Zumeldung des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW) zum Bericht der Badischen Zeitung: „Datenschutz: Eisenmann setzt auf Microsoft-Plattform für Schulen und erntet Kritik“
27. Juli 2020
Philologenverband zum Datenschutz und zu MS Office 365 an Schulen:
- Datenschutz an Schulen muss Priorität haben!
- PhV BW fordert Weiterentwicklung von OpenSource-Software, angepasst auf Bildungseinrichtungen
- Medienerziehung und Medienmündigkeit sind laut Bildungsplan wichtige Bildungsziele
“Das Kultusministerium muss zweifelsfrei ausschließen, dass durch den Einsatz von kommerzieller Software an Schulen Nutzerdaten von Schülern und Lehrkräften an ausländische Server geleitet werden, für die kein Datenschutz nach europäischem Standard gewährleistet ist!”, fordert der Landesvorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW), Ralf Scholl.
Der laut Medienberichten vom Kultusministerium geplante Einsatz der Büro- und Kommunikationssoftware Microsoft Office 365 sei nur zu verantworten, wenn der Landesbeauftragte für den Datenschutz hierfür eindeutig grünes Licht gibt. Das sei bisher nicht der Fall.
Vor Kurzem hatte sich das Kultusministerium noch selbst dafür gelobt, den Schulen mit Moodle, Big Blue Button und Threema datenschutzkonforme Lösungen für das digitale Lernen und den Fernunterricht zur Verfügung zu stellen. (siehe https://km-bw.de/,Lde/Startseite/Service/2020+06+22+Big+Blue+Button+und+Fortbildungsangebote?QUERYSTRING=moodle).
“Wir verstehen deshalb nicht, warum das Kultusministerium jetzt plant, kommerzielle Softwarelösungen einzukaufen, statt die entsprechenden Millionenbeträge in die Weiterentwicklung von garantiert datensicherer OpenSource-Software zu investieren“, erklärt der PhV-Landesvorsitzende.
Es sei aus seiner Sicht viel sinnvoller, öffentliche Gelder in eindeutig datenschutzkonforme Lösungen zu investieren:
- In eine Erhöhung der Benutzerfreundlichkeit der Lernplattform Moodle (z.B. durch Zukauf eines Plugins wie Snap),
- in mehr Server und Bandbreite für das freie Videokonferenz-System „Big Blue Button“
- und in die Einbindung von Collabora Office und Nextcloud in Moodle oder in die Übernahme einer datenschutzkonformen deutschen Email‑, Office- und Cloud-Lösung wie z.B. mailbox.org, die auch schon zum 15.09.2020 für alle Lehrkräfte im Land sowohl Dienst-Emailadressen wie auch eine browserbasierte Office-Lösung für alle Schüler und Lehrer zur Verfügung stellen könnte.
„Warum folgt Baden-Württemberg hier nicht dem Beispiel des Landes Thüringen?“, fragt Ralf Scholl. “Mit der anscheinend vom Ministerium geplanten kommerziellen Alternative zu diesen freien Plattformen beschreitet das baden-württembergische Kultusministerium einen teuren und datenschutzmäßig äußerst zweifelhaften Weg”. Siehe auch https://www.sueddeutsche.de/bildung/digitales-lernen-unterfinanziert-unterbesetzt-unterkompetent‑1.4979575.
Im Übrigen sieht der Verband der gymnasialen Lehrkräfte die Entscheidung des Ministeriums für den Einsatz kommerzieller Produkte und Angebote digitaler Konzerne im Schulbereich auch grundsätzlich kritisch: “Bei der Nutzung und Weiterentwicklung von Open Source-Produkten wie Moodle, Big Blue Button oder LibreOffice für den Bildungsbereich an Schulen und Universitäten könnten sich die Bundesländer zusammentun und auf diese Weise auch den Datenschutz und insbesondere auch die software-strategische Unabhängigkeit des Bildungsstandorts Deutschlands voranbringen – und damit zugleich einiges für die Medienerziehung und Medienmündigkeit künftiger Generationen erreichen!“
„Aus gutem Grund haben die baden-württembergischen Regierungsparteien GRÜNE und CDU im Koalitionsvertrag schließlich vereinbart, freie Software in der Landesverwaltung und im Bildungswesen zu fördern“, stellt Scholl abschließend fest.
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.