PhV BW zu „Umsetzung des Qualitätskonzept für das Bildungssystem Baden-Württemberg“
26. April 2018
26. April 2018
Az. 1811 / 2018 – 09
PhV BW begrüßt
• die Fokussierung auf Unterrichtsqualität und Unterrichtserfolg sowie die wissenschaftliche systematische Datenerhebung und die gezielte Datennutzung,
PhV BW kritisiert
• die strikte Trennung von Fachberatung bzw. — betreuung und Schulaufsicht, die Schaffung des Riesenverwaltungsapparats ZSL (Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung) und die geplante Einsparung von Funktionsstellen im gymnasialen Bereich.
Es ist in der Tat ein Riesenrad, an dem die Landesregierung und das Kultusministerium mit der gestern vom Kabinett gebilligten Mega-Umstrukturierung der Kultusverwaltung drehen. Ob ein derart gewaltiger administrativer Umbau zur Erreichung der richtigen und wichtigen bildungspolitischen Ziele wirklich nötig ist, darf indes bezweifelt werden.
Dass die Bildungspolitik nicht mehr länger von pädagogischem Wunschdenken und selbst definierter Modernität geprägt ist wie in der letzten Legislaturperiode, sondern dass unter Kultusministerin Dr. Eisenmann der Fokus auf die effektiven Schülerleistungen gerichtet wird, ist sehr zu begrüßen. Dabei können zentrale Lernstandserhebungen sowie eine datengestützte, empirische Bildungsforschung wichtige Grundlagen für fundierte schulpolitische Entscheidungen sein, weshalb wir auch diese Maßnahmen begrüßen.
„Was die Bildungsforschung misst, ist wichtig, kann aber nicht alles sein. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule umfasst weit mehr als das, was Daten aussagen. Vorhandene Daten z.B. aus der Hattie-Studie verweisen uns schon längst auf die enorme Bedeutung der Lehrer-Schüler-Beziehung. All die Daten nützen uns gar nichts, wenn die Politik zuschaut, dass unsere Lehrkräfte dauerhaft überlastet sind und sie deshalb nicht intensiv genug auf ihre Schützlinge eingehen können. Von Individualisierung zu sprechen und Lehrkräfte bewusst dauerhaft zu überlasten, kann nicht länger hingenommen werden. Eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung gymnasialer Lehrkräfte ist überfällig und wir fordern sie mit Nachdruck“, so Bernd Saur, der Vorsitzende des PhV BW.
Angeblich „beklagen Experten eine unzureichende Qualität der Lehrerfortbildung.“ Damit wird man den Fachberaterinnen und Fachberatern nicht gerecht, die ihre Fortbildungen quasi on top zu ihrer Unterrichtsverpflichtung planen und durchführen und die im Übrigen nach jeder Fortbildungsveranstaltung ein Teilnehmerfeedback erheben. Jeder/m Fachberater/in ist ein Schulsprengel, d.h. eine bestimmte Anzahl von Gymnasien in einer Region zugeordnet. Sie sind also „ganz nah“ an der einzelnen Schule bzw. Lehrkraft. Eine größere Nähe werden jedenfalls die einem neuen Berufsbild entsprechenden künftigen Fortbildner an den Seminarstandorten bzw. an den neu zu schaffenden so genannten Regionalstellen gar nicht haben können.
Die strikte Trennung von Fachbetreuung und Dienstaufsicht ist deshalb zu hinterfragen, weil beides sehr häufig ineinander fließt. Am Gymnasium ist die fachliche und fachdidaktisch-methodische Kompetenz der Lehrkräfte von elementarer Bedeutung. Die Dienstaufsicht ist häufig wegen im Fachlichen begründeten Problemen gefordert. Losgelöst, also getrennt davon, ignoriert sie einen elementaren Bestandteil des Wirkens einer Lehrkraft.
Durch die Schaffung des neues Berufsbilds „Fortbildner“ wird es im gymnasialen Bereich zu einer massiven Einsparung von Funktionsstellen kommen, da sehr viel weniger „Fortbildner“ gebraucht werden als wir jetzt Fachberater(innen) im Einsatz haben. Wir fordern, dass diese Stellen im System Gymnasium verbleiben und eins zu eins für eine Erhöhung der Abteilungsleiterstellen an den Schulen genutzt werden. Das Kultusministerium möchte die Schulleitungen stärken. Unsere Abteilungsleiter(innen) sind Teil der Schulleitung. „Was läge also näher, als die frei werdenden Funktionsstellen den Gymnasien vor Ort zugutekommen zu lassen. Eine einfache aber hoch wirksame Maßnahme zur Stärkung der Schulleitungen. Als Beispiel kann hier Bayern dienen, wo es an den Gymnasien bedeutend mehr solcher Funktionsstellen gibt als in Baden-Württemberg“, so Bernd Saur abschließend.
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes. Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der rund 27.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.