Zumeldung des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW) zu: „Baden-Württemberg: Informatiker warnen vor Microsoft 365 an Schulen“
6. November 2020
Informatiklehrerverband ILLBW stützt Kritik des Philologenverbands am schulischen Einsatz von MS 365
Nach einem Bericht des Heise-Verlags befürchtet die baden-württembergische Fachgruppe der Informatiklehrer in der Gesellschaft für Informatik, dass Baden-Württemberg mit dem Office-Paket von Microsoft seine digitale Souveränität im Bildungssystem verliert. „Diese Sorge ist berechtigt”, so Ralf Scholl, der Landesvorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW). „Wir können doch nicht zulassen, dass systemrelevante IT-Infrastruktur des Landes, wie die geplante Bildungsplattform der Schulen, auf einem US-Cloud-Produkt basiert, das im Extremfall vom US-Anbieter oder der US-Regierung kurzfristig abgeschaltet werden kann!“ Dieses Szenario sei alles andere als absurd, weil es schon ähnliche Präzedenzfälle gebe. So hat der US-Präsident Trump im Zuge des Wirtschaftskonflikts zwischen den USA und China der chinesischen Firma Huawei die Nutzung von Google-Software für Handys verboten.
„Auch die sonstigen Einschätzungen des Informatiklehrerverbands teilen wir“, so der PhV-Landesvorsitzende. Baden-Württemberg habe mit Moodle als Lernplattform, Big Blue Button als Videokonferenzsystem und LibreOffice als Bürosoftware-Suite gut funktionierende OpenSource-Produkte, für die es Musterlösungen und Fortbildungsangebote für die Schulen gebe. „Das Kultusministerium hat sich zurecht vor nicht allzu langer Zeit selbst hierfür in einer Pressemitteilung gelobt“, so Ralf Scholl. Die Einführung von MS 365 an Baden-Württembergs Schulen sei also alles andere als alternativlos.
„Genau wie der ILLBW sehen auch wir als Gymnasiallehrerverband eine ungelöste und vielleicht unlösbare Datenschutzproblematik bei MS 365“, so der PhV-Vorsitzende. Da bei MS 365 die Übertragung von personenbezogenen sogenannten „Telemetrie- und Diagnosedaten“ an Cloud-Server der Firma Microsoft grundsätzlich nicht komplett unterbunden werden könne und die Firma Microsoft außerdem aufgrund amerikanischer Gesetze verpflichtet ist, US-Behörden auch Daten herauszugeben, die auf europäischen Servern liegen („Cloud Act“), sei eine mit dem EU-Datenschutz konforme Nutzung dieser Software durch Lehrkräfte und Schüler zurzeit kaum denkbar. „Man kann doch auch gar nicht verhindern, dass extrem sensible Daten, z. B. über Krankheitsverläufe oder Verhaltensprobleme der Schüler, per Mail von Eltern an Lehrkräfte geschickt werden, sodass diese sensiblen Daten dann automatisch in der MS-Cloud landen. An den Schulen brauchen wir deshalb datensichere Lösungen ohne einen möglichen Zugriff von Dritten!”, so Ralf Scholl abschließend.
Informationen für die Redaktionen:
Das Positionspapier des ILLBW zum Thema finden Sie hier: https://fg-illbw.gi.de/fileadmin/FG/ILLBW/PDF/Stellungnahmen/Positionspapier_ILLBW_MS365.pdf
Die Berichterstattung des Heise-Verlags finden Sie hier: https://www.heise.de/news/Baden-Wuerttemberg-Informatiker-warnen-vor-Microsoft-365-an-Schulen-4948663.html
Das Positionspapier des PhV zu Cloud-Software an Schulen finden Sie hier: https://www.phv-bw.de/wp-content/uploads/2020/10/2020–09-11-PhV-BW-Postionen-Digitale-Souveraenitaet-Beschlussfassung-PhV_BW.pdf
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.