Resolution zur Aufnahme der Flüchtlingskinder
14. Dezember 2015
Bei seiner turnusmäßigen Sitzung am 11. Dezember 2015 im Haus der Katholischen Kirche in Stuttgart beschloss der Hauptvorstand des Philologenverbandes Baden-Württemberg — satzungsgemäß zweithöchstes Organ des Verbandes — einstimmig diese Resolution zur “Aufnahme der Flüchtlingskinder”:
Da der Flüchtlingszustrom nach Deutschland stetig anhält, steht Baden-Württemberg vor einer der größten Herausforderungen der letzten Jahre, denn mit den Flüchtlingen kommen auch schulpflichtige Flüchtlingskinder hier an, die mittelfristig an unseren Schulen aufgenommen werden.
Wenn jetzt eine sprachliche Integration der Flüchtlingskinder in den Schulen möglichst schnell gelingen soll, werden kurz- bis mittelfristig intensive Sprachkurse mit anfangs vier- bis sechsstündigem Unterricht pro Tag in möglichst überschaubaren Gruppengrößen benötigt. Wir fordern die Landesregierung auf, in einem Stufenplan zunächst umgehend über das landeseigene Fortbildungsinstitut zusätzliche Sonderkurse für die Zusatz-Qualifizierung von Lehrkräften mit Schwerpunkt ‘Deutsch als Zweitsprache’ für alle Schularten einzurichten.
Aber wir brauchen auch umgehend zusätzliche Lehrereinstellungen in allen anderen Unterrichtsfächern. Denn nach dem erfolgreichen Erwerb der deutschen Sprache werden die Flüchtlingskinder wegen ihrer großen Zahl schnell dafür sorgen, dass die jeweiligen Klassenmesszahlen an den Schulen überschritten werden und neue Klassen gebildet werden müssen. Dann werden auch zusätzliche Lehrkräfte in den anderen schulischen Fächern benötigt, denn jede neu gebildete Klasse braucht einen zusätzlichen Stamm von Lehrkräften, die den täglichen Unterricht durchführen.
Die Schulen in Baden-Württemberg sind in den letzten Jahren durch immer neue Zusatzaufgaben, die sie erfüllen müssen, ohne dass dafür ein adäquater Ausgleich gewährt wurde, bereits jetzt an der Grenze ihrer Belastung angelangt. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, umgehend in ihren Nachtragshaushalten für die entsprechende zusätzliche Einstellung von Lehrkräften auch an den Gymnasien zu sorgen. Sie werden mittel- und langfristig dringend und auf Dauer benötigt, um die Flüchtlingskinder mit der entsprechenden Begabung in den Bildungsgang Gymnasium zu integrieren.
Besonders wichtig für die Schülerinnen und Schüler, die schwere Zeiten durchlitten haben, ist auch eine fachkundige psychologische Betreuung vieler Flüchtlingskinder, für die die Landesregierung ebenfalls Sorge tragen möge. Die Schulpflicht für die ankommenden Kinder und Jugendlichen beginnt ein halbes Jahr nach ihrer Ankunft. Es sollte Sorge dafür getragen werden, dass die Beschulung dieser jungen Menschen möglichst früh beginnt, v. a. dann, wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie und ihre Familien ein Bleiberecht bekommen.
Wir möchten auch darauf hinweisen, dass viele Sprachlehrkräfte an den Gymnasien über Erfahrungen im Unterricht von Deutsch als Zweitsprache verfügen, da viele als assistant teachers bzw. als assistant(e) in Großbritannien, Frankreich, Spanien und vielen anderen Ländern tätig waren.
An den baden-württembergischen Gymnasien bestehen bereits an einigen Standorten Vorbereitungsklassen, die mit den notwendigen personellen, materiellen und räumlichen Ressourcen ausgestattet sein müssen, damit die Schülerinnen und Schüler sich gut integrieren können. Entscheidend sind bei diesem Ziel die Gruppengrößen und die angemessene Zahl von Lehrkräften, Betreuerinnen und Betreuern.
Auf Vertretungspool-Online sind Hunderte von Lehrkräften mit sprachlichen Fächern gemeldet, deren Einsatzmöglichkeit für die Integration der Flüchtlingskinder dringend geprüft werden muss.
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt über 8.500 im Verband organisierte Lehrerinnen und Lehrer an den 446 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der rund 27.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.