2019 04 06 TdG Spitzer gross

Tag des Gymnasiums 2019

25. April 2019

 

Ein Tagungs­bericht von Jochen Ring (Kurz­fas­sung unter https://www.philologenverband.de/aktuelles/)

Dass es gute Gründe zur Skep­sis hin­sichtlich ein­er schnellen Dig­i­tal­isierung der Schulen der Pri­mar- und Sekun­darstufe gibt und entsprechende War­nun­gen nicht mehr nur vere­inzelt zu vernehmen sind, belegten ein­drucksvoll auf dem vom Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg aus­gerichteten „Tag des Gym­na­si­ums“ am 06.04.2019 die ein­ge­lade­nen Ref­er­enten, Prof. Dr. Dr. Man­fred Spitzer und Prof. Dr. Ger­traud Teuchert-Noodt. Seinen Aus­gangspunkt nahm die Argu­men­ta­tion Spitzers bei zahlre­ichen in führen­den Fach­magazi­nen veröf­fentlicht­en Stu­di­en, die zu dem Ergeb­nis gelan­gen, dass Län­der, deren Schulen bei ihren Bil­dungs­be­mühun­gen nicht auf die Dig­i­tal­isierung der Klassen­z­im­mer set­zten, in inter­na­tionalen Leis­tungsver­gle­ichen bess­er abschnit­ten. Ver­häng­nisvoll sei darüber hin­aus der Irrtum, dass die Dig­i­tal­isierung Fak­ten­wis­sen über­flüs­sig mache, ein Missver­ständ­nis, dessen Über­win­dung Spitzer – hier ganz Päd­a­goge – auf Seit­en der Teil­nehmer der in der Stuttgarter Hed­wig-Dohm-Schule durchge­führten Ver­anstal­tung auf dem Weg sokratis­ch­er Maieu­tik gelang. Er ließ das Pub­likum per Abstim­mung darüber befind­en, ob es zum Erler­nen ein­er weit­eren Fremd­sprache geeigneter sei, noch nie eine gel­ernt zu haben oder aber schon vier oder fünf zu beherrschen. Die Intu­ition, die in einem ein­deuti­gen Ergeb­nis der Befra­gung ihren Aus­druck fand, täusche uns nicht, so Spitzer: Ler­nen und Denken lassen sich nicht aus­lagern, das men­schliche Gehirn funk­tion­iere nicht wie ein Com­put­er, dessen Spe­icherka­paz­ität irgend­wann erschöpft sei.

 2019 04 06 TdG Spitzer gross

Vielmehr ver­halte es sich genau umgekehrt: Wer schon viel wisse, könne umso mehr hinzuler­nen und auch Such­maschi­nen viel angemessen­er nutzen. Dem entsprechend lautete seine Empfehlung an die fast 200 ver­sam­melten Lehrkräfte: „Wenn Sie wollen, dass Ihre Schü­lerin­nen und Schüler sich in der realen Welt zurechtfind­en kön­nen und neben­bei auch Google beherrschen, dann soll­ten Sie im Unter­richt eines nicht tun, näm­lich Google benutzen.“

2019 04 06 TdG Spitzer

Weit­er­hin plädierte der bekan­nte Forsch­er für einen Unter­richt, der auf Anstren­gung und Anspruch zielt, für eine Reduk­tion des Taschen­rech­nere­in­satzes und ver­mehrtes Kopfrech­nen, eben­so für ein Schreiben mit Füller statt mit Hil­fe ein­er Tas­tatur. Dass let­zteres weniger nach­haltig ist, lässt sich ein­er­seits bele­gen mit Stu­di­en, denen zufolge Stu­den­ten, die Lap­tops benutzen, nicht so erfol­gre­ich seien wie diejeni­gen, die dies nicht tun, und ander­er­seits mit dem Sachver­halt erk­lären, dass das schnellere Tas­taturschreiben zu einem unre­flek­tierten wörtlichen Abtip­pen ganz­er Vor­trags- und Textpas­sagen ver­leite, während das wesentlich langsamere Schreiben mit der Hand mehr eigen­ständi­ge, zusam­men­fassende For­mulierun­gen abver­lange.

2019 04 06 TdG Teuchert N

Sin­nvoll ergänzt wur­den Spitzers Über­legun­gen im Anschlussrefer­at, das von der Neu­ro­bi­olo­gin Prof. Dr. Ger­traud Teuchert-Noodt gehal­ten wurde. Sie bezog sich auf ein Zitat des ver­stor­be­nen FAZ-Mither­aus­ge­bers Frank Schirrma­ch­er, der in seinem let­zten Buch Mul­ti­task­ing als eine „ern­ste Defor­ma­tion von Ner­ven­net­zen“, als „die Staublunge des dig­i­tal­en Zeital­ters“ beze­ich­net hat­te.

 2019 04 06 TdG Teuchert NP

Mit Rekurs auf die durch die Benutzung dig­i­taler Geräte verur­sacht­en Verzögerun­gen der Rei­fung des Stirn­hirns, dessen Funk­tio­nen in der Aus­bil­dung von Willen, Sozialver­hal­ten, his­torischem Bewusst­sein und Antizipa­tion liegt, kon­nte sie ihre ganz konkreten päd­a­gogis­chen Forderun­gen unter­mauern:

1. Dig­i­tale Geräte haben in der Grund­schule nichts zu suchen.
2. Schü­lerin­nen und Schüler müssen viel reden dür­fen, um ler­nen zu kön­nen.
3. Schü­lerin­nen und Schülern müssen die Möglichkeit zu ganzheitlich­er Förderung, zu Sport, ins­beson­dere Ball­spie­len, und zu Gesang erhal­ten.
4. Redun­danz und Übung sind ein Fun­da­ment schulis­chen Ler­nens.
5. Da sich das Gedächt­nis nachts kon­so­li­diert, sind Schlaf­man­gel und die Benutzung dig­i­taler Geräte vor dem Zubettge­hen dem Ler­nen mas­siv abträglich.

2019 04 06 TdG Kampf

2019 04 06 TdG Schroeder

Im zweit­en Teil der Tagung wur­den diverse Arbeit­skreise, die das bre­ite Ser­vice-Ange­bot des Philolo­gen­ver­ban­des Baden-Würt­tem­berg für seine Mit­glieder illus­tri­erten, durchge­führt. Dem Ver­band und seinem Vor­sitzen­den Ralf Scholl sei her­zlich gedankt für eine infor­ma­tive und wertvolle Ver­anstal­tung.

2019 04 06 TdG JauchGrimm

2019 04 06 TdG Schoenfelder heiss

Jochen Ring, Press­esprech­er PhV RP, 06.04.2019

 2019 04 06 TdG Buhmann

2019 04 06 TdG Publikum

 2019 04 06 TdG Einwiller

2019 04 06 TdG GrossSaur

Fotos: Cord San­tel­mann

Im Sinne unserer Mitglieder verwendet diese Webseite bis auf einen technisch notwendigen Cookie keine Cookies. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen