PhV BW zur Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine an den Schulen im Land

14. März 2022

Pressemit­teilung des Philolo­gen­ver­bands Baden-Würt­tem­berg (PhV BW)

* Land muss Schulen auf die Auf­nahme von ukrainis­chen Kindern und Jugendlichen vor­bere­it­en
* Philolo­gen­ver­band fordert sofor­tige Ein­rich­tung bzw. Auf­s­tock­ung von Vor­bere­itungsklassen für Flüchtlinge und Schaf­fung von zusät­zlichen Lehrerstellen

Angesicht des Kriegs in der Ukraine und der wach­senden Flüchtlingszahlen auch in Baden-Würt­tem­berg ruft der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg (PhV BW) die Lan­desregierung und das Kul­tus­min­is­teri­um auf, es nicht bei Sol­i­dar­itäts­bekun­dun­gen zu belassen, son­dern sofort die notwendi­gen Voraus­set­zun­gen zu schaf­fen, damit die ank­om­menden ukrainis­chen Kinder möglichst schnell und prob­lem­los in Schulen und Kindergärten aufgenom­men wer­den kön­nen.

Konkret fordert der Ver­band der gym­nasialen Lehrkräfte:

* Richt­en Sie am Kul­tus­min­is­teri­um eine Task-Force ein, die fed­er­führend für die Inte­gra­tion der Flüchtlingskinder an Kindergärten und Schulen zuständig ist!

* Stellen Sie einen Nach­tragshaushalt auf, in dem 3000 — 4000 befris­tete zusät­zliche Lehrerstellen in allen Schu­larten geschaf­fen wer­den, und zwar spätestens im April!

* Stock­en Sie für ank­om­mende Schüler ohne Deutschken­nt­nisse sofort beste­hende Vor­bere­itungsklassen auf bzw. richt­en Sie schnell weit­ere Vor­bere­itungsklassen ein!

* Sor­gen Sie sofort dafür, dass die sprach­lich sen­si­tiv­en Teile der 2P-Tests (zur Ermit­tlung des Vor­wis­sens der ank­om­menden Kinder) ins Ukrainis­che über­set­zt wer­den, damit die Kinder sofort nach Ankun­ft getestet und direkt an die richtige Schu­lart weit­ergeleit­et wer­den kön­nen.

* Die Schüler müssen nach dem Deutsch-Ler­nen in der Erst-Inte­gra­tion so rasch wie möglich am nor­malen Unter­richt teil­nehmen. Für viele wird dafür der Beginn des näch­sten Schul­jahres ein gün­stiger Wech­selzeit­punkt sein. Deswe­gen müssen spätestens ab Sep­tem­ber zusät­zliche Lehrkräfte eingestellt sein und spätestens im Juni/Juli ein Beratungsange­bot für die Schüler und deren Eltern bere­it­ste­hen.

* Leg­en Sie ein Fort­bil­dung­spro­gramm für die ank­om­menden ukrainis­chen Lehrkräfte auf, damit diese möglichst schnell und gut Deutsch ler­nen kön­nen! Nur so kön­nen diese zum Schul­jahr 2022/23, spätestens zum Schul­jahr 2023/24 als reg­uläre Lehrkräfte in unser Schul­sys­tem inte­gri­ert wer­den.

* Leg­en Sie sofort ein Fort­bil­dung­spro­gramm für Deutsch als Fremd­sprache auf, damit min­destens 5000 bis 10.000 der 140.000 Bestand­slehrkräfte für die Arbeit mit den ukrainis­chen Flüchtlingskindern zusät­zlich geschult wer­den kön­nen.

* Für alle diese notwendi­gen, zusät­zlichen Ange­bote benöti­gen die Schulen zusät­zliche Ressourcen – seien es Anrech­nungsstun­den für diejeni­gen, die Ange­bote organ­isieren, seien es zusät­zliche Ein­stel­lungsmöglichkeit­en.

Die momen­ta­nen Über­legun­gen des Kul­tus­min­is­teri­ums, ukrainis­che Lehrkräfte für die Erst-Beschu­lung der Flüchtlingskinder zu gewin­nen, ist kurzfristig sin­nvoll. Klar ist aber bere­its jet­zt: Alle schulpflichti­gen Flüchtlingskinder sind eine reg­uläre Beschu­lung gewöh­nt. Deshalb kann das Deutsch-Ler­nen in Flüchtlings-Klassen sehr inten­siv gestal­tet wer­den. Ziel sollte es deswe­gen sein, dass ab Beginn des neuen Schul­jahres im Sep­tem­ber bere­its möglichst viele der ukrainis­chen Kinder bei uns den nor­malen Unter­richt besuchen kön­nen. Dies wäre auch im Hin­blick auf eine gelin­gende Inte­gra­tion der Kinder und Jugendlichen in Deutsch­land wichtig.

Spätestens im übernäch­sten Schul­jahr soll­ten dann alle ukrainis­chen Kinder am nor­malen Unter­richt teil­nehmen kön­nen.

Dabei sind die ukrainis­chen Lehrkräfte, die ja selb­st zum großen Teil erst Deutsch ler­nen müssen, nur bed­ingt hil­fre­ich: Auf­grund des leichteren und schnelleren Spracher­werbs von Kindern ist davon auszuge­hen, dass die Kinder schneller und nach einem Jahr deut­lich bess­er Deutsch sprechen wer­den als die erwach­se­nen Flüchtlinge.

In jedem Fall müssen für die Ein­stel­lung neuer Lehrkräfte entsprechend der zusät­zlichen Schülerzahl min­destens 3000 bis 4000 zusät­zliche, befris­tete Lehrerstellen geschaf­fen wer­den — egal, ob es sich dabei um ukrainis­che Lehrkräfte als erste Not­maß­nahme oder spätestens ab dem näch­sten Schul­jahr auch um zusät­zliche deutsche Lehrkräfte han­delt. Dies muss schnell­st­möglich, und das heißt: im Rah­men eines Nach­tragshaushalts, geschehen, sobald die Zahl der in Baden-Würt­tem­berg ank­om­menden ukrainis­chen Kinder grob abzuschätzen ist. Diese Lehrerstellen müssen dann natür­lich auch im Rah­men des Dop­pel­haushalts 2023/24 weit­er­hin befris­tet einge­plant wer­den.

Ein wichtiges Ziel beste­ht in jedem Fall darin, möglichst viele der benötigten neuen Stellen auch mit aus­ge­bilde­ten Lehrkräften zu beset­zen. Deswe­gen müssen diese Stellen spätestens im Juni bere­it­ste­hen, wenn das reg­uläre Ein­stel­lungsver­fahren stat­tfind­et.

Das Kul­tus­min­is­teri­um wäre zudem gut berat­en, weit­ere 5000 bis 10.000 der bere­its im Schul­dienst befind­lichen Lehrkräfte zusät­zlich für Deutsch als Fremd­sprache fortzu­bilden.

Auf­grund der seit der Flüchtlingskrise 2015/16 etablierten Struk­turen und des seit­dem vorhan­de­nen Wis­sens- und Erfahrungss­chatzes soll­ten wir alle – Poli­tik, Ver­wal­tung und Bürg­er — die jet­zige Sit­u­a­tion gut und erfol­gre­ich meis­tern kön­nen.

Über­schlagsrech­nung zu den erwarteten schulpflichti­gen Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine und zu den dafür benötigten Lehrkräften

Bis­lang sind ca. 2,2 Mil­lio­nen Flüchtlinge in den Nach­barstaat­en der Ukraine angekom­men, weit­ere ca. 1,9 Mil­lio­nen sind inner­halb der Ukraine auf der Flucht. Es ist zu erwarten, dass fast alle diese Men­schen in die EU flücht­en wer­den.

Zu Beginn des Krieges sprach UNHCR von zu erwartenden 7 Mil­lio­nen Flüchtlin­gen. Bish­er sind knapp die Hälfte aller Flüchtlinge Kinder — in Begleitung der Müt­ter oder allein.Es ist somit davon aus­ge­hen, dass min­destens zwei bis drei Mil­lio­nen ukrainis­che Kinder in der EU mit ihren Müt­tern oder allein(!) unterzubrin­gen und in Schulen und Kindergärten aufzunehmen sind.

Wie sich die Flüchtlingsströme inner­halb der EU verteilen wer­den, ist bis­lang völ­lig unklar. Geht man von ein­er Verteilung in etwa entsprechend der Bevölkerung der EU-Mit­gliedsstaat­en aus, dann würde Deutsch­land etwa ein Fün­f­tel aller Flüch­t­en­den aufnehmen. D.h. wir sprechen dann von min­destens ein­er Mil­lion Flüchtlinge oder rund 500.000 Kindern. Nach dem König­stein­er Schlüs­sel ent­fall­en davon 13% oder 65.000 Kinder auf Baden-Würt­tem­berg.

Wenn wir davon aus­ge­hen, dass sich die Kinder halb­wegs gle­ich­mäßig auf die Alter­s­jahrgänge von null bis 17 verteilen, dann wären das etwa 3500 Kinder pro Alter­s­jahrgang.

Unsere nor­malen Alter­s­jahrgänge umfassen ca. 100.000 bis 110.000 Kinder pro Jahrgang. (Bei den 0–5‑Jährigen ca. 107.000 — 110.000; bei den Sech­sjähri­gen und 15-Jähri­gen 104.000, bei den 16- und 17-Jähri­gen 106.000 und bei den Acht- bis 14-Jähri­gen ca. 99.000 bis 103.000.)

Für rund 45.000 Kinder im schulpflichti­gen Alter (6 bis 17) benötigt man min­destens 4000 zusät­zliche Lehrkräfte.

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An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den knapp 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt mit über 9.000 im Ver­band organ­isierten Mit­gliedern die Inter­essen der Lehrerin­nen und Lehrer an den 462 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der ca. 26.500 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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