem gleichen Niveau unterrichtet werden.

Exemplarisch werden nachfolgend die Ergebnisse in Mathematik und Deutsch-Orthografie dargestellt:

Auf einen Blick anschaulich werden diese Daten in einem Schaubild:

VERA 8 Ergebnisse Mathematik 2022
MathematikGYMGMS E
RS MGMS M
RS GWRSGMS G
Niveau Ia13
816
454651
Niveau Ib29
2633
363335
Niveau II1526
3431
151612
Niveau III2633
2115
452
Niveau IV3522
84
110
Niveau V218
21
000

Zur Erklärung des Schaubilds:

Die Säule „GYM” gibt die erreichten Kompetenzniveaus der Schüler an Gymnasien wieder.

Die Säule “GMS E“ zeigt die erreichten Kompetenzniveaus der Schüler an Gemeinschaftsschulen, die dort – laut Auskunft ihrer Lehrkräfte – auf erweitertem Niveau, d.h. Gymnasialniveau unterrichtet werden.

Die Säule “RS M“ gibt die erreichten Kompetenzniveaus der Realschüler wieder, die an den Realschulen auch auf M-Niveau = Realschulniveau unterrichtet werden.

Die Säule “GMS M“ gibt die erreichten Kompetenzniveaus der GMS-Schüler wieder, die – laut Auskunft ihrer Lehrerinnen und Lehrer – auf M-Niveau = Realschulniveau unterrichtet werden.

Die Säule “RS G“ gibt die erreichten Kompetenzniveaus der Schüler wieder, die an den Realschulen auch auf G-Niveau = Haupt-/Werkrealschulniveau unterrichtet werden.

Die erreichten Kompetenzstufen lassen sich folgendermaßen beschreiben:

Zum GER-Niveau (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen) vergleiche:

http://www.europaeischer-referenzrahmen.de

Definition der Kompetenzstufen
StufeBeschreibungKommentarFremdsprachen GER-Niveau
VOptimalstandard
B 2.2
IVRegelstandard plus
B 2.1
IIIRegelstandardentspricht bestandenem RealschulniveauB 1.2
IIMinimalstandardentspricht bestandenem HauptschulniveauA 2.2 und B 1.1
Ibunter Minimalstandard
A 2.1
Iaweit unter Minimalstandard
A 1.1 und A 1.2

Hier die VERA 8-Ergebnisse für Deutsch-Orthografie 2022:

D-Orthografie 2022
OrthografieGYMGMS E
RS MGMS M
RS GWRSGMS G
Niveau Ia01
14
111821
Niveau Ib28
1327
424346
Niveau II1131
4043
373037
Niveau III4042
3623
995
Niveau IV3516
93
110
Niveau V133
10
000

und das entsprechende Schaubild auf der nächsten Seite:

Die Schaubilder legen schon auf den ersten, flüchtigen Blick eine klare Schlussfolgerung nahe:

Die Schüler der Gemeinschaftsschulen schneiden auf allen Niveaus deutlich schlechter ab als die Schüler der entsprechenden differenzierten Schularten.

Sprich: Die lediglich 7 % GMS-Schüler, die auf E-Niveau (= Gymnasialniveau) unterrichtet werden, schneiden deutlich schlechter ab als die Schüler an den Gymnasien.

Die mindestens 41 % GMS-Schüler, die auf M-Niveau (= Realschulniveau) unterrichtet werden, schneiden deutlich schlechter ab als die M-Schüler an den Realschulen. (Die Realschulen müssen ja seit ein paar Jahren auch Hauptschüler aufnehmen und können diese ab Klasse 7 dann auf G-Niveau unterrichten.)

Und selbst auf G-Niveau schneiden die GMS noch etwas schlechter ab als die Hauptschüler auf den Realschulen und den Werkrealschulen.

„Diese Ergebnisse zeigen in meinen Augen deutlich das Scheitern der Schulart Gemeinschaftsschule in ihrer gegenwärtigen Form“, erklärt der Landesvorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW), Ralf Scholl.

Baden-Württemberg investiert seit der Einführung der GMS zum Schuljahr 2012/2013 massiv in diese Schulart.

Begründet wird dies mit der angeblich größeren Bildungsgerechtigkeit sowie den pädagogischen Leistungen, die dieser Schulart von ihren Befürwortern zugeschrieben werden.

Die GMS arbeitet nach einem neuen, weltweit unerprobten und nicht evaluierten didaktischen Konzept: Lehrer sollen nur noch Lernbegleiter sein, und die Schüler dazu bringen, sich ihr Wissen möglichst selbstständig zu erarbeiten. Dies widerspricht aller pädagogischen Erfahrung, dass man gerade die schwächsten Schüler am engsten führen muss, um ihnen ausreichende Lernfortschritte zu ermöglichen.

Die VERA 8-Daten von 2019, 2020, 2021 und 2022 zeigen deutlich, dass die Schüler an den GMS nicht mehr lernen als die jeweils direkt vergleichbaren Schüler an den Werkrealschulen, Realschulen und Gymnasien, sondern deutlich weniger.

Insbesondere fällt bei Deutsch-Orthografie bei G- und M-Niveau-Schülern die deutlich größere Anzahl an GMS-Schülern auf, die nicht über Niveaustufe Ia und Ib hinauskommen und damit unterhalb des Minimalniveaus bleiben.

Ebenso auffällig ist die deutlich geringere Anzahl an Schülern in den Niveaustufen V und IV und III (jeweils sowohl bei Schülern im E-, wie auch im G- und M-Niveau.)

„Das ist der Offenbarungseid der Schulform Gemeinschaftsschule“, bilanziert Ralf Scholl. Die Lehrkräfte an den Gemeinschaftsschulen geben zwar ihr Bestes, sind aber – gewollt – nur noch „Lernbegleiter“. Muss man dann nicht dieses offenbar untaugliche didaktische Konzept in Gänze hinterfragen, wenn ihre Schüler offensichtlich weniger lernen als die vergleichbaren Schüler an anderen Schularten?

Für Ralf Scholl stellt sich auch die Frage, wie die GMS es schaffen, die Unterrichtsinhalte, die sie in den Klassenstufen 5 bis 7 und im ersten Halbjahr von Klassenstufe 8 ihren Schülern – laut VERA-8-Ergebnissen – nicht beigebracht haben, ihnen bis zum Schulabgang dann beschleunigt zu vermitteln: Denn die GMS feiern sich ja lautstark dafür, dass sie notenmäßig bei der mittleren Reife “auf Augenhöhe” mit den Realschulen liegen.

Nach diesen Test-Ergebnissen muss man sich fragen: „Sind die Noten in den Mittlere Reife-Zeugnissen der Gemeinschaftsschulen vielleicht deutlich besser als die tatsächlich gezeigten Leistungen?“

Der PhV-Landesvorsitzende fordert daher: Die Leistungen der Schüler an allen Schulformen, insbesondere aber an der GMS, sollten auch im Abschlussjahrgang jeweils noch einmal mit einem möglichst bundesweit normierten Test („VERA 10“) evaluiert werden.

„Die Ergebnisse von VERA 8 unterstreichen deutlich, dass die differenzierten Schularten im Hinblick auf den Lernerfolg ihrer Schülerinnen und Schüler besser abschneiden als die Gemeinschaftsschule – und das trotz der enormen Gelder, die in den vergangenen zehn Jahren in die GMS gepumpt wurden. Die Politik muss aus diesen klaren und eindeutigen Fakten endlich Konsequenzen ziehen. Eine objektive und faktenbasierte Evaluation der Gemeinschaftsschulen ist dringend notwendig“, betont Ralf Scholl.

* * *

An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden knapp 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit über 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.

Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.

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