Zumeldung des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW) zur Pressemitteilung des Kultusministeriums vom 09.12.2020 “itslearning erhält Zuschlag als Lernmanagementsystem für die Digitale Bildungsplattform”
11. Dezember 2020
- Kultusministerium plant erneut unnötige und teure kommerzielle Parallelstrukturen in der Bildungsplattform
- Philologenverband empfiehlt Nutzung und Stärkung der bewährten Open-Source-Bildungsplattform Moodle
“Warum investiert das Kultusministerium (KM) mit itslearning wie beim MS 365-Projekt wieder in unnötige und teure kommerzielle Parallelstrukturen, wenn es mit Moodle eine an den Schulen in Baden-Württembergs seit vielen Jahren eingeführte datenschutzkonforme und bewährte Open-Source-Alternative gibt?” fragt Ralf Scholl, der Landesvorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW).
“Noch kürzlich hat sich das KM zurecht dafür gelobt, unseren Schulen in der Pandemie-Situation durch die Stärkung der Lernplattform Moodle ein gut funktionierendes Lernmanagementsystem zur Verfügung gestellt zu haben. Auf diesem Weg sollte das KM weitergehen”, so Ralf Scholl.
In der Funktionalität sei die Open-Source-Bildungsplattform Moodle der kommerziellen Lösung itslearning mehr als gewachsen, erklärt der PhV-Landesvorsitzende: „Moodle kann leicht um vielfältige Funktionen erweitert werden. Wo das nicht nötig ist, z.B. bei Grundschulen, kann eine für diese Schulen optimierte und einfach zu bedienende Moodle-Oberfläche zum Einsatz kommen.“
Die Tatsache, dass itslearning die nahtlose Integration der umstrittenen Cloud-Software MS 365 erlaubt, könne nicht als Vorteil gesehen werden. Ralf Scholl verwies diesbezüglich auf den Bildungsplan: „Die im Bildungsplan verankerte Medien- und Verbraucherbildung sowie das staatliche Ziel der digitalen Souveränität sprechen für die Verwendung von Open-Source-Software als Bestandteile der Bildungsplattform des Landes“.
Auch sei die Datenschutzproblematik bei itslearning zurzeit aus Verbandssicht noch nicht geklärt: „Itslearning nutzt den US-Anbieter Cloudflare für die Datenübertragung. Cloudflare ist aber aufgrund der US-Gesetzgebung (Cloud-Act) verpflichtet, auf Anfrage von US-Behörden Daten auszuliefern. Wie kann das nach dem Scheitern des Abkommens „Privacy Shield“ noch mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung DSGVO vereinbart werden?“ fragt der PhV-Landesvorsitzende. Immerhin gehe es bei einer Bildungsplattform um extrem sensible Schülerdaten.
Es gelte im Übrigen auch, die staatliche Schulaufsicht für die Zukunft zu sichern: „Laut Verfassung steht das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates. Diese staatliche Schulaufsicht darf nicht durch das Outsourcing systemrelevanter Bildungsinfrastruktur an kommerzielle Anbieter schleichend ausgehöhlt werden“, mahnt Ralf Scholl.
Im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung ist zudem die Stärkung von Open-Source-Software vereinbart. „Das war sehr klug und weitsichtig,“ so Ralf Scholl, „aber diese Entscheidung muss dann auch beim Aufbau der Bildungsplattform berücksichtigt werden!“
Der Philologenverband Baden-Württemberg setzt sich gemeinsam mit Eltern und Fachverbänden im Sinne emanzipatorischer Medienbildung und digitaler Souveränität für die Verwendung von bewährter und datenschutzkonformer Open-Source-Software an den Schulen ein.
Informationen für die Redaktionen:
Pressemitteilung des KM zum Lernmanagementsystem itslearning:
Pressemitteilung des KM zur Lernmanagementsystem Moodle:
Pressemitteilung von PhV und Elternvertretern zu Cloud-Software an Schulen:
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.
Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.